Bei diesen Lebensversicherern sanken die Bruttobeitragseinnahmen 2022 am stärksten
Die Lebensversicherer haben die einsetzende Zinswende deutlich zu spüren bekommen. Während die Unternehmen auf der Kapitalanlageseite neue Möglichkeiten haben und Staats- und Unternehmensanleihen zu deutlich attraktiveren Konditionen kaufen können, zeigen sich die negativen Folgen des Zinsanstiegs in Form sinkender Beitragseinnahmen.
So gingen die gebuchten Bruttobeiträge 2022 in der Lebensversicherung branchenweit um sieben Prozent zurück. Verantwortlich hierfür ist in erster Linie das Geschäft gegen Einmalbeitrag, das im vergangenen Jahr um 20,8 Prozent zurückging.
Unternehmen unterschiedlich stark betroffen
Die einzelnen Unternehmen waren hierdurch in unterschiedlichem Maße betroffen. Während einige Versicherer auch 2022 ihre Prämieneinnahmen steigern konnten – „Spitzenreiter“ waren hier Ergo Vorsorge (+16,18 Prozent), die Bayerische (+ 14,58 Prozent) und die Continentale (+9,58 Prozent), gingen bei anderen Lebensversicherern die gebuchten Bruttoprämien stark zurück. Schlusslicht war hier die Hanse Merkur mit einem Minus von -70,88 Prozent.
Bei diesen Lebensversicherern sanken die Beitragseinnahmen am stärksten
Grund ist hier ein deutlicher Rückgang beim Geschäft gegen Einmalbeitrag. Erzielten die Hamburger hiermit 2021 im Neugeschäft noch Prämieneinnahmen von über einer Milliarde Euro, sank dieser Betrag 2022 auf rund 200 Millionen Euro. Hierbei handele es sich um eine „planmäßige Reduzierung“, teilte die Hanse Merkur auf procontra-Anfrage mit.
2023 dürfte aus Sicht vieler Versicherer nicht besser verlaufen. Die Ratingagentur Assekurata, die an diesem Dienstag ihren Marktausblick für die Lebensversicherung vorstellte, geht davon aus, dass die Bruttobeitragseinnahmen in diesem Jahr um gut drei Prozent auf 89,5 Milliarden Euro sinken. Damit zeigt sich Assekurata optimistischer als der Versichererverband GDV, der von einem Beitragsrückgang von 5,5 Prozent ausgeht.
Insgesamt fallen die Geschäftserwartungen der Versicherer jedoch mau aus. Aktuell erwarten 35 Prozent der befragten Unternehmen eine Verschlechterung der derzeitigen Situation, 65 Prozent gehen zumindest von einer gleichbleibenden Geschäftslage aus.
Branche setzt auf Fondspolicen
Weiterhin stellt die unsichere konjunkturelle Situation für die Versicherer eine schwere Bürde dar. Auch die Sparquote ist nach den Rekordjahren 2020 (16,4 Prozent) und 2021 (15,1 Prozent) deutlich zurückgegangen und liegt derzeit nur noch bei 11,4 Prozent. Hinzu kommt aufgrund der hohen Inflation eine negative Realverzinsung der meisten Versicherungsprodukte sowie eine verstärkte Konkurrenz seitens der Banken.
Auch die Erwartungen gegenüber Produkten wie Risikolebensversicherungen, die sonst solide Umsatzbringer waren, sind mittlerweile merklich zurückgegangen. Grund ist hier, dass viele Menschen aufgrund der steigenden Zinsen mittlerweile Abstand vom Kauf bzw. Bau einer Immobilie genommen haben. Ein Anlass, der traditionell mit dem Abschluss einer Risikolebensversicherung verbunden ist.
Die größten positiven Impulse erwarten die Versicherer weiterhin im Geschäft mit Fondspolicen ohne Garantien. Auch die Erwartungen im Bezug auf Berufsunfähigkeits- sowie Grundfähigkeitsversicherungen sind weiterhin positiv. Wenig Hoffnung besteht im Hinblick auf das Geschäft mit klassischen Lebensversicherungen. „Eine Renaissance der Klassik ist nicht in Sicht“, zeigt sich auch Assekurata-Analyst Lars Heermann überzeugt. Da ändere auch die einsetzende Zinswende nichts dran.
Stornoquote bleibt stabil
Positiv fällt aus Sicht der Versicherer die konstante Stornoquote ins Gewicht. Diese lag 2022 bei Policen gegen laufenden Beitrag bei 4,4 Prozent und damit nur unwesentlich höher als im Vorjahr (4,3 Prozent). Die Kunden halten den Versicherern trotz der verstärkten Konkurrenz durch die Banken also weiterhin die Treue. Viele Versicherer haben die Entwicklung der Stornozahlen jedoch genau im Blick, berichtete Heermann. Dies liege auch an der steigenden Zahl der stillen Lasten bei vielen Versicherern.
Auch wenn die kurzfristigen Geschäftsaussichten für die Lebensversicherer aus Sicht von Assekurata negativ ausfallen, zeigt man sich mittel- bis langfristig optimistisch: So können die Lebensversicherer nicht nur die über die Niedrigzinsphase aufgebaut Zinszusatzreserve abbauen, sondern mit einer stärkeren Kapitalanlage auch die Basis für höhere Kundenerträge und somit mehr Neugeschäft legen.