Scope-Interview

„Bedeutung freier Vermittler im ELTIF-Vertrieb nimmt zu“

Der Markt für Investments in Infrastruktur, Private Equity & Co. nimmt Fahrt auf. Im Interview erklärt Sonja Knorr, Head of Alternative Investments, Scope Fund Analysis, wo die Chancen und Risiken liegen.

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13:10 Uhr | 25. Oktober | 2024
Sonja Knorr

Sonja Knorr, Head of Alternative Investments, Scope Fund Analysis

| Quelle: Scope

procontra:

Der Gesetzgeber hat die hohen Mindestanlagesummen für European Long Term Investment Funds abgeschafft. Greifen Privatanleger nun beherzter zu?

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Sonja Knorr:

Das Interesse an Privatmarktanlagen wächst und entsprechend steigt das Angebot an ELTIFs, die einen einfacheren Einstieg in alternative Assetklassen ermöglichen. Ehe der ELTIF aber im Massenmarkt ankommt, wird noch etwas Zeit vergehen. Zunächst dürfte sich das Produkt bei wohlhabenden Privatanlegern etablieren. Sie können auf ein wachsendes Angebot zurückgreifen: Mittlerweile sind 111 ELTIFs am Markt, 55 sammeln derzeit Geld ein. Allein 2024 sind 19 Anbieter mit ihrem ersten ELTIF in Erscheinung getreten. Viele Produkte arbeiten weiterhin mit einer Mindestanlage von 10.000 Euro.

procontra:

Warum verlangen die meisten Anbieter immer noch diesen Mindestbetrag?

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Knorr:

Zum einen ist es erst seit Anfang des Jahres möglich, die Mindestanlagesumme auf unter 10.000 Euro zu senken. Nachdem seit kurzem die Ausgestaltung der technischen Standards klar ist, beginnen viele Anbieter nun, diese Möglichkeit zu nutzen. Zum anderen wird die Steuerung des Vehikels komplexer, wenn die Anlegergruppen sehr kleinteilig sind. Einige Anbieter wollen das vermeiden.

procontra:

Gibt es weitere Erleichterungen für Anbieter und Vertrieb?

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Knorr:

Die markanteste Neuerung ist die Einführung halboffener Produkte. Dahinter verbergen sich ELTIFs, bei denen der Ein- und Ausstieg von Anlegern fortlaufend möglich ist. Auf diese Weise können die Anbieter das Produkt ewig, also über Jahrzehnte, laufen lassen und müssen nicht alle ein bis zwei Jahre einen neuen ELTIF auflegen. Und für Anleger ist das interessant, weil sie flexibel aussteigen können.

procontra:

Von den neu eröffneten Rückgabemöglichkeiten bei de facto illiquiden Sachwerten können aber auch Risiken ausgehen, siehe Offene Immobilienfonds. Sehen Sie das auch so?

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Knorr:

Richtig, ein Fristentransformationsrisiko bleibt bestehen, daher ist es essenziell, diese Langfristinvestitionen auch als solche zu verstehen. Klar ist, dass solche halboffenen Fonds ein ausgeklügeltes Liquiditätsmanagement brauchen. Für den Ausstieg gibt es eine Reihe von Beschränkungen: Mindesthaltedauern, Kündigungsfristen, Maximalbeträge pro Quartal und/oder Jahr. Damit lässt sich die Liquidität steuern und überraschende, sofort zu bedienende Rückgaben sind ausgeschlossen. Auf diese Weise wird das Risiko minimiert. Zu 100 Prozent ausschließen lässt es sich aber nicht.

procontra:

Was sind typische Investmentobjekte von ELTIF?

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Knorr:

ELTIFs sind vor allem in drei Segmenten aktiv: Private Equity, Infrastruktur und Private Debt. Anleger können sich so an nicht-börsennotierten Unternehmen, an Infrastrukturprojekten oder an Unternehmensfinanzierungen beteiligen.

procontra:

Warum sind solche Sachwerteinvestments für Anleger interessant?

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Knorr:

Wichtigster Pluspunkt ist die Diversifikation. Investments am Privatmarkt entwickeln sich weitgehend unabhängig von den Börsen. Anleger können also mithilfe von ELTIFs ihr Vermögen breiter streuen. Außerdem versprechen Privatmarktanlagen teilweise höhere Renditen als der Aktienmarkt.

procontra:

Welche Renditen nach Kosten dürfen Anleger erwarten?

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Knorr:

Das unterscheidet sich stark je nach Anlagesegment und dem gewählten Risikoprofil. Am geringsten dürfte die Rendite direkter Infrastrukturanlagen sein – etwa vier bis sieben Prozent. Bei Private Equity sind auch zweistellige Renditen möglich.

procontra:

Wie erfolgt der Vertrieb von ELTIF an Privatanleger und welche Rolle spielen dabei freie Vermittler?

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Knorr:

Momentan werden ELTIFs vor allem in den Private-Banking-Abteilungen von Banken verkauft. Freie Vermittler spielen bislang eine untergeordnete Rolle. Da künftig aber mehr Produkte mit einer geringeren Mindestanlagesumme auf den Markt kommen, könnte die Bedeutung freier Vermittler zunehmen.

procontra:

ELTIFs und ihre Funktionsweise sind für die meisten Kunden, aber auch Berater neu. Gleichzeitig müssen Berater die Eignung ihrer Kunden beurteilen. Wie soll das gelingen?

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Knorr:

Hier liegt noch ein gutes Stück Weg vor uns. Schulungen und Informationsveranstaltungen können helfen, ELTIFs bei den Beratern bekannter zu machen. Es gibt von einigen Anbietern und Dienstleistern mittlerweile auch online gutes Material. Fest steht, dass viel Aufklärung nötig ist, denn das Investment ist komplex und sollte nicht ohne solides Knowhow und immer im Kontext des langfristigen Anlagehorizonts verkauft werden.

procontra:

Auf welche Kriterien sollten Anleger bei der Produktwahl achten?

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Knorr:

Auf die Erfahrung des Asset Managers in dem angebotenen Anlagesegment. Wer schon lange und vor allem erfolgreich in den Bereichen Private Equity, Infrastruktur oder Private Debt unterwegs ist, sollte dieses Können auch im Rahmen eines ELTIFs wiedergeben können.

procontra:

Gibt es ein ELTIF-Rating von Scope?

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Knorr:

Ja, Scope bewertet ELTIFs. Schon länger gibt es ein Rating für den klimaVest, den größten ELTIF, der für Privatanleger zugänglich ist. An Ratings für weitere ELTIFs arbeiten wir gerade.

procontra:

Welche Produkte sind in den vergangenen Monaten in den Vertrieb gekommen?

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Knorr:

Allein seit der Veröffentlichung unserer großen ELTIF-Studie Anfang Mai sind 16 neue ELTIFs auf den Markt gekommen. Dazu zählen unter anderem der Liqid Private Equity Nxt in Kooperation mit Neuberger Berman, der SEB Private Equity I, der PGIM Senior Debt II, der Moonfare Private Markets Portfolio I, der Infrastructure Opportunities Fund von UBS und der Allianz Global Infrastructure.