Finanztip-Umfrage schürt Zweifel an Leistungsbereitschaft der PKV
Die private Krankenversicherung sieht sich derzeit einer Welle der Kritik ausgesetzt. Nach einer kritischen Untersuchung durch die Stiftung Warentest, die von Maklerseite deutliche Kritik erfuhr, und jüngsten Berichten im „Spiegel“ und im ZDF-Magazin „Frontal 21“ hat nun der Geldratgeber Finanztip eine Umfrage vorgelegt, die nicht sonderlich schmeichelhaft für die private Krankenversicherung ausfällt.
Laut einer Umfrage unter 3.337 Privatversicherten im März dieses Jahres erklärte rund ein Drittel (34 Prozent), dass ihnen Leistungen nur teilweise erstattet worden seien. Acht Prozent erklärten gar, dass ihre Leistungsanträge vollständig abgelehnt worden seien.
Leistung wichtigstes Kriterium für PKV-Wechsel
Das klingt verheerend, vor allem da laut Finanztip-Umfrage das Kriterium „Leistung“ der wichtigste Grund für die Befragten war, in die PKV zu wechseln. 32 Prozent der Befragten nannten „Leistung“ als wichtigsten Grund, in die PKV zu wechseln. Er war damit wichtiger als der „Preis“ (25 Prozent), eine „bessere Behandlung als in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)“ (22 Prozent) oder eine „schnellere Terminfindung als in der GKV” (drei Prozent).
Die Versicherer sind verpflichtet, medizinisch notwendige Behandlungen entsprechend den Tarifbedingungen zu erstatten. Dennoch lehnen viele Versicherer eine Zahlung ab, schreibt Finanztipp: Die Gründe: die Behandlung sei nicht medizinisch notwendig, zu teuer oder die Abrechnung fehlerhaft.
Nicht erwähnt wird an dieser Stelle, dass Versicherer Anträge jedoch auch zu Recht ablehnen können. So berichtet der PKV-Ombudsmann in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht beispielsweise davon, dass ihn zuletzt vermehrt Anträge mit der Frage zur Erstattungsfähigkeit von Abnehmpräparaten wie Wegovy oder Ozempic erreichten. Während Ozempic auch zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ2 zugelassen ist, ist Wegovy ein reines Abnehmpräparat – eine Erstattung durch die Krankenversicherer findet hier in der Regel nicht statt.
Ein Viertel würden sich heute anders entscheiden
Das kann zu Enttäuschungen führen. Rund ein Viertel (27 Prozent) der Befragten gab gegenüber Finanztip an, sich nicht erneut für die private Krankenversicherung zu entscheiden.
Das Geldratgeberportal rät Betroffenen, deren Leistungsantrag vom Krankenversicherer abgelehnt wurde, das Ablehnungsschreiben sofort an den behandelnden Arzt weiterzuleiten. „PKV-Versicherte sollten ihren Arzt unbedingt um eine Begründung für die strittige Behandlung bitten und diese dann wiederum dem Versicherer zukommen lassen“, rät Finanztip-Chefredakteur Josef Tenhagen. In schwierigen Fällen könnten sich Betroffene zudem an den PKV-Ombudsmann wenden.
Diesen hatten im vergangenen Jahr insgesamt 6.891 Anträge erreicht. Das waren deutlich mehr als noch im Vorjahr (5.415). Der PKV-Verband weist allerdings darauf hin, dass im vergangenen Jahr insgesamt 70 Millionen Rechnungen bei den privaten Krankenversicherern eingereicht wurden. Entsprechend gebe es nur in 0,0017 Prozent der Fälle eine Eingabe beim PKV-Ombudsmann.
5 Prozent haben gegen Versicherer geklagt
Die Finanztip-Umfrage zeichnet indes ein anderes Bild. Ihr zufolge haben über 5 Prozent der Befragten bereits einen Prozess gegen ihren Krankenversicherer geführt. Finanztip-Chefredakteur Tenhagen rät entsprechend PKV-Versicherten zum Abschluss einer Rechtschutzversicherung, um die hohe Gerichts- und Gutachterkosten im Streitfall decken zu können.
Darüber hinaus rät Tenhagen zur Sorgfalt bei der Auswahl des passenden Tarifs: „PKV-Versicherte sollten sich Zeit nehmen, vor Abschluss das Leistungsspektrum der angebotenen Tarife penibel zu vergleichen und vor allem das Kleingedruckte in den Verträgen zu lesen. Bei knapp 2.000 unterschiedlichen Leistungsmerkmalen in der PKV kann man viele Fehler machen, die einen dann das ganze Leben begleiten.“
Vorwürfe von Spiegel und Frontal 21
In der vergangenen Woche waren zuerst der „Spiegel“ und schließlich „Frontal 21“ hart mit der privaten Krankenversicherung ins Gericht gegangen. Der Vorwurf: Die Versicherer verweigern Leistungen oder zögern diese systematisch heraus, um die Versicherungsnehmer mürbe zu machen. Während die Redakteure in den hier geschilderten Fällen systematische Missstände erkennen, spricht der PKV-Verband von „Einzelfällen“ und verweist auf die gestiegenen Leistungsangaben der Versicherer. Diese seien in den vergangenen drei Jahren um fast 20 Prozent gestiegen – der Vorwurf, dass die Versicherer Leistungen kürzen würden, treffe entsprechend nicht zu. Entsprechende Informationen habe man den Medien auch zur Verfügung gestellt, allerdings seien diese in den Berichten unter den Tisch gefallen, schießt der Verband zurück.
Zumindest aus dem politischen Berlin gab es in dieser Woche eine gute Nachricht aus Sicht der Krankenversicherer. Die alle vier Jahre neu aufkommende Diskussion über die Schaffung einer Bürgerversicherung, war in den Koalitionsverhandlungen kein Thema. In den vorliegenden Ergebnispapieren der zuständigen Arbeitsgruppe 6 „Gesundheit und Pflege“ findet sich kein Hinweis auf entsprechende Forderungen.