Grundrente: Einkommen statt Bedarf prüfen?

Im Streit um die Grundrente deutet sich ein Kompromiss an. Statt einer Bedarfs- könnte es nun eine Einkommensprüfung geben. Wie der Vorschlag aussieht, wer ihn unterstützt und welche Hoffnungen mit dem Kompromiss geweckt werden.

08:10 Uhr | 01. Oktober | 2019
Grundrente Hubertus Heil Altersvorsorge

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, steht am frühen Morgen vor dem Kanzleramt zu Beginn der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe der Koalition zur Grundrente. Kay Nietfeld/dpa

Im Mai dieses Jahres stellte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) seine Pläne zur Einführung einer Grundrente vor, die „den Namen auch verdient“ habe. Vorgesehen war, eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung einzuführen. Damit ging die SPD auf Konfrontationskurs mit der CDU/CSU; denn im Koalitionsvertrag ist die Einführung einer Grundrente mit Bedarfsprüfung vereinbart.

Ralf Kapschack, rentenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, argumentierte auf procontra, dass die Grundrente wichtig sei, um jenen Bürgern die Angst vor Altersarmut zu nehmen, die im Niedriglohnsektor beschäftigt sind. „Es geht um Respekt. Es geht darum, den Menschen den Gang zum Amt zu ersparen. Wer jahrelang gearbeitet hat, verdient eine Rente und keine Almosen. Das geht nur ohne eine Bedürftigkeitsprüfung, wie wir sie aus der Grundsicherung kennen“, schrieb Kapschack auf procontra.

Kompromiss deute sich an

Aus diesen Plänen wird wohl nichts. Wie Medien übereinstimmend unter Berufung auf Koalitionskreise berichten, haben sich Arbeitsminister Heil und Kanzleramtschef Braun auf einen Kompromiss geeinigt. Statt einer Bedürftigkeitsprüfung, bei der Vermögen und Einkommen komplett offengelegt werden müssen, ist nun „nur“ eine Einkommensprüfung vorgesehen.

Als Grenzwert wird ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 1.100 bis 1.200 Euro im Monat diskutiert. Wessen Einkommen oberhalb dieser Grenze liegt, könne zwar auch einen Zuschlag erhalten, dieser würde aber mit steigendem Einkommen abschmelzen.

Am Freitag wird eine Arbeitsgruppe über den Vorschlag beraten; mit Ergebnissen sei aber noch nicht zu rechnen, heißt es aus Koalitionskreisen.

Deutsche wollen keine Rente ohne Bedarfsprüfung

Die Gegner einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung können sich auch auf Umfrage-Ergebnisse berufen. So zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Allensbach-Umfrage, dass zwei von drei Deutschen eine Grundrente nur für Bedürftige wollen. Diese Meinung wird in allen sozialen Schichten von Jung bis Alt vertreten. „Auch die Anhänger der SPD urteilen hier nicht anders als der Durchschnitt der Bevölkerung“, so Prof. Dr. Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD).

In Auftrag gegeben wurde die Untersuchung von der marktliberalen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Deren Geschäftsführer Hubertus Pellengahr kritisierte Bemühungen wie die Mütterente oder die Rente mit 63 als „teure Wahlgeschenke“, die kein Vertrauen in die Rentenpolitik stiften würden. Wie groß der Reformbedarf in Sachen Altersvorsorge ist, zeigt ein weiteres Umfrage-Ergebnis: Fast 80 Prozent der Deutschen haben Zweifel, dass die Renten in Zukunft gesichert sind. „Das ist ein fatales Signal. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass die Menschen sich wieder auf ihre Rente verlassen können“, so Pellengahr. Auffällig ist auch, dass immer mehr Deutsche die Notwendigkeit sehen, länger zu arbeiten. 2014 sahen das noch 36 Prozent der Befragten so; inzwischen beträgt dieser Wert 51 Prozent. „Länger zu arbeiten ist der sozialste, gerechteste und effektivste Weg, um die Renten stabil und Beiträge niedrig zu halten. Die steigende Lebenserwartung ist ein Geschenk, aber die steigenden Rentenbezugszeiten sind eine Belastung. Beides muss gerecht zwischen Jung und Alt aufgeteilt werden“, fordert Pellengahr.

Hoffnungsschimmer für Betriebsrentner?

Der mögliche Kompromiss könnte für eine andere drängende „Baustelle“ in der Rentenpolitik ein Hoffnungsschimmer sein: Die Problematik um Doppelverbeitragung von Direktversicherungen und Betriebsrenten. Auf einer Podiumsdiskussion im April 2019 sagte Kapschack, dass eine Lösung dafür von der Ausgestaltung der Grundrente abhängen würde. Ein Kompromiss in Sachen Grundrente könnte also auch den Knoten bei der Doppelverbeitragung lösen.