Arbeiten, wo andere Urlaub machen – kann das klappen?
pro: „Für mich ist diese Freiheit der größte Luxus"
Franziska Zepf, Inhaberin Premius Finanz- und Versicherungsmakler
Die Vorstellung, unter Palmen zu sitzen, auf das Meer zu blicken und gleichzeitig produktiv zu arbeiten, klingt für viele wie ein unerreichbarer Traum. Doch in einer zunehmend digitalen Arbeitswelt ist genau das möglich – und für mich seit einigen Jahren Realität.
Als Finanz- und Versicherungsberaterin mit über zehn Jahren Erfahrung und einem rein virtuellen Unternehmen verbringe ich mehrere Monate im Jahr an den schönsten Orten der Welt. Aber wie sinnvoll ist es tatsächlich, dort zu arbeiten, wo andere Urlaub machen? Welche Vorteile bringt es, worauf sollte man achten, und kann dieser Lebensstil vielleicht sogar ein Instrument sein, um Nachwuchs für die Finanzbranche zu gewinnen?
Die Vorteile: Lebensqualität und Effizienz
Der größte Vorteil liegt auf der Hand: Lebensqualität. Wer den Alltag in Deutschland für eine Zeit hinter sich lässt, um von einer Villa in der Toskana, einem Café in Portugal oder einem Strandhaus auf den Kanaren zu arbeiten, findet oft eine neue Energiequelle. Sonne, frische Luft und die Möglichkeit, die Pausen in traumhafter Umgebung zu verbringen, wirken sich positiv auf die mentale Gesundheit aus. Für mich ist diese Freiheit der größte Luxus.
Gleichzeitig habe ich festgestellt, dass meine Produktivität an solchen Orten oft sogar steigt. Abseits der gewohnten Routine fällt es leichter, sich zu fokussieren. Kreativität und strategisches Denken profitieren von neuen Eindrücken und der Distanz zum Alltag. Auch meine Mitarbeiter, die alle remote arbeiten, berichten von einer gesteigerten Zufriedenheit und besseren Work-Life-Balance.
Die Herausforderungen: Planung und Selbstdisziplin
Doch es wäre naiv zu glauben, dass das Arbeiten an Urlaubsorten keine Tücken hat. Technische Voraussetzungen sind das A und O. Stabile Internetverbindungen, gut ausgestattete Arbeitsplätze und klare Strukturen sind essenziell. Ebenso wichtig ist Selbstdisziplin. In einer Umgebung, die nach Entspannung und Freizeit ruft, ist es entscheidend, sich feste Arbeitszeiten zu setzen und Ablenkungen zu minimieren.
Auch die Zeitverschiebung kann eine Herausforderung sein, insbesondere wenn man regelmäßig mit Kunden oder Kollegen in Deutschland kommuniziert. Flexibilität und ein durchdachtes Zeitmanagement helfen, diese Hürde zu nehmen.
Ein Tool zur Nachwuchsgewinnung?
In Zeiten des Fachkräftemangels könnte die Möglichkeit, remote und flexibel zu arbeiten, ein entscheidender Vorteil bei der Nachwuchsgewinnung sein – auch in der Finanz- und Versicherungsbranche. Die jüngeren Generationen legen zunehmend Wert auf Work-Life-Balance und individuelle Freiheiten. Ein Arbeitsplatz, der nicht an ein Büro in Deutschland gebunden ist, kann ein attraktiver Anreiz sein.
Ein weiterer Vorteil: Als Unternehmen, das remote funktioniert, erschließt man einen viel größeren Talentpool. Ob in Deutschland, Spanien oder Thailand – die besten Köpfe sind nicht auf einen bestimmten Ort begrenzt. Gleichzeitig fördert diese Arbeitsweise eine Unternehmenskultur, die auf Vertrauen, Eigenverantwortung und Flexibilität basiert – Werte, die vor allem für junge Talente von Bedeutung sind.
Fazit: Freiheit, die Verantwortung braucht
Arbeiten, wo andere Urlaub machen, ist keine Frage des Ortes, sondern der Einstellung. Es bietet eine einzigartige Kombination aus Freiheit und Lebensqualität, erfordert aber gleichzeitig Disziplin, Planung und die Bereitschaft, Herausforderungen anzunehmen. Für mich persönlich hat dieser Lebensstil nicht nur meinen Arbeitsalltag bereichert, sondern auch mein Leben. Und ich bin überzeugt: Unternehmen, die ihren Mitarbeitern diese Freiheit ermöglichen, können sich einen entscheidenden Vorteil im Wettbewerb um die besten Talente sichern. Die Welt ist unser Büro – warum nicht davon profitieren?
contra: „Ablenkungen einer Ferienumgebung beeinträchtigten die Arbeitsleistung"
Frederik Waller, Berater und Gesellschafter bei Orbito Flow, einer Agentur für nachhaltige Veränderung in der Versicherungsbranche
In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend verschwimmen, hat sich der Begriff „Workation" als vermeintliche Lösung für die perfekte Work-Life-Balance etabliert. Doch wie realistisch ist dieses Konzept wirklich? Ein kritischer Blick auf meine persönlichen Erfahrungen mit meiner Frau offenbart die Schattenseiten dieses vermeintlichen Traumszenarios.
