Kapitalverwaltung: Wer berät besser - KI oder der Mensch?
Long story short:
KI kann Analystenprognosen übertreffen
Mensch plus KI erzielen die besten Ergebnisse
KI in der Kapitalanlage ist kein Zaubermittel
Der Wettlauf um die beste künstliche Intelligenz (KI) in der Kapitalverwaltung ist längst in vollem Gange, auch wenn die Technologie noch in ihren Anfängen steckt. Zahlreiche Forschungsarbeiten beschäftigen sich damit, was KI in der Kapitalanlage leisten kann und wie sie sich zum größtmöglichen Nutzen für die Anwender einsetzen lässt. „Von Mensch versus Maschine zu Mensch und Maschine: Die Kunst und KI der Aktienanalyse“ ist der aus dem Englischen übersetzte Titel einer vielbeachteten Arbeit, in der die Autoren Prognosen von Aktienanalysten mit denen ihrer selbst entwickelten KI vergleichen und die Ergebnisse vorstellen. Die Forscher Sean Cao, Wei Jiang und andere betonen, dass ihr KI-Modell nach dem Prinzip des maschinellen Lernens eine untere Grenze des Stands der Technik darstellt.
KI-Prognosen gewinnen
Um die Analystenseite abzubilden, haben die Studienmacher, sehr vereinfacht ausgedrückt, Analystenprognosen zu Kurszielen von Aktien von mehreren tausend Unternehmen zum Jahresende aus den Jahren 1996 bis 2016 zusammengestellt. Ihr KI-System haben sie im Wesentlichen mit öffentlich zugänglichen Unternehmens- und Brancheninformationen und makroökonomischen Daten aus diesem Zeitraum bestückt. Informationen aus Analystenprognosen haben die Forscher im KI-Modell zunächst ausgeschlossen.
Im Ergebnis haben die KI-Prognosen 53,7 Prozent der Analystenprognosen übertroffen, waren also etwas treffsicherer. Ein monatlich ausbalanciertes Long-Short-Portfolio, das auf den Unterschieden in den Einschätzungen der Analysten und dem KI-Modell basiert, kann einen monatlichen Mehrwert von 0,84 Prozent bis 0,92 Prozent erwirtschaften.
Es geht nicht ohne Erfahrung
Die Analysten schneiden bei weniger liquiden und kleineren Unternehmen besser ab als die Maschine, ebenso bei Firmen mit vermögensarmen Geschäftsmodellen, die höhere immaterielle Vermögenswerte haben. „Das stimmt mit der Vorstellung überein, dass solche Unternehmen einer höheren Informationsasymmetrie unterliegen und zu ihrer Entschlüsselung bessere institutionelle Kenntnisse oder Branchenerfahrung benötigen“, meinen die Autoren. Analysten, die mit großen Brokerhäusern verbunden sind, haben ebenfalls eine höhere Chance, die Maschine zu schlagen. Zudem haben die Finanzleute die Oberhand, wenn sich eine Branche in einer Krise befindet. Bei der Verarbeitung von großen Mengen an Daten ist auch dieses KI-Modell deutlich im Vorteil.
Mensch plus Maschine liefern die besten Ergebnisse
Das sind nur einige der zahlreichen Ergebnisse. In einem weiteren Schritt haben die Studienmacher dem KI-Modell die Prognosen der Analysten hinzugefügt. „Das daraus resultierende Mensch-und-Maschine-Modell übertrifft 57,3 Prozent der von Analysten erstellten Prognosen und übertrifft das reine KI-Modell in allen Jahren“, erläutern die Forscher. Der „KI-Analyst“ verdränge also noch nicht den Menschen. „Vielmehr kann ein Anleger oder Analyst, der die Rechenleistung der KI mit der menschlichen Kunst des Verstehens weicher Informationen kombiniert, die beste Leistung erzielen“, lautet das Resümee.
Wie es in Zukunft aussehen wird
Wie sich KI in der Kapitalanlage auf mittlere und längere Sicht weiterentwickeln wird, ist völlig offen. Hendrik Leber, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Investmentgesellschaft Acatis und einer der prominentesten Anwender von KI in der Kapitalverwaltung betont, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. David Striegl, Leiter des Aktienmanagements bei der Vermögensverwaltung Kepler-Fonds rechnet im Zuge des Lernens, der Sammlung von Erfahrungen und des Begreifens, was KI tatsächlich leisten kann, mit einer Phase der Ernüchterung. Erst danach würden KI-Anwendungen nach und nach in verschiedene Bereiche des Investmentmanagements implementiert werden. Aus Striegls Sicht gilt daher: „Wer keine KI verwendet, wird zunehmend im Nachteil sein“.