pro&contra

Finfluencer – eine ernste Bedrohung für die Versicherungsbranche?

Finfluencer gewinnen an Beliebtheit, bieten Finanzwissen und teils fragwürdige Investmenttipps. BVK-Chef Michael H. Heinz sieht sie als Bedrohung für die Finanz- und Versicherungswirtschaft, während Henning Zülch, Professor an der HHL Leipzig und Autor einer großen Finfluencer-Studie, gelassener bleibt.

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09:06 Uhr | 20. Juni | 2025
BVK-Präsident Michael H. Heinz und Prof. Dr. Henning Zülch von der HHL in Leipzig.

Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), und Prof. Dr. Henning Zülch, Inhaber des Lehrstuhls für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling an der HHL Leipzig Graduate School of Management

| Quelle: BVK / HHL
Schützt die junge Generation – kontrolliert Finfluencer!
Michael H. Heinz

Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK)

Es ist vertrackt: Gerade junge Menschen, die naturgemäß noch wenig Erfahrungen bei Finanzanlagen haben, konsultieren ausgehend von ihrem gewohnten Medienverhalten mehrheitlich Auftritte von Finfluencern auf den bekannten Social Media-Plattformen, um sich zu informieren. Manche von den Protagonisten geben unverfängliche Informationen über den Zinseszinseffekt, den Unterschied von Tages- und Festgeldern oder informieren ganz allgemein, wozu man diese oder jene Versicherung benötigt. Sie leisten damit einen Beitrag zur Finanzbildung.

Manche Finfluencer inszenieren sich als Finanzgurus

Doch manche der Finfluencer sind gewieft und haben die breite Akzeptanz von Social Media besonders beim jüngeren Publikum als Geschäftsmodell für sich entdeckt. Sie agieren im Graubereich, manche sogar ganz bewusst rechtswidrig. Sie nutzen die vermeintliche Unwissenheit ihrer jungen Zielgruppe aus, um Produkte zu bewerben, von denen sie selbst oft nicht mehr wissen, als dass sie dafür eine Provision kassieren.

Manche inszenieren sich als Finanzgurus, die mit Affiliate-Links und Werbedeals ihr eigenes Portemonnaie füllen, aber am Ende keine Ahnung haben und das junge Publikum in die Irre führen. Schlimmer noch: Sie geben Tipps, die im schlimmsten Fall das Ersparte der Follower in Luft aufgehen lassen.

Rechtswissenschaftliches Gutachten

Deshalb legt jetzt der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) den Finger in die Wunde und ließ ein rechtswissenschaftliches Gutachten erstellen. Es sollte untersuchen, inwieweit dieses Geschäftsgebaren rechtlich in Ordnung ist. Darin stellt der renommierte Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt Universität Berlin klar: Wer in sozialen Medien Wertpapiere, Kryptowerte oder Versicherungen bewirbt und dabei konkret auf Vertragsabschlüsse hinweist, ist kein bloßer Unterhalter mehr, sondern ein Vermittler – und muss sich an die gleichen Regeln halten wie jeder andere Finanzberater auch.

Das bedeutet: Objektivität, Offenlegung von Interessenkonflikten und vor allem – eine gewerberechtliche Zulassung werden benötigt. Wer sich nicht daran hält, handelt nicht nur moralisch fragwürdig, sondern riskiert Bußgelder, Strafbarkeit und die Nichtigkeit der vermittelten Verträge.

„Wir brauchen keine neuen Regeln für Finfluencer. Wir haben sie schon. Wir haben nur vergessen, dass ein Finfluencer, der Versicherungen oder Finanzanlagen vermittelt, eben ein Vermittler ist. Er nennt sich nur nicht so,“ resümierte Prof. Schwinowski kürzlich auf der BVK-Fachtagung.

Gleiche Regeln für alle

Deshalb lautet die Botschaft des BVK klar und deutlich: Gleiche Regeln für alle! Das ist nicht nur ein Appell an die Vernunft, sondern auch ein Plädoyer für den Verbraucherschutz. Denn wenn die jungen Menschen schon auf Social Media nach ihrem Weg zu finanzieller Unabhängigkeit suchen, dann sollten sie zumindest darauf vertrauen können, dass die Empfehlungen, die sie dort erhalten, objektiv, wahrheitsgemäß und rechtlich sauber sind.

Es ist also an der Zeit, dass auch die Behörden wach werden. Die BaFin und die Industrie- und Handelskammern sollten gezielt Stichproben durchführen und Finfluencer, die rechtswidrig ohne Zulassung agieren, sanktionieren. Denn eines ist sicher: In einer funktionierenden Marktwirtschaft brauchen wir faire Wettbewerbsbedingungen – und keine Schlupflöcher für windige Finanzberater.

