Kommentar

Die hohen Schadenkosten werden die Versicherungsbranche radikal umkrempeln

Bestandssanierungen und andere Sparmaßnahmen sind nur der Anfang, glaubt procontra-Redakteur Florian Burghardt. Ganze Sparten könnten wegfallen und sogar die Cashcow Maklerpool ins Wanken geraten.

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15:07 Uhr | 31. Juli | 2024
Die hohen Schadenkosten werden die Versicherungsbranche radikal umkrempeln

Bestandssanierungen und andere Sparmaßnahmen sind nur der Anfang, glaubt procontra-Redakteur Florian Burghardt. Ganze Sparten könnten wegfallen und sogar die Cashcow Maklerpool ins Wanken geraten.

| Quelle: procontra

Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist: Die Versicherungsbranche befindet sich gerade in einem massiven Umsturz. Die Ursachen dafür haben sich komplex aufgebaut, sind aber einfach erklärt: Durch die hohe Inflation sind die Preise für Ersatzteile und Rohstoffe stark gestiegen, ebenso die Personalkosten in der Kfz-Werkstatt oder für Handwerker nach einem Wohngebäudeschaden. Dazu gesellen sich noch andere Effekte: Teils weniger Abschlüsse, weil die Kaufkraft der Haushalte gesunken ist, höhere Personalkosten bei den Versicherern selbst und nicht zuletzt schon seit Jahren der Klimawandel mit einer Häufung von unter anderem Starkregenereignissen auf zunehmend versiegelte Flächen.

Wie einschneidend die Verluste der Versicherer in den Schaden-Sparten sind, zeigt sich fast täglich in immer neuen Meldungen: HDI erhöht die Beiträge für seine Kfz-Kunden kräftig und trennt sich ganz aktuell vom defizitären Geschäft über Maklerpools. Rhion schmeißt zu teure Bestände raus, Axa saniert und kündigt teilweise ihr Hausverwalter-Konzept, die Nürnberger baut Stellen ab und spart an allen Ecken und Enden…

Dabei sollte man beachten: Diese Meldungen zählen lediglich zu den bekannten Entwicklungen. Doch ich bin mir sicher, dass parallel zu diesen bereits in zahlreichen anderen Versicherungsunternehmen ähnliche Programme geplant oder schon umgesetzt werden. In den nächsten Monaten werden sich die Berichte über Bestandskündigungen, heftige Beitragserhöhungen und anderweitige Vertragssanierungen häufen. Denn alle Versicherer müssen sparen.

Maklerpools könnten ins Wanken geraten

Gut möglich, dass dann auch der Siegeszug der Maklerpools hierzulande ein Ende nimmt. In den letzten Jahren war ein Vertrieb ohne Pools nicht denkbar. Kaum noch ein Makler arbeitet ohne Intermediäre zusammen und es ging höchstens darum, welche Pools fusionieren oder kleinere gleich komplett schlucken. Doch die Leistungen der Pools kosten zurecht Geld und machen das Geschäft für die Versicherer somit teurer als der Abschluss über den direkt angebundenen Makler. Wenn die Versicherer sich das Geschäft über Pools also schlicht und einfach nicht mehr leisten können und diese Kosten nicht komplett auf ihre Kunden abwälzen wollen, wird ihnen nichts anderes übrigbleiben als sich von den Intermediären abzukehren beziehungsweise das Geschäft über diese zu selektieren. Das würde die Cashcow Maklerpool, in die hierzulande schon mehrere ausländische Investoren eingestiegen sind, ins Wanken bringen. Ein ähnliches Schicksal könnte Vergleichsportale ereilen, die bekanntermaßen verhältnismäßig hohe Courtagen für die Vermittlung verlangen.

Im persönlichen Vertrieb ist schon seit einiger Zeit eine Stärkung der Ausschließlichkeitsorganisationen (AO) bei mehreren Versicherern erkennbar. Das bringt diesen einige Vorteile. Ein solcher Vorteil, mit dem die Versicherer aber nicht medial hausieren gehen, ist, dass das Geschäft über Vertreter in der Summe günstiger ist als über Makler. Deshalb werden, vor dem Hintergrund des gestiegenen Kostendrucks, auch die AO weiterer Unternehmen wachsen.

Weniger Vollsortimenter?

Nicht zuletzt werden weitere Versicherer die Anzahl ihrer Mitarbeitenden in Frage stellen. Ich wünsche niemandem, dass er seinen Job verliert. Aber die Nürnberger wird nicht das einzige Unternehmen sein, bei dem durch den allgemeinen Kostendruck jegliche Einsparmöglichkeit genau unter die Lupe genommen wird.

Die Unternehmen sind sogar so weit, über das Abschneiden ganzer Sparten nachzudenken. Kleinere Anbieter wie Freeyou und Wefox haben sich bereits komplett von der Kfz-Versicherung getrennt. Weitere, auch deutlich größere Unternehmen könnten folgen und sich von Kfz, Wohngebäude und Co. verabschieden, mit denen man sie jahrzehntelang identifiziert hat. Viele Vollsortimenter könnten eine neue, profitablere Rolle für sich finden. Die Versicherungsbranche wäre dann eine völlig andere.

Zumindest diesen Punkt betreffend bleibt zu hoffen, dass die Entscheider in den Chefetagen die Aufgabe „Versicherung“ verstanden haben und diese vor die Erreichung bestmöglicher Quartalszahlen stellen. Denn gute Versicherungsprodukte zu einem bezahlbaren Preis werden die Menschen immer brauchen.