Technische Tücken im Paradies
Die Grundvoraussetzung für erfolgreiches Remote-Arbeiten ist eine stabile Internetverbindung. Doch selbst in hochgelobten Unterkünften kann die digitale Infrastruktur zum Albtraum werden. In unserem Fall erlebten wir dies in einem vermeintlich gut bewerteten Hotel, wo nicht einmal eine ausreichende Mobilfunkverbindung verfügbar war. Die Konsequenz: Eine Videokonferenz mussten wir aus dem Mietwagen führen – warm, unbequem und alles andere als professionell.
Wenn der Strom die Arbeit stoppt
Selbst in einer hochwertigen 4-Sterne-Unterkunft mit schnellem WLAN kann die Arbeit durch unvorhergesehene Ereignisse empfindlich gestört werden. Mehrfache Stromausfälle führten nicht nur zu Arbeitsunterbrechungen, sondern auch zu potenziellen Datenverlusten. Solche Vorfälle sind in Urlaubsregionen oft häufiger als erwartet und brachten unsere Arbeitspläne empfindlich durcheinander.
Der Spagat zwischen Strand und Schreibtisch
Eine der größten Herausforderungen unserer Workation war die Tagesplanung. Die Versuchung, die neue Umgebung zu erkunden, stand im ständigen Konflikt mit unseren beruflichen Verpflichtungen. Meine Frau und ich hatten Schwierigkeiten, eine Routine zu etablieren, die sowohl Arbeit als auch Freizeit gerecht wurde. Die Balance zu finden, erforderte ein hohes Maß an Disziplin und Kommunikation – Faktoren, die im Urlaubsmodus oft vernachlässigt werden.
Produktivität im Urlaubsparadies
Die Ablenkungen einer Ferienumgebung beeinträchtigten unsere Arbeitsleistung erheblich. Die ständige Verlockung, die Umgebung zu erkunden oder Freizeitaktivitäten nachzugehen, reduzierte unsere Konzentration und Effizienz deutlich. Zudem schmälerte die Eingewöhnungszeit an die neue Umgebung und die ungewohnten Arbeitsbedingungen unsere Produktivität weiter.
Zeitverschiebung als Stolperstein
Selbst eine scheinbar geringe Zeitverschiebung von nur einer Stunde, wie wir sie auf Teneriffa erlebten, erschwerte die Koordination von Meetings und die Zusammenarbeit mit unserem Team in der Heimat. Unterschiedliche Arbeitszeiten führten oft zu Verzögerungen und Kommunikationsproblemen, die die Effizienz des gesamten Teams beeinträchtigten.
Das Büro am Strand – eine Illusion?
Nicht alle Unterkünfte boten eine geeignete Arbeitsumgebung. Ein ergonomischer Arbeitsplatz und eine ruhige Umgebung sind jedoch entscheidend für effektives Arbeiten. Die Realität zeigte uns, dass viele Ferienunterkünfte nicht auf die Bedürfnisse von Remote-Arbeitern ausgelegt sind, was zu körperlichen Beschwerden und verminderter Produktivität führte.
Fazit: Workation – Traum oder Trugschluss?
Die Idee der Workation mag verlockend klingen, doch die Realität offenbarte uns zahlreiche Herausforderungen und Risiken. Technische Probleme, die schwierige Balance zwischen Arbeit und Freizeit sowie ungeeignete Arbeitsumgebungen sind nur einige der Aspekte, die wir sorgfältig bedenken mussten. Eine gründliche Vorbereitung und realistische Erwartungen sind unerlässlich, um die Nachteile zu minimieren und eine erfolgreiche Workation zu erleben.
Trotz aller Widrigkeiten sehen meine Frau und ich unsere Erfahrung als Lernprozess und planen weitere Versuche. Dies unterstreicht, dass das Konzept der Workation zwar Potenzial hat, aber einer sorgfältigen Planung und Umsetzung bedarf. Unternehmen und Arbeitnehmer sollten die Vor- und Nachteile gründlich abwägen, bevor sie sich auf dieses Abenteuer einlassen. Letztendlich bleibt die Frage: Ist die Vermischung von Arbeit und Urlaub wirklich der Weg zu mehr Zufriedenheit und Produktivität, oder untergräbt sie am Ende beide Aspekte?