Finfluencer sind keine Bedrohung, sondern ein Weckruf für die Versicherungsbranche
Prof. Dr. Henning Zülch

Inhaber des Lehrstuhls für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling an der HHL Leipzig Graduate School of Management

Kaum ein Begriff polarisiert die Finanzbranche derzeit so sehr wie „Finfluencer“. Die Kritik reicht von pauschalen Vorwürfen mangelnder Seriosität bis hin zur Unterstellung systemischer Gefahren für Verbraucher. Auch in der Versicherungsbranche ist die Skepsis groß – doch sie verkennt die eigentliche Rolle dieser neuen digitalen Akteure.

Finfluencer fülle eine Lücke

Finfluencer sind nicht die Ursache eines Problems, sondern ein Symptom eines tiefgreifenden Wandels. Sie füllen eine Lücke, die klassische Institutionen über Jahre offengelassen haben – nämlich die der niedrigschwelligen, authentischen und digitalen Finanzbildung. Die Branche und andere mit ihr haben ihre Informationshoheit Schritt für Schritt verloren, da wichtige Stakeholdergruppen nicht informativ abgeholt werden.

Finfluencer sprechen eine neue Anlegergeneration an, die sich von klassischen Kanälen wie Fachmedien, Bankberatern oder Versicherungsvermittlern längst abgewendet hat. Generation Z und Millennials konsumieren Finanzinhalte dort, wo sie sich ohnehin aufhalten: auf YouTube, Instagram, TikTok oder LinkedIn.

Was viele Branchenvertreter als unseriös oder gefährlich abtun, ist für diese Zielgruppen der Einstieg in eine zuvor hermetisch verschlossene Welt. Finfluencer agieren hier als digitale Intermediäre – vereinfachend, dialogorientiert, oft authentisch. Wer das ignoriert, verpasst nicht nur einen Kommunikationskanal, sondern riskiert langfristig den Anschluss an eine ganze Generation von Kunden.

Nicht Überregulierung ist gefragt, sondern ein Qualitätswettbewerb

Natürlich sind mit dem Finfluencer-Trend auch Herausforderungen verbunden. Die Tendenz mancher Akteure zur Risikoaffinität, fehlende Regulierung und potenzielle Interessenskonflikte durch provisionsbasierte Geschäftsmodelle werfen berechtigte Fragen auf. Doch diese Herausforderungen sind keineswegs neu – sie ähneln strukturellen Problemen, wie sie auch in anderen Vertriebsformen bestehen, etwa bei unabhängigen Finanzvermittlern. Der Unterschied: Während letztere in festen regulatorischen Rahmen agieren, operiert die Finfluencer-Szene noch im Graubereich. Genau hier liegt die Chance: Nicht Überregulierung ist gefragt, sondern ein gezielter Qualitätswettbewerb, bei dem seriöse Anbieter durch Professionalität, Transparenz und Relevanz überzeugen – und zweifelhafte Stimmen an Bedeutung verlieren.

Ein solcher Wandel ist kein Selbstläufer. Er muss von den Unternehmen ausgehen und erfordert klare Auswahlkriterien, transparente Kooperationsstandards und strukturiertes Monitoring. Das von der HHL vorgeschlagene „FinQ Framework“ kann hier als Orientierung dienen. Es bietet ein Instrument zur Bewertung der inhaltlichen Qualität, Glaubwürdigkeit und Reputationswirkung von Finfluencern. Wer dieses Instrument nutzt, kann systematisch tragfähige Partnerschaften aufbauen und Risiken aktiv steuern – insbesondere im Rahmen strategischer „Finfluencer Relations“.

Kein Bedrohungsszenario, sondern Gestaltungsaufgabe

Für Versicherer ergibt sich daraus kein Bedrohungsszenario, sondern vielmehr eine Gestaltungsaufgabe: Wie kann man Finfluencer gezielt in strategische Bildungs- und Kommunikationsinitiativen einbinden? Wie lässt sich der Zugang zu jungen Zielgruppen professionell und zugleich glaubwürdig gestalten? Wer diese Fragen proaktiv adressiert, wird nicht verdrängt, sondern gewinnt – an Relevanz, Reichweite und Reputation.

Fazit: Finfluencer sind keine Gefahr für die Versicherungsbranche – sie sind ein Signal. Ein Signal dafür, dass sich die Regeln der Finanzkommunikation verändern. Wer das als Chance begreift und den Dialog sucht, statt sich abzuschotten, wird davon profitieren. Nicht trotz, sondern gerade wegen der Finfluencer.

Pro und Contra – Finfluencer in der Finanz- und Versicherungsbranche

  • Füllen eine wichtige Lücke:

  • Chancen für den Wettbewerb

  • Strategische Partnerschaften

  • Risiko für Verbraucher

  • Fehlende Regulierung

  • Unklare Verantwortung

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