Unabhängige Beratung: Streit mit Verbraucherschützern geht in die nächste Runde
Darf ein Versicherungsmakler sich auf seiner Homepage als „unabhängig“ bewerben? Diese Frage beschäftigt seit einiger Zeit die Gerichte, nachdem der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) mehrere Makler abgemahnt hatte. Die Verbraucherschützer monieren, dass die Beratung durch einen Versicherungsmakler nicht unabhängig, sondern vielmehr interessengebunden erfolge. Schließlich erhalte der Makler in der Regel für die Vermittlung von Versicherungen Provisionen.
Im Dezember vergangenen Jahres fällte das Landgericht Leipzig schließlich ein weit beachtetes Urteil (Az: 05 O 1092/14). Zum ersten Mal hatte ein Gericht zugunsten eines beklagten Versicherungsmaklers geurteilt. Erstritten hatte dieses die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow.
Das Leipziger Landgericht sah im Gegensatz zum VZBV die Aussagen zur Unabhängigkeit auf der Homepage der Maklerin nicht als irreführend und somit auch nicht als wettbewerbswidrig. „Für den Verkehrskreis, der von der fraglichen Werbung angesprochen werde, bedeute der Begriff ,unabhängig‘, dass der Versicherungsmakler nicht von einem einzelnen oder einer irrelevant kleinen Anzahl von Anbietern gesteuert werde“, legt Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke die Sichtweise der Kanzlei dar, der auch das Gericht folgte. Die Kunden der Maklerin erwarteten stattdessen, dass die vom Versicherungsmakler ausgesprochenen Empfehlungen auf einem umfangreichen Marktüberblick ergeben und nicht allein Eigeninteressen den Ausschlag geben.
Dass der Makler ein allgemeines Interesse am Erhalt von Provisionen habe, begründe indes keine Abhängigkeit, sondern ergebe sich aus dessen werbenden Tätigkeit an sich. „Die Provisionseinnahmen des Versicherungsmaklers seien ohnehin über den gesamten Markt verstreut und beruhen keinesfalls auf einer einseitigen Beteiligung eines Versicherers“, schildert Rechtsanwalt Jöhnke die Argumentation des Gerichts.
Verbraucherschützer legen Berufung ein
Allerdings hatte die Kanzlei bereits angemerkt, dass der VZBV Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts einlegen könne. Und das hat er auch getan. Wie ein VZBV-Sprecher auf procontra-Anfrage bestätigte, hat der Verband Berufung gegen das Leipziger Urteil eingelegt. Der Fall wandert nun also zum OLG Dresden (Az: 14 U 1740/24). Wann das Oberlandesgericht über den Fall verhandeln wird, steht noch nicht fest. Die Frist zur Begründung der Berufung laufe noch, erklärte eine Gerichtssprecherin.
Auch andere Gerichte hatten sich in der Vergangenheit mit der Thematik befasst. So hatten in der Vergangenheit das Landgericht Bremen und das Landgericht Kön der Auffassung des VZBV Recht gegeben. Das Urteil des Kölner Landgerichts wurde im vergangenen Jahr auch vom Kölner Oberlandesgericht bestätigt.
Gleichgesetzt werden können die einzelnen Urteile jedoch nicht. „Jeder Fall hat seine rechtliche Besonderheit als sogenannter ,Einzelfall‘“, erklärte Rechtsanwalt Jöhnke gegenüber procontra. So ging es im Kölner und Bremer Fall auch um die Frage der Honorargestaltung.
BGH-Urteil wünschenswert
Aus Sicht des Hamburger Rechtsanwalts wäre es begrüßenswert, wenn sich letztlich der Bundesgerichtshof abschließend zu diesen Fragen äußere, „damit dem rechtlich aggressiven Vorgehen des Bundesverbands endlich mal Einhalt geboten werden kann“. Aus Sicht von Jöhnke ist die Abmahnung von Versicherungsmaklern befremdlich, „zumal Versicherungsmakler die einzigen Vermittler sind, die nahezu Zugriff auf fast alle Versicherungsangebote haben und damit den bedarfsgerechtesten Versicherungsschutz überhaupt anbieten bzw. vermitteln können“. Das Verhalten des Verbands sei widersprüchlich. „Versicherungsmakler sollten daher eher rechtlich durch Verbände unterstützt als wettbewerbsrechtlich ,angegriffen‘ werden, da gerade Verbraucherschutzverbände über keine eigene Zulassung als Versicherungsmakler verfügen und damit Kunden nicht über bedarfsgerechten Versicherungsschutz beraten dürfen.“
Dennoch rät Jöhnke Maklern dazu, bewusst und sensibilisiert mit werblichen Formulierungen auf ihrer Webseite umzugehen, da weitere Abmahnungen seitens des VZBV nicht auszuschließen sind. Rechtssicherheit kann hier letztlich nur ein Urteil des Bundesgerichtshofs schaffen.