Finfluencer: „Fragwürdige Empfehlungen für Millionen Anleger“
Ein neues Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat in den letzten Tagen hohe Wellen in der Versicherungs- und Finanzbranche geschlagen. Darin hat die Aufsicht einen klaren Trennstrich zwischen beruflich tätigen Finanzanlagenvermittlern und sogenannten Finfluencern gezogen. Im Ergebnis würden die Empfehlungen fachfremder Personen mit hoher Reichweite auf Social Media keine Anlageberatung darstellen. Begründung: Sie würden sich nicht unmittelbar an konkrete Personen richten und deren individuelle Finanzsituation nicht berücksichtigen. In der Folge würde für die Finfluencer auch keine Beratungshaftung gelten, der echte Vermittler hingegen stets ausgesetzt seien.
Vor allem auf Social Media tobte ein Sturm aus Unverständnis und Entrüstung über die Sichtweise der Aufsicht. Mehrfach wurde dabei auch der procontra-Bericht zum Thema als Diskussionsgrundlage herangezogen. Beispielsweise warf Versicherungsmakler Bastian Kunkel, selbst sehr aktiv und reichweitenstark auf Social Media, die sicherlich nicht Sarkasmus-freie These in den Raum, die GewO-Erlaubnis abzugeben, um sich von der Haftung frei zu machen. Eine Nutzerin schrieb auf LinkedIn: „Ich bin entsetzt. Ein Schlag ins Gesicht für alle, die den Beruf qualifiziert ausüben.“
BVK teilt Kritik
Die Kritik an der Haltung der BaFin bei diesem Thema teilt auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). „Es kann nicht sein, dass professionelle Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler strengen Regularien unterliegen, während Finfluencer mit oftmals fragwürdigen Empfehlungen Millionen von Anlegern beeinflussen – ohne jede Kontrolle. Die BaFin verpasst hier eine wichtige Gelegenheit, Verbraucher besser zu schützen", kommentierte BVK-Präsident Michael H. Heinz das neue Merkblatt.
Durch die Ausnahme von Finfluencern von der Anlageberatung würde eine regulatorische Lücke entstehen, die gefährliche Folgen für unerfahrene Anleger haben kann, heißt es weiter. Der BVK verweist in seiner Mitteilung auch auf eine Studie der BaFin, die den großen Einfluss von Finfluencern auf junge Menschen zwischen 18 und 45 Jahren belegt. Von ihnen sehen demnach 60 Prozent diese Art der Finanztipps als gute Alternative zu einer professionellen Beratung an.
AfW entlastet BaFin
Der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW hingegen versucht, die Wogen etwas zu glätten. Wenngleich die Kritik an der Einschätzung der BaFin emotional gesehen nahvollziehbar sei, heißt es in einer Mitteilung des Vermittlerverbands. „Sie verkennt jedoch eines: Die BaFin kann sich nicht einfach auf Wunsch über die geltende Rechtslage hinwegsetzen“, erklärt AfW-Vorstand Norman Wirth. Die BaFin würde als Exekutivorgan nur bestehende Gesetze umsetzen. Entscheidend seien hingegen die gesetzlichen Rahmenbedingungen selbst. „Solange keine individuelle Beratung, Empfehlung oder Vermittlung erfolgt, greifen die aktuellen gesetzlichen Regelungen nicht“, betont Wirth.
Der AfW – und auch andere Vermittlerverbände – würde sich aber bereits in Berlin und Brüssel dafür einsetzen, dass unqualifizierte Ratschläge und Empfehlungen durch nicht fachkundige Personen im Interesse der Verbraucher und der qualifizierten Fachleute eingedämmt würden. Der BVK merkt an, dass auch das EU-Parlament im Rahmen der Retail Investement Strategy (RIS; Kleinanlegerstartegie) eine Definition und stärkere Regulierung von Finfluencern plane. Nur so könne gewährleistet werden, dass Anleger in sozialen Medien verlässliche und fundierte Informationen erhalten und vor potenziellen Fehlentscheidungen geschützt werden.