Todeskreuz-Alarm: Warum das Börsen-Omen oft harmloser ist als gedacht
Kurz nach den Osterfeiertagen häuften sich in den Medien Berichte über ein sogenanntes „Todeskreuz“. Von einem schlechten Omen war hier zu lesen, von einem Phänomen, das an der Börse für Angst sorge. Es handelt sich bei dem „Todes-Kreuz“ also nicht um die Hinrichtungs-Stätte von Jesus Christus, sondern vielmehr um ein Börsen-Phänomen.
Zur Erklärung: Wenn der kurzfristige Durchschnittskurs einer Aktie oder eines Index (in der Regel die vergangenen 50 Handelstage) unter den langfristigen Durchschnittskurs (in der Regel der vergangenen 200 Handelstage) fällt, ergibt sich ein Chartbild, in dem sich mit etwas gutem Willen ein Kreuz entdecken lässt. Da die Börse zuletzt also schlechter performte als über längere Zeit, gehen bei Analysten die Warnleuchten an. Sie sehen im „Todeskreuz“ eine Warnung dafür, dass die Aktienkurse weiter nachgeben könnten. Analysten stellten ein solches charttechnisches Bild zuletzt bei US-Aktien fest, beim S&P 500, beim NASDAQ 100, bei Einzelwerten wie Apple oder NVIDIA, aber auch beim MSCI World fest.
Ein berühmtes Beispiel, dass diese düstere Prognose nach der Beobachtung eines „Todeskreuzes“ eintrat, war das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Damals rauschte der Kurs des S&P 500 danach um weitere 40 Prozent nach unten und erreichte sein Tief erst zwei Jahre später, schreibt die „Wirtschaftswoche“ in einem aktuellen Artikel.
Grund zur Sorge?
Doch wird das „Todeskreuz“ seinem Namen wirklich gerecht? Besteht für Anleger nun Grund zur Sorge? Davon ist Thomas Lehr, Kapitalmarktstratege bei Flossbach von Storch, nicht überzeugt. Lehr hat nachgerechnet und sich dafür den S&P 500 genau angeschaut.
Blickt man bis in 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück, findet man insgesamt 25 „Todeskreuze“. „Tatsächlich entwickelte sich der Index über den jeweils folgenden Monat im Schnitt zwei Prozent schlechter", schreibt Lehr in einem aktuellen Marktkkommentar. Jedoch sei bereits nach drei bis sechs Monaten kein längerfristiger Unterschied mehr zu entdecken. Bei anderen Indizes falle die Statistik sogar noch besser aus. Nach „Todeskreuzen“ im NASDAQ Composite oder NASDAQ 100 lag die Wertentwicklung im darauffolgenden Jahr deutlich über dem langjährigen Mittel.
Dass das „Todeskreuz“ bei fast jedem größeren Kurseinbruch zu beobachten ist, hält Lehr nicht für ungewöhnlich. Bei einem scharfen Kurseinbruch sei es normal, dass der Durchschnittskurs der kürzeren Periode unter den der längeren Periode rutscht. „Allerdings nicht als Vorbote, sondern als mathematisch unvermeidliche Folge des Rückgangs“, schreibt Lehr. Nicht das Signal, spricht das Kreuz, löse den Absturz aus – vielmehr verursache der Absturz das Signal.
In vielen Fällen sei in der Vergangenheit der Kursrutsch beim Auftauchen des „Todeskreuzes“ bereits wieder beendet gewesen. Ob das im jetzigen Fall auch so sein wird, bleibt abzuwarten. Entscheidend dafür dürfte in erster Linie die Antwort auf die Frage sein, welchen Kurs US-Präsident Donald Trump bei seiner Zollpolitik verfolgen wird. Zuletzt waren aus Washington hierzu versöhnlichere Töne zu vernehmen gewesen, was zu einer Erholung an den Börsen führte.
Wer langfristig investiert ist, dem dürfte die Panik über das schlechte Börsen-Omen sowieso befremdlich vorgekommen sein. Denn wer langfristig investiert ist, kann Kurs-Aussetzer in der Regel locker aussitzen.