Künstliche Intelligenz

„Unsere KI besteht die 34d-Prüfung ohne Probleme“

Künstliche Intelligenz entwickelt sich rasant weiter und durchdringt immer neue Bereiche. Auch für Versicherungsvermittler arbeiten Unternehmen an KI-Lösungen, die den Arbeitsalltag der Vermittler erleichtern sollen. procontra sprach hierzu mit Simon Moser, CEO von Muffintech.

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11:05 Uhr | 23. Mai | 2024
Simon Moser

Einst als Makler unterwegs, nun als Techunternehmen mit Fokus auf Makler: Muffintech-Chef Simon Moser

| Quelle: Muffintech

Einst war Simon Moser als Makler tätig, der seine Kunden ausschließlich über WhatsApp beriet. Mittlerweile ist aus dem Makler- ein Techunternehmen geworden, das sich dem Thema Künstliche Intelligenz verschrieben hat.

Im Blickpunkt steht dabei der Einsatz der KI für den Makler. Das Interesse aus der Branche ist laut Moser hoch. Erst kürzlich schloss das 2021 gegründete Unternehmen eine siebenstellige Investitionsrunde ab.

procontra:

In welchen Bereichen soll Eure KI den Maklern helfen?

Simon Moser:

Wir starten mit dem Aufbau einer Art internes Wiki für die Makler. Dafür wird unser Grundmodell, was ja bereits mit viel Branchenwissen angereichert ist, mit dem internen Wissen der jeweiligen Maklerhäusern angereichert. Das können Beratungsleitfäden oder Versicherungsbedingungen von den Produkten, die sie präferieren, sein. Die KI kann dem Makler somit bei der internen Recherche helfen – die ausformulierten Antworten der KI kann der Makler natürlich auch seinen Kunden schicken, das spart auch noch einmal Arbeit. Kein Mensch kann ja alles wissen: Viele Makler haben sich ja auf Lebensversicherungen spezialisiert. Das Kompositgeschäft läuft dann häufig nur so nebenher, ist aber kein wirkliches Steckenpferd der Makler. Hier lassen sich mit der KI vorhandene Wissenslücken überbrücken. Die KI ist hier eine Art Personal Assistant, die über sehr viel Versicherungswissen verfügt.

procontra:

Lässt sich die KI denn auch kundenseitig einsetzen?

Moser:

Ja. Wenn man den sogenannten „Voice & Tone“ verändert, antwortet die KI beispielsweise nicht mehr kurz und knapp – so wie bei der internen Kommunikation mit dem Makler – sondern erklärt dir alles ausführlich. Eine solche KI lässt sich als Chatbot auf deinen Landingpages einbinden oder via API-Schnittstelle auch mit Messengern, wie beispielsweise WhatsApp oder dem Instagram-Messenger, verbinden.

procontra:

Das ist ein netter Service vom Makler, aber lohnt sich dieser für ihn auch?

Moser:

Für den Makler ist das eine qualifizierte Leadgenerierungsquelle. Die KI übernimmt dabei eine grundlegende Bedarfsermittlung des Kunden. Wenn die KI einen Bedarf erkennt, kann sie dem Nutzer ein Gespräch mit dem Makler anbieten. Der Kunde bucht sich dann einen Termin, der Makler bekommt die Daten aus dem Gespräch zugespielt und hat auf diese Weise einen qualifizierten Lead erhalten. Gerade das Thema Leads ist ja innerhalb der Branche sehr groß, da hier viel Scharlatanerie betrieben wird und die Qualität der Leads häufig mangelhaft ist. Mit der Generierung deiner eigenen Leads kannst du dieses Problem jedoch umgehen.

procontra:

Nun braucht die KI, bzw. das ihr zugrundeliegende Large Language Model (LLM) für eine adäquate Kundenberatung ja auch spezielles Versicherungswissen. Wie haben Sie Ihre KI trainiert?

Moser:

Der KI liegen 30.000 Whats-App-Kommunikationen aus unserer früheren Tätigkeit als Makler zugrunde. Zusätzlich haben wir sehr viel Fachliteratur einfließen lassen. Unsere KI besteht mittlerweile die 34d-Prüfung ohne Probleme.

procontra:

KI-Modelle leiden jedoch noch an sogenannten Halluzinationen – sie denkt sich in einigen Fällen also Daten und Fakten aus. Wie geht ihr mit diesem Problem um?

Moser:

Halluzinationen sind ein großes Thema. Hier liegt unserer Meinung jedoch einer der Unique Selling Points unseres Modells. Dieses ist nämlich im Gegensatz zu Chat-GPT ein Multiagenten-Modell.

procontra:

Das bedeutet?

