Falsches PKV-Tarifwechselangebot: Axa-Kunde fühlt sich von René Jäger AG abgezockt
„Grundsätzlich hätte ich nichts dagegen gehabt, meinen Vertrag von einem Profi optimieren zu lassen. Dafür hätte ich dann auch gerne ein Honorar bezahlt“, sagt Marvin Scheerbaum (Name von der Redaktion geändert) im Gespräch mit procontra. Auf die Erfahrungen der letzten Monate hätte er dann aber lieber verzichtet. 1.400 Euro habe der Axa-Kunde für einen PKV-Tarifwechsel vorab an die René Jäger AG überwiesen, dafür aber nie etwas bekommen.
Rückblick: Im August 2023 melden sich angeblich selbstständige PKV-Tarifwechselberater bei Scheerbaum. Sie nutzen E-Mail-Adressen mit der Domain „ihr-beitragsoptimierer.de“ und empfehlen ihm die René Jäger AG aus München als spezialisierten Makler für Tarifwechselverhandlungen mit seinem privaten Krankenversicherer. Erst durch die exklusiven procontra-Berichte ab November 2023 wurde bekannt, dass es sich dabei um die Masche von Mehmet Göker handelt.
„Ich hatte mich einige Zeit zuvor im Internet über widerrechtliche PKV-Beitragserhöhungen informiert. Dann haben sich diese Leute mit dem Argument deutlicher Beitragsreduzierung auf Basis meiner bisherigen Leistungen bei mir gemeldet“, berichtet Scheerbaum. Noch im August unterschreibt er das Auftragsmandat für die René Jäger AG (liegt der procontra-Redaktion vor), danach passiert mehrere Monate nichts.
Skonto bei Sofortzahlung
Im Dezember dann erhält er ein Angebot von der Münchener Maklerfirma (siehe unten). Er soll von seinem Haupttarif „Vital 300-N“ mit 300 Euro jährlicher Selbstbeteiligung (Monatsbeitrag: 670,20 Euro) in einen noch nicht benannten anderen Tarif mit nahezu identischen Leistungen und 900 Euro Selbstbeteiligung wechseln (Monatsbeitrag: 499,09 Euro). Die monatliche Ersparnis würde dann 171,11 Euro betragen und das Honorar für die René Jäger AG somit 2.053,32 Euro. Dieses wird ihm auch direkt in Rechnung gestellt. Sämtlicher Schriftverkehr dazu liegt der procontra-Redaktion ebenfalls vor. Wenn Scheerbaum innerhalb von drei Tagen bezahlt, heißt es im Rechnungsschreiben, würde er sogar zehn Prozent Skonto erhalten, also nur 1.847,99 Euro bezahlen müssen.
Doch der Privatversicherte zögert. Er mailt seiner Ansprechpartnerin bei der René Jäger AG, dass die Beitragsersparnis vor allem durch die um 600 Euro erhöhte Selbstbeteiligung zustande kommt – einer der Hauptfaktoren beim Göker-Konzept – und er diese vom Honorar abgezogen haben möchte. Innerhalb weniger Tage habe ihm die René Jäger AG diesen Abzug und die Neufestlegung des Honorars auf genau 1.400 Euro bestätigt. „Daraufhin habe ich den Betrag überwiesen“, sagt Scheerbaum und legt procontra einen Überweisungsbeleg aus seinem Online-Banking vom 3. Januar 2024 an das BNP-Paribas-Konto vor, welches die René Jäger AG in ihrer Rechnung an ihn ausweist.
In den folgenden Wochen soll Scheerbaum ein Axa-Formular auf Tarifwechsel ausfüllen und unterschreiben. Darin soll er auch per Unterschrift bestätigen, dass er die Produktinformationsblätter, Vertragsinformationen und Versicherungsbedingungen für die beantragten Tarife erhalten hat. „Diese Dokumente habe ich aber nie erhalten“, sagt uns der Axa-Kunde. Er fordert diese im März zunächst per E-Mail bei den ihm bekannten Kontakten der René Jäger AG ein und setzt eine Frist für die Erfüllung, aber nichts passiert. Zudem sei für ihn dort niemand mehr erreichbar gewesen, auch nicht telefonisch. „In der Woche nach Ostern sagte mir dann eine Mitarbeiterin der René Jäger AG am Telefon, dass der Tarif, in den ich wechseln sollte, nicht mehr bereitgestellt werden kann, sich das Ganze somit erledigt hat und ich binnen 14 Tagen mein Geld zurückerhalten soll. Das ist aber bis heute nicht passiert“, beschwert sich Scheerbaum. In den folgenden Monaten versucht er, die René Jäger AG per E-Mail, Fax und Telefon zu erreichen – Fehlanzeige. Auch seine Mitteilungen, er habe den Vorgang seinem Anwalt übergeben und Beschwerden unter anderem bei Ombudsmann und IHK eingereicht, erzeugen keine Reaktion.
