Nach dem FTX-Skandal: Welche Zukunft haben Krypto-Währungen?
Es ist schon erstaunlich: Obwohl Kryptowährungen keinen intrinsischen Wert besitzen, haben sie sich am Kapitalmarkt durchgesetzt. Selbst der Skandal um die Kryptobörse FTX – bei der Kundeneinlagen veruntreut wurden – hat ihren Aufstieg nicht gebremst. Zwar verlor der bekannteste Krypto, der Bitcoin, kurz nach der FTX-Pleite Anfang November rund 25 Prozent seines Werts. Doch entgegen der Erwartung von Skeptikern berappelte er sich seitdem. Ende Januar notierte er bei 21.000 Euro und damit in etwa auf dem Niveau vor der FTX-Pleite. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sein Höchststand von etwa 56.000 Euro nur knapp ein Jahr zurückliegt und er damit gut zwei Drittel an Wert verloren hat. Die FTX-Pleite scheint den Abwärtstrend aber zunächst nicht weiter verstärkt zu haben.
Die Hoffnung auf schnelle Gewinne hat inzwischen über 200 Millionen Anleger erfasst, die ihr Geld in Kryptos gesteckt haben, darunter acht Millionen in Deutschland. Hierzulande gibt es auch mehrere Möglichkeiten, Kryptos zu erwerben, entweder direkt an der Stuttgarter Börse oder indirekt durch den Erwerb von Anteilen an einem Kryptofonds, einem Krypto-ETF oder einer Krypto-Aktie. Ende Januar wiesen Kryptos eine Marktkapitalisierung von 896 Milliarden Euro auf. Etwa die Hälfte dieses Börsenwerts entfällt auf Bitcoin. Auf Platz zwei stehen die Ethereum-Tokens mit einem Anteil von 22 Prozent.
Ihr Erfolg ist noch erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die Kryptos als eine Art Revolte gestartet sind. Empört über die von Banken verursachte Finanzkrise schuf ein anonymer Programmierer unter dem Alias Satoshi Nakamoto 2009 seine eigene Finanzwelt. Der Bitcoin war geboren.
Zocken oder Absichern
Aber auch 14 Jahre später haben sich Bitcoin und Co. nicht als Alternative zum US-Dollar oder Euro etabliert. Auch hat die Bankenregulierung seit 2009 das globale Finanzsystem erheblich robuster gemacht. Gleichwohl sind Kryptowährungen ein festes Instrument mit grundsätzlich zwei Hauptfunktionen: Entweder werden sie als Spekulationsinstrument genutzt, oder, wie der Kryptoexperte Philipp Sandner meint, dienen sie der Absicherung des Vermögens. Den Absicherungseffekt erklärt Professor Sandner so: „Die Anzahl von Bitcoins ist begrenzt. Sie sind damit ein Gegenentwurf zu anderen Möglichkeiten wie dem US-Dollar oder Euro, bei denen immer mehr Geld von der Zentralbank erzeugt werden kann.“
Da die Zentralbanken durch ihre Aktivitäten die Inflation schüren können, hoffen einige, dass die Knappheit von Bitcoins dafür sorgt, deren Preise stabil zu halten und damit ihr Vermögen zu schützen. Bitcoins seien für diese Anleger wie „digitales Gold“, sagt Sandner. Aber: Da Bitcoin & Co. höchst volatil sind, verweisen Sandner und andere Experten darauf, dass die Anleger nur einen kleineren Teil ihres Vermögens in sie investieren sollten.
Ihre Volatilität ist auch der Grund, warum der Schutzeffekt von Kryptos bezweifelt werden kann. Ein aktuelles Beispiel: Während der Bitcoin bei über 50.000 Euro pro Token im März und November 2021 notierte, bevor er auf knapp 15.000 im November 2022 stürzte, fiel der Goldpreis nie unter 1.400 Euro pro Unze und notiert derzeit bei fast 1.800 Euro. Seit 2021 – als die Inflation begann stärker anzuziehen – hat Gold als Absicherung allemal gedient, der Bitcoin nicht wirklich. Selbst einen weiteren Vorteil, nämlich eine negative Korrelation zu den Aktienmärkten, hat der Bitcoin 2022 nicht gezeigt. Im Gegenteil: Er ist stärker gefallen als die Aktienmärkte.
Instrument für junge Klientel?!
Professor Andreas Walter von der Justus-Liebig-Universität Gießen ist daher äußerst skeptisch, ob sich die Kryptos für etwas anderes als reine Spekulation eignen. „Bitcoin & Co. zahlen keine Dividenden oder Zinsen und sind extrem volatil“, sagt er und ergänzt: „Wir haben auch gesehen, dass sie auch als Hedging-Instrumente nichts taugen. Daher denke ich, dass die Leute, die Kryptos kaufen, eine Art 10x-Strategie verfolgen. Das heißt, sie hoffen, dass sie innerhalb eines kurzen Zeitraums ihr Geld um das Zehnfache vermehren können.“ Der Finanzprofessor räumt aber auch ein, dass man nach dem Kollaps der FTX-Börse eine Art Bodenbildung für Bitcoin & Co. feststelle. Falls dieser Boden bestehen bleibe, könne man verstehen, warum Anleger Kryptos als Absicherung nutzen wollten, so der Finanzexperte.
Moritz Schildt, Co-Gründer des Unternehmens CoinIX, das sowohl in Kryptowährungen als auch in Blockchain-Firmen investiert, nennt einen weiteren Grund für die Nachfrage nach Bitcoin & Co.: Die sehr bequeme Handhabung. Das sei besonders wichtig für jüngere und digital affine Menschen. „Das Charmante an Kryptowährungen ist doch, dass man keine Bank und keinen Berater braucht, um zu investieren. Stattdessen braucht man nur ein Smartphone“, sagt Schildt. „Der jungen Generation zu erklären, dass sie zum Investieren ein Depot bei der Bank aufmachen müsste, ist für sie unvorstellbar. Der digitale Vorteil von Kryptos ist nicht zu unterschätzen.“ Wie Sandner verweist Schildt ausdrücklich auf die hohe Volatilität von Kryptos und hält daher ein Exposure von maximal 7 Prozent des Vermögens für vernünftig.
Ob Kryptos nur fürs Zocken taugen oder durch einen möglichen Absicherungseffekt, hängt davon ab, ob der Boden gefunden wird. Dafür gibt es wahrlich keine Garantie, und die Historie von Kryptos unterstreicht ihre hohe Volatilität. Die Investmentbranche bleibt gespannt, ob die Kryptos ein reines Spekulationsinstrument bleiben oder eine echte Alternative zu herkömmlichen Investments wie Fonds oder Versicherungen.