EU-Kleinanlegerstrategie: AfW warnt vor Einschränkung der Beratungsvielfalt
Am 18. März 2025 fanden die ersten Trilog-Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, der EU-Kommission und dem Ministerrat zur EU-Kleinanlegerstrategie oder auf englisch Retail Investment Strategie (RIS) statt. Dabei wurde die Kommission aufgefordert, binnen sechs Wochen einen Entwurf vorzulegen, der den Anforderungen an Vereinfachung und Bürokratieabbau entspricht. Im Anschluss an die Verhandlungen stellte die neue Finanzkommissarin Maria Luís Albuquerque ihr Strategiepapier zur SIU vor, das die Kleinanlegerstrategie als unerlässlichen Baustein hervorhebt. Sie kündigte an, weiterhin darauf zu achten, dass das Endergebnis ehrgeizig ist und die Anleger schützt.
Laut AfW-Vorstand Norman Wirth schlägt die Kommission nun unter anderem vor, vorvertragliche Informationen zu vereinfachen, ESG-Angaben im PRIIPs-KID zu streichen und Beratungs- sowie Prüfpflichten zusammenzuführen. Es gibt auch einen neuen Ansatz für den Kostenvergleich. Es werden zwei getrennte Ansätze vorgeschlagen, um den unterschiedlichen Marktgegebenheiten Rechnung zu tragen.
Investmentfonds und Vertriebsgesellschaften:
EU-weiter Peer-Vergleich, ohne Benchmarking, basierend auf öffentlichen Daten, gemäß einer ESMA Level 2 Methodik.IBIPs (Versicherungsprodukte mit Investmentkomponente): EU-Benchmark ohne Peer-Grouping, nur für Produzenten, gemäß der EIOPA-Methodik.
In so genannten Non-Papers, die Frankreich und Tschechien just vorgelegt haben, fordern diese laut Wirth noch weitreichendere Deregulierungen – etwa die Abschaffung der Best-Interest-Prüfung und deutliche Einschränkungen bei Level-2-Regelungen.
Was sind Non-Paper?
Diese informellen Dokumente sind laut Wirtin keine offiziellen Rechtsakte, sondern zeigen mögliche Verhandlungsrichtungen auf. Sie seien rechtlich nicht verbindlich, geben aber zentrale Impulse für die weitere politische Diskussion.
Während die ursprünglichen Pläne für ein mögliches Provisionsverbot halbwegs vom Tisch sind, sieht der AfW weiterhin besonders kritisch die Pläne zur indirekten Preisregulierung über europaweite Benchmarks. "Staatliche Preisvorgaben passen nicht zu funktionierenden Märkten. Sie können zu einer Einschränkung der Beratungsvielfalt führen und gerade Kleinanleger von der unabhängigen Beratung ausschließen", so Wirth.
„Für die vom AfW vertretenen unabhängigen Versicherungs- und Finanzanlagenvermittlerinnen und -vermittler sage ich ganz klar: Die RIS droht sich in Detailregelungen zu verlieren. Es muss aber darum gehen, die unabhängige Kundenberatung nicht unnötig zu verkomplizieren oder zu verteuern. Es ist jetzt an der Kommission, den Kurs grundlegend - bis hin zu einer kompletten Aufgabe des Projektes - zu hinterfragen, bevor ein Regelwerk entsteht, das mehr schadet als nützt“, so Wirth weiter.
Die nächsten Wochen seien nun entscheidend: Am 14. Mai berät die Verhandlungsgruppe des Europäischen Parlaments, der Rat folgt am 19. Mai. Weitere Trilogtermine sind in Planung.
„Unsere Forderung, die wir direkt und auch über unseren europäischen Dachverband in Brüssel adressieren: Regulierung ja – aber bitte mit Augenmaß und mit einem echten Blick auf die Praxis. Unabhängige Beratung darf nicht das Opfer eines überambitionierten Regelwerks werden."
BVI glaubt nicht an angestrebte Vereinfachung der RIS
Der BVI glaubt indes nicht daran, dass die von der EU-Kommission vorgeschlagene Vereinfachungen der Kleinanlegerstrategie gelingen kann. Dazu sagt Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI: „Die Kleinanlegerstrategie ist zum Selbstzweck geworden, unabhängig von Nutzen und Aufwand. Praktisch alle Beteiligten sind mit ihr unzufrieden, die Finanzbranche, Verbraucherschützer und Aufseher. In Brüssel scheint der Prozess jedoch wichtiger zu sein als das Ergebnis. Hat der Zug erst einmal den Bahnhof verlassen, will niemand die Notbremse ziehen, obwohl er in die falsche Richtung fährt. Die Kommission sollte endlich den Mut aufbringen, die Kleinanlegerstrategie zurückzuziehen.“
Wichtige Termine
Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Wichtige nächste Termine für die politische Diskussion:
14. Mai 2025: Beratungen der Verhandlungsgruppe des Europäischen Parlaments.
19. Mai 2025: Rat folgt mit seinen eigenen Beratungen.
Weitere Trilogtermine sind in Planung.