Warum LV-Garantien neu austariert werden müssen

Ein neuer Marktüberblick zur Deklaration der Verzinsung 2021 von Rentenpolicen offenbart auch, dass die Niedrigzinsphase im Bestand zu einem massiven Anstieg der Zinszusatzreserve und im Neugeschäft zu einem weiterem Rückgang der Garantien führen wird. Die Details.

09:02 Uhr | 24. Februar | 2021

Wegen anhaltend niedriger Zinsen ist die Gesamtverzinsung klassischer Rentenversicherungen 2021 auf 2,73 Prozent zurückgegangen, ergab die jährliche Untersuchung „Überschussbeteiligungen und Garantien deutscher Lebensversicherer“ der Kölner Rating-Agentur Assekurata für 2021. Bei der neuen Klassik, die zwar auch eine lebenslange Mindestrente bietet, aber weniger sonstige Garantien, stehen 2,83 Prozent zu Buche. Insbesondere in der dritten Schicht steigen immer mehr Anbieter aus der 100-Prozent-Garantie aus.

„Die erhöhte Schuldenlast der EU-Staaten macht eine mittelfristige Leitzinserhöhung der EZB sehr unwahrscheinlich, weshalb der Zuführungsbedarf zur Zinszusatzreserve (ZZR) weiter ansteigen dürfte“, sagt Lars Heermann. Allein 2020 mussten die deutschen Lebensversicherer zusätzlich knapp elf Milliarden Euro nachreservieren. „Somit hat die Branche seit Einführung des Reservetopfs 2011 insgesamt einen Bestand von 86 Milliarden Euro aufgebaut, hat der Bereichsleiter für Analysen und Bewertungen bei der Assekurata ausgerechnet.

ZZR nun auch für Tarife mit 1,75 Prozent Garantiezins

Die Negativzinsen am Kapitalmarkt wirken sich unmittelbar auf die Nachreservierungspflichten der Lebensversicherer aus. So sank der Referenzzins, der den brancheneinheitlichen Maßstab für die Dotierung der ZZR darstellt, 2020 auf 1,73 Prozent (2019: 1,92 Prozent). „Das hat zur Folge, dass nun erstmals auch die Tarifgeneration mit einem Garantiezins von 1,75 Prozent unter die ZZR fällt“, erklärt Heermann. Damit müssten die Versicherer nun im Schnitt für mehr als 84 Prozent ihrer Deckungsrückstellungen eine ZZR stellen.

Allein die Dotierungen für 2020 entsprechen mehr als 1,0 Prozent der Deckungsrückstellungen; insgesamt sind es inzwischen schon 9,03 Prozent im Bestand. Diese zusätzliche Zinsvorsorge entspricht laut Herrmann fast dem Fünffachen des bilanziellen Eigenkapitals der Lebensversicherer, das sich auf rund 18 Milliarden Euro beläuft. Die Branche gerät also durch den Niedrigzins von Jahr zu Jahr stärker an die Grenzen des traditionellen Geschäftsmodells.

Reserve entlastet Bestandsgarantien, aber …

Positiver Effekt: Die ZZR wirkt entlastend auf die Bestandsgarantien. Im Schnitt lag der nominelle Garantiezins Ende 2020 laut Studie bei 2,63 Prozent. Unter Berücksichtigung der ZZR fällt er auf 1,59 Prozent. Diesen Wert müssen die Versicherer zusätzlich erwirtschaften, um ihre Garantien unter allen Umständen bedienen zu können.

Seite 1: Wie die Zinszusatzreserve auf Bestandsgarantien wirktSeite 2: Warum im Neugeschäft Garantien nahe null gehen müssen

Sollten die Zinsen auf dem derzeitigen Niveau verharren, wäre nach Hochrechnungen von Assekurata damit aber erst die Hälfte des Weges geschafft, so Heermann weiter. Bei Fortsetzung der ultralockeren Notenbankpolitik werde der Referenzzinssatz für die ZZR zwangsläufig weiter sinken. Assekurata hat dazu drei Szenarien bis 2030 durchgerechnet:

… muss zu sehr nedrigen Garantien im Neugeschäft führen

Nach Empfehlung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) hätte der Höchstrechnungszins im Neugeschäft bereits zum 1. Januar 2021 weiter von 0,9 auf auf 0,5 Prozent reduziert werden sollen. Darauf hat das zuständige Bundesfinanzministerium (BMF) allerdings nicht reagiert. In Anbetracht der nochmals verschärften Zinsbedingungen schlug die DAV eine noch deutlichere Reduzierung auf 0,25 Prozent im Neugeschäft zum 1. Januar 2022 vor.

Vor diesem Hintergrund hat Assekurata die Versicherer im Rahmen der Studie danach gefragt, für welchen Zeitpunkt sie mit einer Absenkung rechnen und wie hoch die ihrer Meinung nach ausfallen wird. Fast alle Versicherer rechnen damit, dass das BMF der neuen DAV-Empfehlung diesmal folgt und den Höchstrechnungszins zum 1. Januar 2022 auf 0,25 Prozent senkt.

Garantiezins ist kein eigenes Renditemerkmal mehr

Es dürfte somit nur eine Frage der Zeit sein, bis die klassischen Policen mit voller Garantie im Neugeschäft praktisch keine Rolle mehr spielen. Assekurata hält es für geboten, den Charakter der Garantieverzinsung sachgerecht einzuordnen. „Die Garantieverzinsung stellt gerade kein eigenes Renditemerkmal mehr dar, sondern bietet risikoaversen Kunden als jährliche nominale Mindestverzinsung ein produktimmanentes Sicherheitsnetz“, stellt Heermann klar.

Dieses Netz sollte stets im Zusammenhang mit der Gesamtleistung einer Police, bestehend aus der Überschussrendite und der biometrischen Absicherung des Langlebigkeitsrisikos, betrachtet werden. Assekurata fürchtet aber, dass die meisten Versicherer bei einem weiter sinkenden Höchstrechnungszins den reinen Beitragserhalt nicht mehr vollständig gewährleisten können.

Seite 1: Wie die Zinszusatzreserve auf Bestandsgarantien wirktSeite 2: Warum im Neugeschäft Garantien nahe null gehen müssen