Nichts mehr von Hand: „Digitalisierung ist eine Kernaufgabe des Maklers“
Für viele Versicherungsmakler zählt vor allem eins: das Tagesgeschäft. Zeit dafür, die täglichen Prozesse zu überdenken und im nächsten Schritt sogar zu automatisieren, fehlt vermeintlich. „Ich muss mich erstmal um mein Kerngeschäft kümmern“, so lautet eine beliebte Entschuldigung von Vermittlern, die dem Fortschreiten der Digitalisierung im Maklerbüro im Wege steht.
Wie Thorben Schlätzer, Gründer und Geschäftsführer von Dreifach.ai – KI-Lösungen für Versicherungsmakler, anlässlich der profino-Tagung „Digitales Maklerbüro“ ausführt, gehört es zu den Kernaufgaben des Maklers, den Kunden vor dem Versicherer zu vertreten. Um den Bedarf des Kunden zu verstehen, müssen aber große Mengen von Daten erhoben werden. Aus Schlätzers Sicht ist der Makler eigentlich ein Datenverarbeitungssystem und wenn er es schafft sich digital zu organisieren, bleibt mehr Zeit für den Kunden. „Digitalisierung ist deshalb eine Kernaufgabe des Maklers“, so Schlätzer.
Anfangen händische Prozesse zu digitalisieren
„Ich würde sagen, der größte Zeitfresser heute ist die Verarbeitung von Dokumenten und Informationen, die Folgeprozesse auslösen“, sagt auch Marcus Rex, Vorstandsmitglied der JDC Group AG. Allerdings können KI-Systeme und Automatisierungsprozesse laut Rex in einem Unternehmen erst eingeführt werden, wenn der Datenhaushalt bereits stimmt. Deshalb rät Rex: „Lieber Makler, fang an, Deine händischen Prozesse zu digitalisieren, dann hast Du schon viel gewonnen!“
KI als Sachbearbeiter ohne Privatleben
Inzwischen liest JDC eingehende Dokumente automatisiert mit ChatGPT aus. „ChatGPT agiert als Sachbearbeiter, der 24 Stunden am Tag im Einsatz ist“, so Rex. Dadurch erreicht das Unternehmen eine Dunkelverarbeitung von Dokumenten von 93 Prozent. Dabei gehe es nicht darum, Mitarbeiter zu ersetzen, sondern diese zu entlasten.
Aufgrund des demografischen Wandels sei es ohnehin schwierig geworden, neue Mitarbeiter einzustellen und diese Situation werde sich noch verschärfen. „Im Prinzip ist es eine Zwangsmaßahme. Aufgrund der Demografie bekommt man nicht mehr so viele Innendienstkräfte, wie man sie braucht. Zudem liegen aufgrund der Marktkonsolidierung immer mehr Verträge in immer weniger Händen – deshalb ist Digitalisierung ein Muss“, sagt auch Matti Bergfried, Geschäftsführer von CODe Maklersoftware. Besonders unschön werde die Situation in eher margenschwachen Bereichen. „Wenn Du vorne Umsatz machst, kann es nicht sein, dass dein Gewinn im Backoffice aufgegessen wird“, so Sebastian M. Laude, Unternehmensinhaber Maklerkonzepte Hamburg. Dabei sei es wichtig, den Mitarbeitern, die Vorteile deutlich zu machen, ohne sie zu verschrecken. Vielen fällt es schwer, sich von gewachsenen Strukturen zu trennen und neue Wege zu gehen. „Ich nehme nicht mehr den Stein und haue den Nagel ein, sondern wir nehmen ab jetzt einen Hammer – das ist einfach Fortschritt“, so Laude.
Kfz-Wechselsaison mit KI meistern?
Wenn Makler es schaffen, ihre Daten KI-ready zu machen, gibt es auch heute schon vielfältige Einsatzmöglichkeiten. So könnte KI-Telefonie heute schon Mitarbeiter im Call Center entlasten. Dokumente können ausgelesen und Angebotsrechner mit KI gesteuert werden. Ein gutes Einsatzgebiet für KI sieht Thorben Schlätzer von dreifach.ai zum Beispiel im Kfz-Wechsel-Geschäft. Es erzeuge viel Aufwand bei geringer Marge. Mit KI könnten Makler Teilprozesse automatisieren und könnten sich auf die persönliche Unterstützung des Kunden konzentrieren.
Für kleine Maklerhäuser läuft der KI-Einsatz der Zukunft allerdings höchst wahrscheinlich eher über die Maklerpools als in Eigenregie, ist sich Matti Bergfried von CODe sicher. „Ich sehe in den nächsten 2 Jahren noch keine Marktabdeckung mit KI. Corona hatte sehr wahrscheinlich einen deutlich größeren Effekt als KI in den kommenden 2 Jahren haben wird“, so Bergfried.