Fantasie-Beitrag angeboten
„Wir bedauern sehr, dass Herr Scheerbaum hier offenbar durch die René Jäger AG fehlerhaft beraten wurde“, sagt man bei der Axa auf procontra-Nachfrage. Bei dem Tarif, in den der Kunde wechseln sollte, handelt es sich um den „Vital 900-N“. Dieser sei weiterhin verfügbar, weshalb ein Wechsel des Kunden jederzeit möglich gewesen wäre.
Nach dem Eingang der Auftragsvollmacht bei der Axa im August habe die René Jäger AG Anfang Dezember aktuelle Beitragsinformationen zu verschiedenen Tarifen bei dem Versicherer angefragt, unter anderem zum „Vital 900-N“. Nachdem procontra der Axa die Angebote der René Jäger AG an Scheerbaum vorgelegt hat, erklärt der Versicherer, dass die darin aufgeführten, stark verkürzt dargestellten Leistungen zwar im Wesentlichen den Leistungen des Tarifs entsprechen, merkt aber an: „Allerdings ist der genannte Monatsbeitrag im Angebot der René Jäger AG zu niedrig. Korrekt wäre ein Monatsbeitrag von 588,40 Euro gewesen.“
Das heißt, obwohl die René Jäger AG direkt zuvor aktuelle Beitragsinformationen bei der Axa eingeholt hat, hat sie im Angebot an ihren Kunden einen um 89,31 Euro zu niedrigen Beitrag ausgewiesen. Diese fälschlich erzeugte höhere Ersparnis lässt den PKV-Tarifwechsel für den Kunden nicht nur attraktiver erscheinen, sondern erhöht auch das Honorar, dass er an die René Jäger AG bezahlen muss. Dieses Vorgehen ähnelt sehr dem Fall einer Allianz-Kundin, über den procontra im März berichtet hat. Auch ihr hatte die René Jäger AG einen deutlich niedrigeren Beitrag angeboten, als er letztendlich von der Allianz darstellbar war.
Strafanzeige wegen Betruges
Ende Dezember habe die Axa dann über den Münchener Makler einen von Scheerbaum unterzeichneten Tarifwechselwunsch in den „Vital 900-N“ erhalten. „Daraufhin haben wir um weitere Informationen gebeten, um dem Tarifwechselwunsch entsprechen zu können. Seitdem haben wir keinerlei Rückmeldung mehr erhalten. Der Tarifwechsel hat dementsprechend nie stattgefunden“, erklärt ein Axa-Sprecher auf procontra-Nachfrage. Gerne wolle man den Kunden nach diesem negativen Erlebnis transparent zu seinen Möglichkeiten und den jeweiligen Vor- und Nachteilen beraten, sofern er noch an einem Tarifwechsel interessiert sei.
Zudem ist es dem Versicherer wichtig mitzuteilen, dass er seinen Kunden im Falle eines Tarifwechselwunsches unmittelbar vor dem anstehenden Wechsel grundsätzlich ein finales Angebot mit den vollständigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen zum gewünschten Tarif zusende, sodass der Monatsbeitrag und die Leistungen des Tarifs vor dem Wechsel noch einmal vollständig und transparent dargestellt würden.
Von der René Jäger AG wollte procontra wissen, warum sie die von Scheerbaum geforderten Dokumente nie zugesandt hat, warum sie für ihn nicht mehr erreichbar war, ob sie den Beitrag im Angebot absichtlich gefälscht hat und ob sie ihm mittlerweile sein vorab bezahltes Honorar zurückerstattet hat. Auf unsere Anfragen haben wir von dem Münchener Maklerunternehmen jedoch keinerlei Rückmeldung erhalten.
Scheerbaum selbst will nun Strafanzeige wegen Betruges gegen die René Jäger AG erstatten. Darüber hinaus berät er sich mit seinem Anwalt über weitere rechtliche Schritte gegen die Beteiligten.