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„Ich habe keine Bauchschmerzen mit 80-Prozent-Garantie“

Für die Versicherer wird es wieder einfacher, Garantien darzustellen. Doch ist das auch sinnvoll? Über die Entwicklung des Lebensversicherungsmarktes sprach procontra mit Herbert Schneidemann, Vorstandsvorsitzender der Bayerischen.

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09:08 Uhr | 09. August | 2024
Herbert Schneidemann

Herbert Schneidemann ist Vorstandsvorsitzender der Bayerische

| Quelle: DAV

procontra:

Was bedeutet die Anhebung des Höchstrechnungszinses für einen Lebensversicherer?

Herbert Schneidemann:

Der Höchstrechnungszins ist zunächst erstmal nur die Frage, zu welchem Zins die Verpflichtungen bilanziert werden. Der konventionelle Teil der Hybridprodukte, unabhängig ob sie mit einer 60, 80 oder 100-prozentigen Garantie ausgestattet sind, werden mit dem aktuellen Höchstrechnungszins kalkuliert. Je höher dieser Zins, desto weniger muss im konventionellen Deckungskapital reserviert und desto mehr kann in chancenreichere Anlagen investiert werden. Für Anbieter wird durch die Anhebung also die Produktgestaltung wieder etwas flexibler.

procontra:

Es wird wieder einfacher, Garantie darzustellen. Ist das Angebot einer 100-prozentigen Beitragsgarantie aber auch wieder sinnvoll? Der Markt hat gerade verstanden – wenn auch durch den Nullzins erzwungen – dass Garantien teuer sind und es chancenreichere Investments braucht, um die Inflation langfristig schlagen zu können.

Schneidemann:

Eine 100-Prozent-Garantie war mit einem Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent nicht mehr möglich. Mit ein Prozent ab 2025 ist es theoretisch wieder möglich, verhindert aber im Grunde auch eine chancenreichere Anlage. Von daher ist eine 100-prozentige Beitragsgarantie, auch für sicherheitsorientierte Kunden aus meiner Sicht nicht empfehlenswert.

procontra:

Besteht die Gefahr, dass der Markt wieder „rückfällig“ wird und wieder mehr Garantien fordert?

Schneidemann:

Das glaube ich nicht. Durch den neuen Höchstrechnungszins werden die garantierten Leistungen klassischer Produkte nicht schlagartig so attraktiv, dass ein Rückfall zu erwarten ist. Letztlich soll der Kunde wählen, welchen Garantieanteil er möchte. Dafür muss er die Auswirkungen einer höheren oder geringeren Garantie auf die mögliche Rendite kennen. Die Leistungsbetrachtung darf sich aber nicht immer nur auf die bei Vertragsabschluss garantierte Rente beschränken. Die Überschussbeteiligungen sind ein wesentlicher Renditefaktor, auch wenn sie nicht garantiert sind. Hinzu kommt eine lebenslange Rentenzahlung, die andere Produkte nicht gewährleisten können. Diese Gesamtleistung sollte in der Beratung noch stärker herausgestellt werden, da es starke Alleinstellungsmerkmale unserer Branche sind, ganz unabhängig vom Garantieniveau.

procontra:

Ist Ihnen als Anbieter nicht eine möglichst geringe Garantie am liebsten? 

Schneidemann:

Ich habe keine Bauchschmerzen mit einer 80-Prozent-Garantie in den Büchern. Das können wir sehr gut darstellen. Über unser Sicherungsvermögen bekommen wir eine sehr breite Streuung in verschiedene Assetklassen, die man über Produkte ganz ohne Garantie, wie beispielsweise einer reinen Fondspolice nicht bekommt. Von daher finde ich die Kombination aus Sicherungsvermögen und Fondsanlage immer noch eine sehr interessante Lösung.

procontra:

Im Zuge der Anhebung des Höchstrechnungszinses wird auch wieder lebhaft über Riester diskutiert. Erleben wir hier ein Comeback?

Schneidemann:

Es wird sicherlich Marktteilnehmer geben, die Riester jetzt wieder verstärkt anbieten. Ob das mit Blick auf die erwartete Reform der privaten Altersvorsorge noch sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln. Die bislang bekannten Vorschläge der Fokusgruppe zur geförderten Altersvorsorge streben eine Lösung an, die nicht eins zu eins der heutigen Riester-Rente entspricht. Daher ist der jetzige Erfolg eines Riester-Comebacks, nur aufgrund der Zinsanhebung zum 1.1.2025, doch eher begrenzt.