Wie sich Käufer und Verkäufer finden und wie der Preis zustande kommt
procontra:
Andreas Grimm:
Die Nachfrage ist in den letzten Jahren signifikant gestiegen. Das merken wir einerseits bei den Registrierungen in unserer eigenen Nachfolger- und Investorendatenbank, in der sich kaufwillige Makler eintragen können. Insgesamt haben wir circa 350 Millionen Euro kaufwilligen Kapitals ‚versammelt‘. Wobei wir bei den kleineren Kaufinteressenten in den letzten sechs Monaten wieder weniger Neuregistrierungen verzeichnen. Das kann daran liegen, dass wir die meisten Kaufinteressenten schon in der Datenbank haben oder dass die steigenden Zinsen doch so langsam ihre Wirkung zeigen. Wir merken es aber auch in unserer eigenen Akquise: Immer mehr unserer potenziellen Kunden bestätigen uns, dass ihnen potenzielle Käufer die Tür einrennen. Manche haben mehrere Interessentenkontakte pro Monat, wobei da die Zahl der Schnäppchenjäger schon auch ziemlich hoch zu sein scheint. Auch der Kampf um die besten Platzierungen in den Suchmaschinen wird immer härter geführt, wenn es um Stichworte wie ‚Maklerbestand verkaufen‘ oder ähnliches geht. Wir müssen dort zunehmend auch mit den großen Kaufinteressenten konkurrieren, die versuchen, sich bei den Platzierungen vor uns zu drängen, um vor uns an den Verkäufern dran zu sein. Das merkt man leider auch an den Preisen für Werbeplätze in der bezahlten Suche.
Grimm:
Ganz junge Makler kommen eher selten zu uns – leider. Das liegt auch daran, dass die sich Maklerbestände einer gewissen Größe einfach nicht leisten können. Da besteht höchstens bei einer Notfallnachfolge mal die Chance auf einen Bestand, der bezahlbar ist und von dem man vernünftig leben kann. Häufiger haben wir mit expansionswilligen mittelständischen Maklern zu tun, deren Umsatz irgendwo zwischen 200.000 und einer Million Euro Courtagevolumen liegt. Die können sich Bestände einerseits leisten und verfügen andererseits über die Logistik, diese Bestände vernünftig zu übernehmen und zu veredeln. Die Inhaber sind meistens zwischen 40 und Mitte 50. Das ist allerdings auch die Gruppe, die in den letzten Wochen deutlich ruhiger geworden ist – vermutlich auch deshalb, weil sie die Zukäufe nicht selten finanzieren müssen – und finanzieren ist in den letzten Monaten doch deutlich schwieriger geworden. Der stärkste Nachfragedruck kommt allerdings von folgenden beiden Käufer-Gruppen: Private Equity Gesellschaften einerseits kaufen oder bringen sich bei großen Maklergesellschaften ein und versuchen, sich ganze Portfolios von Maklergesellschaften zusammen zu kaufen. Maklerpools versuchen ihre Bestände zu verteidigen, indem sie Vehikel schaffen, mit denen sie ihren perspektivisch ausscheidenden Maklern Möglichkeiten bieten wollen, ihre Bestände direkt beim Pool abzugeben.
procontra:
Wie kommen in der Regel die Kaufpreise zu Stande? Wird lange und detailliert um jeden Tausender verhandelt?
Grimm:
Es wird auch mal gefeilscht – aber das ist eher seltener der Fall. Wenn wir ein Projekt begleiten, dann arbeiten wir über zwei unterschiedliche Verfahrensweisen: Bei mittleren und größeren Maklerunternehmen ermitteln wir – gegebenenfalls nach der Optimierung der Ausgangslage – den Ertragswert des Unternehmens und entwickeln dann eine Platzierungsstrategie, wie aus einem gegebenen Unternehmens- beziehungsweise Ertragswert ein möglichst hoher Kaufpreis entwickelt werden kann. Dazu gehört unter anderem eine Abschätzung der Synergiepotenziale möglicher Käufer, eine Festlegung der Ansprache- und Verhandlungsstrategie und der roten Linien der Verkäuferseite und auch mögliche Gestaltungsmöglichkeiten für Kompromisslösungen. Bei kleineren Beständen schaffen wir einen virtuellen Marktplatz, über den alle Kaufmodelle, die wir für relevant erachten, gegeneinander antreten und ein Gebot abgeben. Über den Vergleich des Barwerts der verschiedenen Gebote können wir dem Makler dann das Modell anbieten, das ihm den größten Nutzen nach Steuern verspricht. Das ist hocheffizient und gleichzeitig kostenminimal.
