pro&contra

Sollten Waffen-Investments als nachhaltig eingestuft werden?

Können Panzerhaubitzen, Kampfflugzeuge oder Munition als nachhaltig betrachtet werden? Versicherungsmakler Klaus Hermann spricht sich klar dagegen aus - jede Waffe ist schließlich auch ein potenzielles Mordinstrument. procontra-Redakteur Martin Thaler hat da eine etwas andere Sichtweise.

22:08 Uhr | 29. August | 2024
Martin Thaler und Klaus Hermann

Können Investments in Panzer, Raketen oder Gewehre nachhaltig sein? Bei procontra-Redakteur Martin Thaler (links) und Makler Klaus Hermann gehen die Meinungen dabei auseinander.

| Quelle: procontra/ Klaus Hermann

Seit zweieinhalb Jahren tobt in der Ukraine ein Krieg - der erste Krieg zwischen zwei Staaten auf europäischem Boden seit langer Zeit. Der Konflikt hat auch das Sicherheitsempfinden hierzulande beeinflusst - die "Zeitenwende" lässt grüßen. Doch sollte die russische Aggression auch zu einer Neubewertung von Rüstungsunternehmen führen? Darüber lässt sich trefflich streiten.

pro: „Ein Denken im Schwarz-Weiß-Schema verbietet sich“

Martin Thaler, Redakteur procontra

Investments in Waffenhersteller sollen nachhaltig sein? Ein Blick auf den brutalen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zeichnet ein anderes Bild: Tag für Tag sterben nur 2.000 Kilometer von Berlin entfernt Hunderte Menschen, Familien werden zerrissen, aus einst quirligen Städten werden auf Jahrzehnte unbewohnbare Trümmer-Wüsten. Hinzu kommt der Schaden an der Umwelt: Allein die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im vergangenen Jahr gilt ökologisch als fatal. Hinzu kommen weitläufig kontaminierte Böden, zerstörte Wälder oder Ölverschmutzungen im Schwarzen Meer. 

Und dennoch zeigt der Ukraine-Konflikt gleichzeitig, dass – leider – Waffen zur Wahrung des Friedens notwendig sind. Vom russischen Herrscher Wladimir Putin ist das Zitat überliefert: „Warum soll ich verhandeln, wenn der Ukraine die Munition ausgeht?“ Es liefert einen Einblick in sein Werte- und Überzeugungssystem: Nur die Stärke des Gegners ist ein Argument für die Einschränkung der eigenen Macht.

Schon die alten Lateiner wussten: Si vis pacem para bellum – willst Du Frieden, bereite Dich auf den Krieg vor. Einseitige Abrüstung führt nicht immer zum Frieden – sie kann das Gegenteil bewirken. 

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine zeigt Europa, wie fragil der Frieden der vergangenen Jahrzehnte ist. Ihn zu bewahren, sollte die maßgebliche Aufgabe der kommenden Jahre sein. Denn der Frieden ist die Grundvoraussetzung für alle gesellschaftlichen und ökologischen Ziele. Wem nützt das effizienteste Windrad, wenn ihm morgen von einer Gleitbombe die Flügel gestutzt werden?

Erste Banken, wie die schwedische SEB, haben ihre Richtlinien in dieser Hinsicht gelockert und erlauben auch Investments in Rüstungsunternehmen. Das reicht nicht. Wir brauchen eine breite öffentliche Debatte. Ist Rüstung nachhaltig oder nicht? Das kommt stets auf die Situation an, ein Denken im Schwarz-Weiß-Schema verbietet sich.  

Nein, Rüstungs-Investitionen sollten nicht per se als nachhaltig deklariert werden. Dafür ist das Thema zu vielschichtig: Sollte der Nachhaltigkeitsaspekt beispielsweise nur für Defensiv- oder auch für Offensivwaffen gelten? Wie geht man mit dem Export von Waffen um? Ein Leopard-Panzer mag aus Sicht vieler in den Händen der Bundeswehr oder anderer Nato-Partner womöglich nachhaltig sein, doch was ist, wenn der Panzer  in ein diktatorisches  Land exportiert wird? 

