Kolumne

Pflicht zur Vorsorge – Elementarschäden versichern, aber richtig

Ist die Pflicht zur Elementarschadenversicherung wirklich die Lösung für die zunehmenden Schäden durch Wetterereignisse? Susanna Adelhardt, neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), beleuchtet diese Frage in ihrer Kolumne.

10:06 Uhr | 17. Juni | 2025
Susanna Adelhardt, neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV)

Susanna Adelhardt, neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) | Quelle: DAV

Das Wetter hält sich an keine Landesgrenzen, Postleitzahlen interessieren noch weniger. Gebirgszüge, Meeresströmungen und große Gewässer prägen das Klima – doch mittlerweile wirkt der Mensch genauso stark: Treibhausgase und nicht nachhaltige Landnutzung beeinflussen Klima, Atmosphäre und Ozeane. Wetter- und Klimaextreme nehmen weltweit in immer kürzeren Abständen und heftigeren Ausmaßen zu, Deutschland ist dabei keine Ausnahme. Und so erleben wir vor unserer Haustür großflächigere Waldbrände, noch mehr aber Starkregen, Hochwasser oder Überschwemmungen. Die Flutkatastrophe „Bernd“ 2021 markierte einen historischen Schadenrekord, das Juni-Hochwasser 2024 hat erneut deutlich gemacht, dass Elementargefahren kein Jahrhundertereignis in Risikogebieten mehr sind - sie betreffen uns alle und immer häufiger.

Staat bleibt gefordert

Die Diskussion um eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ist längst in der Politik angekommen. Was auf den ersten Blick logisch erscheint, greift zu kurz. Es bedarf eines durchdachten Gesamtkonzepts. Ohne flankierende Maßnahmen wie Prävention, risikogerechte Prämien und einen verlässlichen, staatlich abgesicherten Kumulschutz kann sie sogar kontraproduktiv wirken. Wenn Risiken nicht angemessen bepreist werden, gehen notwendige Anreize zur Schadenvermeidung verloren. Damit gerät das Gesamtsystem in einen Teufelskreis.

Eine risikogerechte Prämiengestaltung berücksichtigt den Standort einer Immobilie, Gebäudewert, Selbstbehalte und weitere Faktoren. So entsteht ein fairer Ausgleich individueller Verantwortung und gesellschaftlicher Solidarität bei Extremrisiken. Gleichzeitig bleibt der Staat gefordert: Eine Pflichtversicherung braucht funktionierenden Kumulschutz – zum Beispiel über einen öffentlichen Rückversicherer. Mindestens genauso wichtig ist eine vorausschauende Raumplanung, die Gefährdung ernst nimmt und verhindert, dass überhaupt dort gebaut wird, wo das Wasser bald stehen könnte.

Zentrale Fragen bleiben offen

Die Bundesregierung hat erste Ansätze formuliert: Eine verpflichtende Elementarschadenabsicherung für Neu- und Bestandsverträge, flankiert von staatlicher Rückversicherung und möglicherweise einer Opt-Out-Regelung. Der Ansatz geht in die richtige Richtung, dennoch bleiben zentrale Fragen offen: Was bedeutet „risikogerechte Prämie“ konkret und wie viel Solidarität ist bei Extremrisiken möglich? Ist ein staatlicher Stop-Loss-Mechanismus vorgesehen? Und wie lässt sich verhindern, dass weiterhin in hochgefährdeten Gebieten gebaut wird? Ein Blick in die USA zeigt, wie wichtig eine kluge Regulierung ist: In Kalifornien hat sich der Versicherungsmarkt zunehmend aus der Deckung von Naturkatastrophen zurückgezogen – eine Folge überzogener Eingriffe, die den Markt destabilisierten. Solche Entwicklungen dürfen sich in Deutschland nicht wiederholen.

Eine Pflichtversicherung kann Teil der Lösung sein - wenn sie in ein tragfähiges Konzept eingebettet ist. Prävention, klare Zuständigkeiten und realistische Risikobewertungen gehören ebenso dazu wie politische Konsequenz bei der Raumplanung. Oder, um es mit den Worten meines Vorgängers Max Happacher zu sagen: "Der beste Schaden ist immer noch der, der nicht eintritt."

Sollte eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden eingeführt werden?