Moser:

Das Modell gibt dem Nutzer nur eine Antwort, wenn diese auf einer validen Datengrundlage beruht. Wenn die KI die Antwort nicht weiß, weil es die Datengrundlage nicht gibt, wird das dem Nutzer so mitgeteilt. Trotzdem empfehlen wir Maklern, am Ende noch einmal die Daten der KI zu überprüfen – schließlich muss er für die Beratung am Ende haften. Der letzte Schritt – also die endgültige Produktempfehlung – obliegt somit weiter dem Menschen, bei den restlichen 90 Prozent kann die KI assistieren.

procontra:

Wie ist das Interesse innerhalb der Branche?

Moser:

Wir arbeiten bereits mit zwei Maklerpools zusammen: der SDV AG sowie mit pma. Mit weiteren Pools sind wir in fortgeschritteneren Gesprächen. Hinzu kommen noch einzelne Makler, mit denen wir zusammenarbeiten. Die bekanntesten sind Hava Misimi und Bastian Kunkel, die zugleich auch Investoren bei uns sind.

procontra:

Die Qualität der KI bemisst sich ja an deren Datengrundlage. Wird dieser Umstand für Makler nicht zum Problem?

Moser:

Also für unser Grundmodell brauchen wir erstens keine Daten der Makler – das trainieren wir ja selbst. Und zweitens ist die Aussage „Shit in – shit out“, die man so häufig hört – ein bisschen ein Trugschluss. Der Vorteil an Systemen wie unseren ist, dass du eben nicht die bereits perfekte strukturierte Datenbank brauchst. Es reicht, dass die Daten – in welcher Form auch immer – vorhanden sind. Dann können wir damit arbeiten.

procontra:

Wo sehen Sie darüber hinaus Einsatzmöglichkeiten für die KI? Denkbar wäre ja beispielsweise Hilfe bei der Dokumentation.

Moser:

Die Dokumentation von Beratungsgesprächen wäre aus meiner Sicht auf jeden Fall ein denkbares Einsatzfeld für die KI. Large Language Models haben ja gerade ihre Stärken in der Zusammenfassung und Strukturierung großer Datenmengen. Allerdings hängt hier eine Voice-to-Text-Übersetzung dran. Heißt: Die Qualität der telefonischen Mitschnitte muss gut genug sein, so dass die KI sie versteht und in Text übersetzen kann. Bei einem abgehackten Handy-Gespräch, von dem nur die Hälfte vorhanden ist, wird es naturgemäß schwer. Ein Video-Call in guter Qualität oder ein Gespräch face-to-face, was mitgeschnitten wird, sollte allerdings kein Problem sein. Man muss dann nur der KI definieren, welche Teile des Gesprächs in welches Beratungsdokumentationsfeld kommt.

procontra:

Gibt es darüber hinaus weitere Felder, in der Sie Vorteile durch die KI sehen?

Moser:

Ich denke, dass Large Language Modelle vor allem im Vertrieb und in der Kundenberatung an Bedeutung gewinnen werden. Dafür braucht es aber eine bessere, eindeutigere Regulatorik im Hinblick auf Dokumentation und Haftung. Da ist viel derzeit noch Grauzone, so dass auch bei uns noch gilt: Lieber ein Schritt weniger als einer zu viel. Wenn man aber die klaren Richtlinien hat, kann man so eine sehr große Klientel erreichen. Es gibt ja große Teile in der Bevölkerung, die lieber chatten als mit einem Menschen zu sprechen. Oder denken wir an die Gruppe der Expats, die ja nicht zwingend Deutsch sprechen können und das Englisch des Maklers womöglich nicht so gut ist, um Versicherungsbegriffe zu erklären.

procontra:

Mittlerweile gibt es Studien, beispielsweise vom schwedischen Zahlungsdienstleister Klarna, dass die Kunden mit dem Support durch die KI genauso zufrieden sind wie mit der durch den Menschen. Siehst du denn die Gefahr, dass der Makler durch die KI irgendwann überflüssig wird?

Moser:

Auf keinen Fall. Menschen wollen immer noch Menschen im Hintergrund – das zeigen genug Studien. Das gilt selbst für die Generation Z. Gerade bei nicht-trivialen Produkten wie beispielsweise einer PKV, Risikoleben oder BU, geht es ja auch um Vertrauen. Und dafür braucht es auch jemand, den man bei Fragen oder Problemen persönlich erreichen kann. KI ist ein großartiger Assistent für Makler, um Teile ihres nervigen Alltagsgeschäfts zu übernehmen und vielleicht auch das niedrigmargige Geschäft zu automatisieren, sie wird aber nicht den Makler ersetzen.