Tarifverhandlungen

Versicherungsinnendienst: Ver.di ruft am Mittwoch zu Warnstreiks auf

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) ruft Beschäftigte im Versicherungsinnendienst in Hamburg und Baden-Württemberg am 30. April 2025 zu Warnstreiks auf. Anlass ist die aus Sicht der Gewerkschaft enttäuschende zweite Runde der laufenden Tarifverhandlungen.

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13:04 Uhr | 29. April | 2025
Allein im Büro

So könnte es in einigen Versicherungsunternehmen am Mittwoch aussehen.

| Quelle: ER Productions Limited

Trotz hoher Unternehmensgewinne in der Branche wurde in der aktuellen Tarifrunde nach Einschätzung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) bislang kein ernstzunehmendes Angebot seitens des Arbeitgeberverbands der Versicherungsunternehmen in Deutschland (AGV) vorgelegt. Die zweite Runde am Montag in Frankfurt/Main ist aus Sicht von Ver.di enttäuschend verlaufen. Der Tarifvertrag war zum 31. März ausgelaufen.

„Die Versicherungsunternehmen streichen Rekordgewinne ein – und legen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Angebot vor, das noch nicht einmal die Einkommensverluste durch die Inflation wettmacht,“ sagt Ver.di-Verhandlungsführerin Martina Grundler am Montagabend. Sie habe keinerlei Verständnis für diesen Umgang mit den Beschäftigten, betont sie: „Es geht um Respekt und Gerechtigkeit für alle, die Tag für Tag die Erfolge der Unternehmen sichern.“

Bundesweit gibt es etwa 170.000 Beschäftigte im Versicherungsinnendienst. Die Beschäftigten des Versicherungsinnendienstes in Hamburg sind zu einem virtuellen Warnstreik von 00:00 bis 24:00 Uhr aufgerufen. Der ganztägige Streik wird im Schwerpunkt digital bzw. als homeoffice-Streik durchgeführt. Es gibt eine nicht-öffentliche Online-Streikkundgebung. Es wird keine Kundgebungen oder Demonstrationen in Präsenz geben. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 23. Mai 2025 in Düsseldorf terminiert.

Allianz, Generali und Württembergische werden bestreikt

Anders wird der Streik in Baden-Württemberg verlaufen. In Stuttgart soll es Warnstreiks bei Allianz, Württembergische Gemeindeversicherung und Generali mit zwei Demozügen geben mit anschließender Kundgebung.

In Ludwigsburg soll der Warnstreik in Karlsruhe und Kornwestheim (Württembergische Versicherung, Württembergische Lebensversicherung, W&W AG, W&W IT GmbH) stattfinden. Die Karlsruher Streikenden kommen mit einem Bus nach Kornwestheim zum W&W Platz 1. Zu den Streikkundgebungen in der Stuttgarter Innenstadt sowie in Kornwestheim/Ludwigsburg werden jeweils rund 400 Streikende erwartet.

Auf dem W&W-Platz in Kornwestheim gibt es eine kurze Kundgebung. Dabei sind laut Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Württembergischen Versicherung, der Württembergischen Lebensversicherung, der W&W AG und der W&W IT. Danach gibt es einen Demozug in die Ludwigsburger Innenstadt, wie die Ludwigsburger Kreiszeitung berichtet.

Auswirkungen auf Erreichbarkeit möglich

Für Versicherungsmakler kann der Warnstreik temporäre Auswirkungen auf die Erreichbarkeit und Bearbeitungsgeschwindigkeit in der Kommunikation mit Versicherern haben. Verzögerungen bei Policierung und Schadenbearbeitung sind denkbar – gerade, wenn zentrale Innendienstfunktionen betroffen sind.

Auf Nachfrage von procontra sagt eine W&W-Sprecherin jedoch, dass das Unternehmen über die üblichen Kommunikationskanäle – telefonisch, per Mail, per Website und persönlich – erreichbar sein werde. Die Bearbeitung von Kunden- und Makler-Anfragen sei sichergestellt.

Die Sicht der Arbeitgeber

Arbeitgeber-Verhandlungsführer Dr. Andreas Eurich (Vorstand Barmenia-Gothaer) hinterfragte zunächst den von Ver.di in der ersten Verhandlungsrunde am 21. März behaupteten Reallohnverlust von 8,1 Prozent in den letzten drei Jahren. Dieser sei deutlich geringer ausgefallen. Die Gewerkschaft habe bei ihrer Berechnung nur die linearen Tariferhöhungen, nicht aber die beiden Einmalzahlungen sowie die tariflichen und betrieblichen Inflationsausgleichsprämien berücksichtigt. Dessen ungeachtet könne dieser Reallohnverlust nicht in einem Abschluss nachgeholt werden.

Forderungen und Positionen der Gewerkschaft

ver.di fordert in der aktuellen Tarifrunde:​

  • Erhöhung Gehälter incl. Zulagen (auch Schichtzulage) um 12 % (Laufzeit 12 Monate)

  • Überproportionale Erhöhung der unteren Tarifgruppen als soziale Komponente

  • Anhebung der Auszubildendenvergütung um 250 € je Ausbildungsjahr

  • Entfristung und Verbesserung des Tarifvertrags Qualifizierung

  • Unbefristete Übernahme der Auszubildenden

Der Arbeitgeberverband unterbreitete Ver.di folgendes Angebot:

  • Lineare Erhöhung der Tarifgehälter, Zulagen und Schichtzulagen um 3,6 % ab 1. September 2025

  • Weitere lineare Erhöhung der Tarifgehälter, Zulagen und Schichtzulagen um 2,7 % ab 1. September 2026

  • Weitere lineare Erhöhung der Tarifgehälter, Zulagen und Schichtzulagen um 2,1 % ab 1. September 2027

  • Nach diesen drei Erhöhungen wäre das Tarifgehaltsniveau um 8,63 % höher als heute

  • Laufzeit: 35 Monate (von 1. April 2025 bis 29. Februar 2028)

  • Überproportionale Anhebung der Ausbildungsvergütungen

  • Moderate Erhöhung des tariflichen Fahrtkostenzuschusses (derzeit erhalten Angestellte 20 € und Auszubildende 25 € monatlich)

  • Verlängerung des Tarifvertrages „Übernahmeanspruch für Auszubildende mit guten Leistungen“

  • Entgegenkommen bei der gewerkschaftlichen Forderung nach freien Tagen für Auszubildende zur Prüfungsvorbereitung vor der GAP I und GAP II

  • Entfristung des Tarifvertrages zur Qualifizierung

  • Aufnahme von Gesprächen über einen „Tarifvertrag zur Transformation in der Versicherungsbranche“ nach den Tarifverhandlungen 2025

  • Anpassung von § 15 Ziff. 6 Manteltarifvertrag, um das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses bei Bezug einer Teilrente zu ermöglichen

  • Anhebung der Tarifgruppe B, erstes, zweites und drittes Berufsjahr, auf die Endstufe, somit von aktuell 2.187 € bzw. 2.261 € auf 2.334 € (+ 6,7 % bzw. + 3,2 %)

  • Anhebung der Tarifgruppe A auf die zweite Stufe der Tarifgruppe B (zweites und drittes Berufsjahr), somit von aktuell 2.128 € auf 2.261 € (+ 6,3 %)

  • Teilhabe der neuen Gehälter der Tarifgruppen A und B (2.261 € und 2.334 €) an den zu vereinbarenden linearen Tariferhöhungen