Gabi Fingerhuth:
Grundsätzlich werden Frauen ähnlich beraten. Die Themen sind die gleichen, allerdings haben sie in der Regel eine ganz andere Altersvorsorgestruktur. Weil Frauen oft in Teilzeitjobs arbeiten und häufig Eltern- oder Erziehungszeiten aufweisen, muss man genauer hinschauen, was an Einkommen für den Ruhestand aufgebaut wird. Für einen guten Überblick erfasse ich alle Daten zur Einkommenssituation, den bestehenden Vorsorgeaufwendungen und Absicherungen. Dann zeige ich konkret auf, was passieren müsste, wenn zum Beispiel im Alter ein Einkommen von 2.000 Euro nach heutigem Stand benötigt wird und dies nicht mit 2, sondern mit 5 bis 7 Prozent inflationiert wird. Die Ergebnisse sind mitunter erschreckend.
procontra:
Woran denken männliche Berater oftmals nicht, wenn sie Frauen zur Altersvorsorge beraten?
Fingerhuth:
Für einen gut qualifizierten Berater spielt das Geschlecht des Kunden keine Rolle, denn er kann unterschiedliche Lebenswege passend beraten. Männliche Kunden sind allerdings oftmals nicht sensibilisiert für die Relevanz der Absicherung ihrer Ehefrauen. Sie denken häufig: Das wird schon alles funktionieren, das Einkommen der Familie ist sicher, es wird für das Alter schon reichen. Frauen sind meist empathischer, sie sehen eher die Herausforderungen – insbesondere, dass gemeinsame Lebenswege auch mal nicht mehr funktionieren. Zudem sind sie sensibler gegenüber dem Finanzbedarf im Alter.
Fingerhuth:
Man benötigt viel Empathie, um zu sehen, wo beim Mann die Vorbehalte liegen, wenn es um die Altersvorsorge geht. Gerecht wäre es, wenn man beide Partner von Anfang an gleich aufstellt. Was erfahrungsgemäß bedeutet, dass wir auch heute noch mehr bei den Frauen nachversorgen müssen – das liefern die Zahlen aus dem Finanzmanagement. Hier erhält man den Überblick, wer bisher welche Ansprüche aufgebaut hat, für wen wieviel im Rahmen der privaten Vorsorge gespart worden ist und welche staatliche Förderung beide Partner nutzen können, zum Beispiel in Form einer Basis-, einer Riesterrente oder über die betriebliche Altersvorsorge. Diese Chancen müssen für beide Partner greifbar werden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass der Mann irgendetwas abgeben muss. Das gemeinsame Ziel – die passende Absicherung für das Alter, und zwar für beide Partner – sollte im Vordergrund stehen.
Fingerhuth:
Eine gute Möglichkeit ist eine private Vorsorge für die Frau, eine Zusatzabsicherung, die auch während der Elternzeit weiter bespart wird. Natürlich muss das finanziell leistbar sein – bei einer jungen Familie, die gerade eine Immobilie gekauft hat, kann das mitunter schwierig sein.
procontra:
Wie gehen Sie damit um, dass das Ehegattensplitting kontraproduktiv für den Hinzuverdienst von Frauen ist, weil sich dieser kaum lohnt?
Fingerhuth:
Da beide Partner zusammen veranlagt werden, versuche ich, immer den gemeinsamen Weg abzubilden. Es gibt Eheleute, die den Vorteil des stärker verdienenden Partners über das Ehegattensplittung ausgleichen. Den geldwerten Vorteil stecken sie in die Altersvorsorge des anderen Partners. Das ist eine gute Lösung, denn so haben Ehefrauen, die durch das Ehegattensplitting wirtschaftlich im Nachteil sind, einen Ausgleich.
Fingerhuth:
Je früher man seine Kunden für die Relevanz der privaten Vorsorge sensibilisiert, desto besser – egal ob Frauen oder Männer. Ich betreue beispielsweise auch viele Kinder von Kunden und vermittle ihnen, früh zu beginnen, zumindest mit kleinen Sparbeiträgen. Das ist schwierig in der aktuellen Zeit, oftmals ist kein Geld dafür übrig. Oder man hört: Das lohnt sich doch nicht. Aber was ist die Alternative? Wir dürfen die Augen vor der drohenden Rentenlücke nicht verschließen, sondern müssen rechtzeitig und konsequent an der eigenen Vorsorge arbeiten. Die jüngere Generation ist zwar informierter und verfügt häufig über Sparpläne, oftmals fehlen aber unverzichtbare Absicherungen etwa gegen Berufsunfähigkeit. Es wäre wünschenswert, wenn auch in Schulen und Universitäten rechtzeitig informiert würde, welche Versicherungen notwendig sind.