Muckefuck oder Goldbroiler

DDR-Versicherungen - behalten oder wechseln?

Noch immer haben Hunderttausende Menschen Versicherungsverträge aus DDR-Zeiten. Diese punkten mit ihrem automatisch inkludierten Elementarschutz. Ein Wechsel kann sich für die Versicherungsnehmer jedoch dennoch lohnen.

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13:05 Uhr | 13. Mai | 2024
DDR

Noch immer haben zahlreiche Versicherte ihre alten DDR-Versicherungen. Doch lohnt es sich weiterhin, daran festzuhalten?

| Quelle: Clarini

Neulich erreicht Gisela Humpfing (Name von Redaktion geändert) eine Mail von ihrem Allianz-Vertreter. Dieser wollte von seiner Kundin wissen, ob diese ihre noch aus DDR-Zeiten bestehende erweiterte Hausratversicherung – enthalten ist hier neben der Hausrat- auch noch eine Haftpflicht sowie eine Reisegepäckversicherung – nicht gegen einen neuen Tarif umtauschen wolle. Er selbst habe Jahrzehnte an seiner alten DDR-Versicherung festgehalten, berichtet der Vertreter, sich nun aber zugunsten eines besseren, da umfangreicheren Schutzes von seinem einst mit der Staatlichen Versicherung der DDR abgeschlossen Vertrag getrennt.

Die Mail an Frau Humpfing ist dabei kein Einzelfall. Zuletzt mehrten sich Berichte über Vermittler, die an ihre Kunden mit dem Vorschlag herantreten, ihre alten Verträge durch zeitgemäßere zu ersetzen. Auch rund 33 Jahre nach der Wiedervereinigung existieren immer noch zahlreiche Altverträge aus DDR-Beständen – sowohl zur erweiterten Hausrat- als auch zur Wohngebäudeversicherung. Wie viele Verträge die Allianz noch im Bestand hat, will der Münchener Versicherer nicht mitteilen. Der Bund der Versicherten schätzte 2019, dass noch rund 450.000 DDR-Policen vorhanden sind. Die genaue Zahl bleibt jedoch unbekannt.

Allianz wird schnell aktiv

Bereits wenige Tage nach dem Fall der Mauer hatte der damalige Allianz-Holding-Chef Wolfgang Schieren seinen Mitarbeiter Uwe Haasen, damals Vorsitzender der Allianz Lebensversicherungs AG, in das Land hinter der zerbröselnden Mauer geschickt, um eine Übernahme des dortigen Monopol-Versicherers zu verhandeln. Mit Erfolg: Am 15. März 1990 verkündeten die Staatliche Versicherung der DDR und die Allianz ihre künftige Zusammenarbeit in Form des neuen Gemeinschaftsunternehmens Deutsche Versicherungs-AG. Die Allianz war somit auf einen Schlag am Gesamtbestand des DDR-Versicherungsbestands beteiligt – sehr zum Unmut der übrigen Versicherer, die ein Monopol der Allianz befürchteten. Verhindert werden konnte das Projekt des Münchener Versicherers jedoch nicht.

Auch wenn die Menschen in der DDR seit der Währungs- und Wirtschaftsreform 1990 aus über 300 Versicherern wählen konnten, behielten viele ihre alten Verträge bei. Geschickt spannte die Allianz einen Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart und bewarb beispielsweise die beliebte Haushaltsversicherung mit dem Slogan „Das Original – damals so gut wie heute“ und den Figuren aus dem DDR-Kinderprogramm Herr Fuchs und Frau Elster. Auch wenn die ersten Jahre aufgrund geringer Beitragseinnahmen und steigender Schäden für den neuen Versicherer verlustträchtig waren, wurde an der Haushaltsversicherung festgehalten. Sie galt als Identifikationssparte, wie es in einem Geschäftsbericht der Deutschen Versicherungs-AG von 1993 heißt.

