Indexanbieter mit neuen Regeln

Kappungsgrenze im DAX soll Platz für Performance schaffen

Die wichtigsten Dax-Indizes bekommen eine neue Kappungsgrenze für Einzelwerte. Die Auswirkungen, auch auf Indexfonds, sorgen für Kontroversen.

13:01 Uhr | 29. Januar | 2024
Indexchart Kappungsgrenze

Im MDax wurde in diesem Zeitraum mit Airbus ein Unternehmen mehrfach gekappt, im SDax die frühere Deutsche Annington Immobilien, heute Vonovia.

| Quelle: Lemon_tm

Mitten in eine Phase anziehender Aktienmärkte kam die Meldung, dass der Indexanbieter Stoxx Ltd. die sogenannte Kappungsgrenze für die Unternehmen im Dax, MDax, SDax und TecDax von 10 Prozent auf 15 Prozent anhebt. Die Grenze gibt an, wie hoch der Anteil einzelner Unternehmen in den Indizes höchstens sein darf. „Die Kappungsgrenze von 15 Prozent gilt erstmals mit der Indexüberprüfung im März, die ab dem 18. März 2024 wirksam wird“, informiert die Gruppe Deutsche Börse, zu der Stoxx gehört.

Einmal im Quartal überprüft der Indexanbieter die Aktienkörbe. Überschreitet ein Wert den zulässigen Anteil, reduziert Stoxx das Gewicht entsprechend. Im Dax ist das in den vergangenen zehn Jahren mehrmals vorgekommen, bei Linde, SAP, Siemens und Bayer. 15 Prozent hat indes kein Unternehmen erreicht.

Im MDax wurde in diesem Zeitraum mit Airbus ein Unternehmen mehrfach gekappt, im SDax die frühere Deutsche Annington Immobilien, heute Vonovia. „Da wir es im MDAX mit 50 beziehungsweise bis 2021 mit 60 Unternehmen zu tun haben und im SDAX sogar mit 70, findet hier automatisch eine starke Diversifizierung statt, bei der es keine ausgemachten Schwergewichte gibt“, sagt Andreas von Brevern, Sprecher der Gruppe Deutsche Börse.

Eine Erhöhung der Obergrenze spiegelt in der Regel keine angemessene Risikoverteilung auf dem Markt wider.
Fondsverband BVI

Für den Zeitraum zwischen den quartalsweisen Prüfterminen lässt Stoxx für die Einzelwerte eine Gewichtung von bis zu 20 Prozent zu. Das soll Kursausschlägen bei außergewöhnlichen Ereignissen Raum geben, aber auch eine Konzentration auf einzelne Titel verhindern.

Unterschiedliche Folgen auf Produktebene

Mit der neuen Kappungsgrenze gleicht Stoxx die Dax-Familie laut Deutsche Börse an internationale Standards an. „Der CAC 40 in Frankreich oder der FTSE MIB in Italien zum Beispiel haben Kappungsgrenzen von 15 Prozent“, erläutert von Brevern. Beide Leitindizes umfassen wie der Dax jeweils 40 Titel. Breit gestreute Börsenbarometer wie der S&P 500 und der FTSE 100 haben keine Obergrenze.

Auf Produktebene hat die Neuregelung unterschiedliche Auswirkungen. Fonds, die nach dem EU-Standard Ucits reguliert sind und keinen Index abbilden, dürfen höchstens 10 Prozent des Anlagevolumens in einen Einzelwert investieren. Ein Ucits-Fonds, der einen „unter Wahrung einer angemessenen Risikomischung“ von der Bafin anerkannten Wertpapierindex nachbildet, kann dagegen laut Kapitalanlagegesetzbuch bis zu 20 Prozent des Vermögens in einen Einzeltitel anlegen.

Auf dem deutschen Markt sind alle Produkte, die einen der betreffenden Dax-Indizes abbilden, nach Ucits regulierte börsennotierte Indexfonds, kurz ETFs. Passive Indexfonds, die nicht börsennotiert sind, sind nicht vertreten.

„Die ETF-Anbieter werden zum Tag der Indexanpassung das Portfolio umbauen, damit sie ab dann die entsprechende Gewichtung im Portfolio haben – egal ob aus dem Inland oder Ausland, ob es ein physischer oder synthetischer ETF ist“, meint Markus Jordan, Geschäftsführer des Anbieters von Finanz- und Wirtschaftsinformationen Isarvest.

Linde soll sich nicht wiederholen

Sie müssen nicht mehr den Anteil von Unternehmen, die nach Kurszuwächsen bei der Indexüberprüfung das Gewicht von 10 Prozent überschritten haben, reduzieren, respektive Aktien verkaufen. Der Abverkauf von Aktien nach dieser Hürde war vor einem Jahr für Linde ein Grund, aus dem Dax auszusteigen und allein an der New Yorker Börse gelistet zu bleiben. Aus Sicht des Industriekonzerns hat dieses Rebalancing die Entwicklung des Aktienkurses beeinträchtigt.

Befürworter der neuen Regelung wie das Deutsche Aktieninstitut argumentieren, dass ohne mehr Spielraum für Kursgewinne weitere Unternehmen den Dax verlassen und sich andernorts listen könnten. „Eine Erhöhung der Obergrenze spiegelt in der Regel keine angemessene Risikoverteilung auf dem Markt wider“, kritisiert dagegen der Fondsverband BVI. Die Fondsgesellschaft Union Investment sieht sehr ähnlich beim Dax einen Rückschritt bei der Risikostreuung nach der Erweiterung auf 40 Werte.

Beide weisen kritisch auf die Vorgaben für aktiv gemanagte Fonds hin, die Indexwerten mit mehr als 10 Prozent Anteil nicht entsprechend folgen können. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger schlägt vor, einen europäischen Index aus mehreren hundert Titeln zu gründen, der die großen Unternehmen enthält. Eine Diskussion um Kappungsgrenze und Delisting würde sich dann erübrigen.

Ist eine Kappungsgrenze sinnvoll?

  • Dominanz einzelner Titel wird verhindert

  • Gleichmäßige Streuung reduziert Risiko

  • Kleinere Werte bleiben verhältnismäßig liquide

  • Breite Indizes haben geringes Klumpenrisiko

  • Kapitalmarkt wird nicht getreu abgebildet

  • Starke Kurszuwächse werden „bestraft“