Frieden und Sicherheit sind für uns relevante gesellschaftliche Werte. Wir kommen um eine Diskussion nicht herum. Wer sie aus ideologischen Gründen ablehnt, nach dem Motto: Alle Waffen sind schlecht, ignoriert die Realität . Und das wäre nun wirklich nicht nachhaltig.

Contra: „Jede Waffe, die auf dieser Welt produziert wird, ist ein potenzielles Mordinstrument“

Klaus Hermann, Versicherungsmakler (KH Versicherungen GmbH)

Ist es zeitgemäß, dass die Investition der Versicherer in Rüstung als nicht nachhaltig eingestuft wird? Das Argument für Rüstungsinvestitionen ist hier vor allem die Sicherung des Friedens.

Ja, es ist zeitgemäß.

Jede Waffe, die auf dieser Welt produziert wird, ist ein potenzielles Mordinstrument. Auch, wenn wir gerade durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu einer Verteidigung unser Werte, Territorien und der Art, wie wir zusammenleben möchten, gezwungen werden, bleibt es dabei. Das Ziel muss sein, auf diesem Planeten so wenige Waffen wie irgend möglich zu produzieren.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Da, wo Waffen im Umlauf sind, werden sie auch benutzt. Beispiel USA. Während sich die Amis verwundert die Augen reiben, dass man in Deutschland ab 16 einen Sechserträger Dosenbier an der Tanke kaufen und auf der Straße trinken darf, halten sie es gleichzeitig für völlig normal, bei einem Besuch des Baumarktes in Texas beim Kauf einer Packung Nägel im Affekt noch schnell eine halbautomatische M16 auf den Tresen zu legen. Diese hängt man sich dann geladen bei der nächsten Demo gegen die angebliche Wahlmanipulation von 2020 in der Ausübung angelsächsischer Grundrechte über die Schulter.

In den Vereinigten Staaten von Amerika sterben im Jahr annähernd 20.000 Menschen durch den Gebrauch von Schusswaffen. Zum Vergleich. In Deutschland sind es 100 bis 200.

Wenn wir nun, unter dem Deckmantel der Friedenssicherung, die Waffenproduktion durch legitimierte Werbung bei Borussia Dortmund und als Beimischung im Deckungsstock der Lebensversicherer als Selbstverständnis in unserer Gesellschaft etablieren, kommt das einer Kapitulation der Vernunft gleich. Auch, wenn Waffen aller Art durch die Konflikte in der Ukraine und in Gaza nun massenhaft hergestellt werden, dürfen wir eines nicht vergessen. Die Menge an Waffen, werden älter, irgendwann ausgemustert und an Länder und in Gegenden verkauft, die diese gerne übernehmen. Auch diese dramatischen Konsequenzen können wir durch millionenfaches Leid gerade im Sudan, im Kongo oder Myanmar erleben, vorausgesetzt, wir machen uns die Mühe, überhaupt dorthin zu schauen.

Eine Branche wie die Versicherungsindustrie hat gerade jetzt die Verantwortung, als Wirtschaftszweig, der sich im Ursprung aus der Motivation gegründet hat, das Leid der Menschen zu lindern und den Solidargedanken zu leben, einer fatalen Spirale Einhalt zu gebieten und Signale zu setzen.

Wir müssen klar aufzeigen, dass die blutige Rendite, die mit der Produktion von Waffen verbunden ist, unabhängig von der Notwendigkeit der Verteidigung souveräner Staaten, nicht mit den ethischen Grundsätzen der modernen Versicherungsbranche und dem, was sich die Assekuranz auf ihre ESG Fahnen geschrieben ist, vereinbar ist.

Es gibt wundervolle, sinnstiftende und nachhaltige Investitionen in die bessere Zukunft einer derzeit auf vielen Ebenen strapazierten Welt und Menschheit. Möge wir uns als Branche darauf konzentrieren. Unsere Kinder und die Vorstände, die zukünftig die Entscheidung der Vergangenheit begründen müssen, werden es uns danken.

Können Waffen-Investments nachhaltig sein?