Sehr zur Freude vieler Versicherter, die vom eingeschlossenen Elementarschutz nicht nur während des Oder-Hochwassers 1997, sondern auch fünf Jahre später, als die Elbe großflächig über die Ufer trat, profitierten. Kein Wunder, dass lange Zeit vielen Versicherten mit DDR-Vertrag geraten wurde, an diesem festzuhalten.

Versicherungsschutz aktualisieren?

Doch gilt dieser Rat auch heute noch? Oder sollte nach rund 34 Jahren der Versicherungsschutz doch einmal aktualisiert werden? Ruft man bei Versicherungsmakler Steffen Moser aus dem thüringischen Schkölen an, hält sich die Euphorie gegenüber den DDR-Verträgen in Grenzen. Zwar sei der Elementarschutz hier meistens automatisch inkludiert – weitere Vorteile könne er jedoch nicht ausmachen. „Zudem sind die Versicherungsbedingungen doch sehr schwammig. Was zu welchen Summen versichert ist, lässt sich den Verträgen kaum entnehmen“, so Moser. Tatsächlich erstreckt sich das Vertragswerk hier nur auf wenige Seiten. Wer sich hingegen die Vertragsbedingungen der Allianz Hausratversicherung Komfort zu Gemüte führt, kommt – inklusive aller möglichen Zusatzbausteine – auf 37. Und das ist nur die Hausratversicherung.

Problematisch in der Gebäudeversicherung sei zudem, berichtet Moser, dass diese keinen gleitenden Neuwert kenne. Stattdessen gibt es nur einen festen Wert, der für das Haus angesetzt ist. Steigende Wiederherstellungskosten bleiben somit unberücksichtigt, dem Kunden droht hier eine schwerwiegende Versicherungslücke.

Eine weitere Versicherungslücke offenbart sich Moser, wenn er aus seinem Fenster schaut. „Jedes zweite Haus hat hier mittlerweile eine Photovoltaikanlage“, berichtet er. Diese, wie auch andere energetische Nachrüstungen des Eigenheims, sind jedoch nicht versichert – schlicht und einfach, weil Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen & Co. bei Vertragsschluss kein Thema waren. 

Sowieso sind die Tarife mittlerweile deutlich gegenüber der DDR-Zeit abgespeckt worden. Waren ursprünglich auch Fahrräder oder Gartenlauben im Versicherungsschutz mitinbegriffen, wurde dieser Schutz mit den Jahren immer mehr zusammengestrichen. Nur per Aufpreis konnten die Kunden den Schutz für Rad und Laube wieder hinzuwählen. 

Genau hinschauen

Generell empfehle es sich, die bestehenden Verträge genau anzuschauen. So galt ursprünglich der Haftpflichtschutz nicht – wie heute üblich – weltweit, sondern nur für die sogenannten RGW-Staaten. Dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe gehörten nur rund zwei Hände voll sozialistischer Staaten an, nicht aber viele der deutschen Nachbar- oder viele der beliebten Urlaubsländer.  Sollte der Vertrag seitdem also nicht umgestellt worden sein, kann auf Versicherungsnehmer eine äußerst unliebsame Überraschung warten.

Immer wieder ist das Thema DDR-Versicherungen auch Thema bei Mosers Kunden – wenn auch mit abnehmender Tendenz. Häufig sei es für diese günstiger, ihren Vertrag umzustellen. Lediglich denjenigen, die sonst keine oder nur schwer eine Elementarversicherung bekämen, könne ein Festhalten an den alten Policen geraten werden. „Ansonsten bekommt man deutlich leistungsstärkere Tarife zu einem merklich geringeren Preis“, so Moser. Zwar sei in den neuen Tarifen der Elementarschutz nicht mehr automatisch inkludiert. „Der lässt sich aber in der Regel problemlos dazubuchen.“

Frau Humpfing überlegt derweil noch. So ganz einfach ist es für sie dann doch nicht, den liebgewonnenen Traditionsvertrag loszulassen.

DDR-Verträge: Behalten oder wechseln?