Dürfen sich Versicherungsmakler „unabhängig“ nennen?
Eine Provision beeinträchtigt die Unabhängigkeit eines Maklers nichtRA Martin Klein
Rechtsanwalt und Geschäftsführender Vorstand des Votum Verbands
Wem der Gesetzgeber besondere Verantwortung auferlegt, der darf darauf auch hinweisen! Versicherungsmakler haben umfassende Leistungs- und Treuepflichten gegenüber den von ihnen betreuten Versicherungsnehmern.
Wegweisende Gerichtsurteile
„Wegen dieser umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden.“ – Dies entschied der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 1985 in seinem noch heute gültigen Sachwalterurteil.
Der europäische und der deutsche Gesetzgeber haben den Versicherungsmakler verpflichtet, den Kunden auf der Grundlage einer objektiven und ausgewogenen Marktuntersuchung zu beraten. Diese Pflicht geht so weit, dass der Versicherungsmakler – wie das OLG Karlsruhe in seiner wegweisenden Entscheidung vom September 2021, dem sogenannten Verivox-Urteil, festgestellt hat – verpflichtet ist, „ggf. dem Versicherungsnehmer einen Vertragsschluss mit einem Versicherer anzuraten, von dem er keine Provision erwarten kann, wenn im Einzelfall kein ebenso geeignetes Angebot eines anderen, dem Makler Provision in Aussicht stellenden Versicherers vorliegt.“
Unabhängigkeit ist Kardinalpflicht eines Maklers
Der Versicherungsmakler muss demnach zwingend seine Empfehlungen gegenüber Versicherungsnehmern unabhängig davon abgeben, ob er eine Provision erhält – und wenn ja, in welcher Höhe. Wenn dies aber die Kardinalpflicht eines Maklers ist, dann erwächst hieraus auch das Recht, diese Verpflichtung zur Unabhängigkeit werbend zu benennen.
Allein die Tatsache, dass der Makler für seine Vermittlungstätigkeit üblicherweise von der Versicherungsgesellschaft eine Provision erhält, die Teil der Versicherungsprämie ist, führt nicht zu einer Beeinträchtigung seiner gegenüber dem Versicherer unabhängigen Tätigkeit. Dem Makler ist es verboten, sich von einem Provisionsinteresse leiten zu lassen. Würde man dies dennoch unterstellen, nähme man ein gesetz- und rechtswidriges Verhalten des Maklers als Ausgangsbasis. Eine solche vorverurteilende Unterstellung von Gesetzesverstößen kann jedoch nicht die Basis einer wettbewerbsrechtlichen Beurteilung sein.
Vielmehr muss immer die Annahme eines primär gesetzes- und rechtskonformen Verhaltens der Blickwinkel sein, aus dem heraus der werbende Marktauftritt eines Versicherungsmaklers geprüft wird. Wenn man sich an diese selbstverständliche Voraussetzung hält, kann einem Versicherungsmakler die Verwendung des Adjektivs „unabhängig“ nicht untersagt werden.
Widersprüchliche Annahme
Gerichte, die zum Teil der entgegenstehenden Auffassung des vzbv gefolgt sind – wie etwa das Landgericht Köln –, haben irrtümlich angenommen, dass Verbraucher den Begriff „unabhängig“ dahingehend verstehen, dass Versicherungsmakler keine Leistungen von Versicherungen erhalten. Bereits diese Annahme ist offen widersprüchlich.
Der angesprochene Kundenkreis weiß um die Tatsache, dass Versicherungsmakler ihre Tätigkeit dadurch vergütet bekommen, dass in der Versicherungsprämie auch ein Anteil für die Vermittlungsleistung inkludiert ist. Dies ist ihnen schon dadurch bewusst, weil sie selbst an den Versicherungsmakler keine direkten Zahlungen vornehmen und sie – wie jeder verständige Verbraucher – nicht davon ausgehen können, dass Versicherungsmakler ihre Leistung, anders als jeder andere Marktteilnehmer, umsonst ausüben.
Zudem werden die Verbraucher in den verpflichtenden Erstinformationen gerade darauf hingewiesen, dass auch Versicherungsmakler Provisionszahlungen von Versicherungsunternehmen erhalten. Der BGH hat diese gesetzlich vorgesehene Hinweispflicht auch wettbewerbsrechtlich als ausreichend erachtet, um den Verbraucher angemessen und rechtzeitig aufzuklären. Es ist zu hoffen, dass nunmehr kurzfristig durch die obergerichtliche Rechtsprechung eine Klarstellung erfolgt.
Verbraucher werden mit dem Begriff der Unabhängigkeit in die Irre geführtDavid Bode
Verbraucherzentrale Bundesverband, Referent Team Rechtsdurchsetzung
Nach unserer Auffassung sind Versicherungsvermittler nicht unabhängig und dürfen sich daher auch nicht als unabhängig bezeichnen. Dies gilt auch für Versicherungsmakler, die zwar in Abgrenzung zum Versicherungsvertreter als Sachwalter des Kunden agieren sollen. Doch das Provisionsinteresse für die Versicherungsvermittlung steht einer Unabhängigkeit entgegen.
Nur Berater bieten Unabhängigkeit
Einzig können aus Sicht des vzbv Versicherungsberater die Gewähr der Unabhängigkeit bieten, da diese ihre Tätigkeit nur vom Auftraggeber vergüten lassen dürfen. Dass ein Versicherungsmakler in keinem Vertragsverhältnis zum Versicherungsunternehmen steht, ändert hieran nichts, da dies Mindestvoraussetzung ist und ihn noch lange nicht unabhängig macht.
Beratungsinteressierte Verbraucher werden in die Irre geführt, wenn ihnen der Eindruck vermittelt wird, sie hätten es mit einer Unabhängigkeit zu tun wie sie diese bei einem Versicherungsberater vorfinden würden.
Selbst das Gesetz definiert den Versicherungsberater ausdrücklich als jemanden, der von einem Versicherungsunternehmen keinen wirtschaftlichen Vorteil erhält oder in anderer Weise von ihm abhängig ist. Damit bringt auch der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er Versicherungsvermittler nicht für unabhängig hält.
Auch die Gerichte geben uns, bis auf eine Einzelentscheidung des Landgerichts Leipzig, bislang recht, zuletzt auch das Landgericht Köln mit seinem Urteil vom 06.03.2025 (Az.: 33 O 219/24). Gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig haben wir im Übrigen Berufung eingelegt. Das Aktenzeichen des Oberlandesgerichts Dresden lautet 14 U 1740/24.
Auch Finanzanlagenvermittler sind nicht unabhängig
Dieselbe Rechtsauffassung vertreten wir als vzbv auch im Hinblick auf Finanzanlagenvermittler. Auch diese sind in Abgrenzung zum Honorar-Finanzanlagenberater nicht als unabhängig anzusehen. Auf eine Klage des vzbv hin hat auch das Landgericht Bremen mit Urteil vom 11.07.2023 (Az.: 9 O 1081/22) einem auch als Finanzanlagenvermittler zugelassenen Anbieter untersagt, mit produktunabhängiger bzw. unabhängiger Beratung zu werben. Seine Berufung nahm der Anbieter nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen (Az.: 2 U 102/23) zurück.
Unser Ziel ist es, in dieser Frage für höchstrichterliche Rechtsprechung zu sorgen, um Klarheit und Rechtssicherheit für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch für die Branche zu erhalten.