Grimm:
Ja, ein solch strukturierter Weg ist leider nicht die Regel. Da viele Makler die Mühe scheuen, sich einem solchen Platzierungsprozess zu unterwerfen und die Bestände dann auf eigene Faust platzieren, ist die Kaufpreisermittlung bei vielen Projekten eher zufallsgetrieben. Es gibt Makler, die gehen mit ihrem Bauchgefühl ran oder orientieren sich am Hörensagen und multiplizieren einfach ihre Bestandscourtage mit irgendwelchen Faktoren, die sie irgendwo aufgeschnappt haben. Damit gehen sie dann in ihrem Umfeld auf die Suche nach einem Käufer, der bereit ist, diesen Preis zu bezahlen. Ob das ein guter oder schlechter Preis ist, spielt dann im Grunde keine Rolle, weil das Bauchgefühl des Maklers ja passt. Er sollte nur dann nicht hinterher nachforschen, was möglich gewesen wäre. Andere Makler gehen eher defensiv ran und kontaktieren ihren Maklerpool oder reagieren auf die Ansprache durch die einschlägigen Bestandskäufer. Da kriegen sie dann in der Regel das Kaufmodell angeboten, das vom Pool oder vom Bestandskäufer entwickelt wurde. Die Konditionen sind dann in der Regel nicht groß verhandelbar und die Anbieter stellen sich dann meist auch keinem transparenten Marktvergleich – warum sollten sie das auch tun? Auch hier gilt: Ob die Konditionen gut sind, irgendwelche Fallen im Vertragstext schlummern oder ob das ganze nur den Anschein hat, ein attraktives Angebot gut zu sein, lässt sich für einen Makler selbst eigentlich kaum feststellen. Wenn er später dann einen Vertrag unterschrieben hat, ist es im Grunde eher besser, sich nicht die Frage zu stellen, ob man einen guten oder schlechten Deal gemacht hat. Es lässt sich eh nichts mehr ändern.
procontra:
Gibt es eine Art Faustformel, in welchem Verhältnis der Kaufpreis zur jährlichen Bestandsprovision stehen sollte?
Grimm:
Nein, die gibt es nicht. Ich kann nur von unseren aktuellen Projekten berichten, in denen wir bei einfachen Bestandsverkäufen in der Regel zwischen Faktor 3,2 und 4,8 für unsere Bestandsverkäufer erzielen. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch Bestände gibt, die deutlich weniger erzielen oder Bestände, die deutlich über dem Fünffachen liegen können. Wer aber als Marktteilnehmer sich auf solche Rechnungen einlässt, sollte bedenken, dass diese Multiplikatoren einerseits Durchschnittswerte sind – und wer will sein Lebenswerk eigentlich für einen durchschnittlichen Kaufpreis verkaufen, wenn der Markt ohne Not deutlich mehr bezahlen würde? Andererseits besteht der Wert eines Maklerunternehmens ja nicht nur aus der Bestandsprovision des Unternehmens. Der Wert besteht auch aus immateriellen Bestandteilen, wie dem Vertrauen der Kunden in das Unternehmen, dem Wert der Marktzugänge, dem Wert der lokalen oder regionalen Marke, dem Organisationswissen der Belegschaft, dem Wert der Betriebs- und Geschäftsausstattung und den Guthaben auf Bank- oder Stornoreservekonten. Wenn das alles den Besitzer wechseln soll, muss das in einem geeigneten Bewertungsverfahren verarbeitet werden. Wer den Wert eines Unternehmens ermittelt, erstellt im Grunde zuerst eine Prognose darüber, wie hoch die zukünftig erzielbaren Erträge des Betreibers des Unternehmens sein dürften und wieviel der Käufer bei den gegebenen Rahmenbedingungen bereit sein dürfte, für die prognostizierte Zahlungsreihe zu bezahlen.
Über juristische Fallstricke bei der Vertragsgestaltung sowie weitere zu beachtende Aspekte lesen Sie im zweiten Teil unseres Interviews mit Andreas Grimm.