Verivox-Chef im Interview

„Wir erwarten eine sehr spannende Kfz-Wechselsaison“

Die Kfz-Wechselsaison steht vor der Tür. Wie viel man sparen kann, welche Versicherer die Nase vorn haben und über die Rückkehr der Huk-Coburg auf Vergleichsportale sprachen wir mit Verivox-Versicherungschef Wolfgang Schütz.

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16:09 Uhr | 12. September | 2023
„Wir erwarten eine sehr spannende Kfz-Wechselsaison“

Wolfgang Schütz, Geschäftsführer der Verivox Versicherungsvergleich GmbH, rechnet in diesem Herbst mit einem sehr hohen Wechselvolumen in der Kfz-Versicherung.

| Quelle: Peter Vogel / Verivox GmbH

procontra:

Erwarten Sie vor dem Hintergrund von allgemeiner Inflation und gestiegenen Kfz-Prämien eher ein zurückhaltendes oder eher ein sehr engagiertes Wechselverhalten der Autofahrer in diesem Herbst?

Wolfgang Schütz:

Wir erwarten eine sehr spannende Wechselsaison mit viel Bewegung auf dem Markt. Viele Kfz-Versicherer haben ja bereits kundgetan, dass auf ihre Bestandskunden Prämienerhöhungen zukommen werden. Deshalb rechnen wir bei Vergleichen und auch bei den Vertragswechseln mit einer erhöhten Aktivität im Vergleich zu den Vorjahren. Trotz allgemein steigender Beiträge werden die Versicherer das Wechselthema auch in diesem Jahr anheizen. Bereits jetzt, zum Ende des Sommers, liegt die Differenz zwischen dem mittleren und günstigen Preissegment bei 29 Prozent.

procontra:

Glauben Sie, dass dieser Spread von 29 Prozent bis zum Höhepunkt der Kfz-Wechselsaison noch größer werden wird?

Schütz:

Das Sparpotenzial wird auch während der Wechselsaison erhalten bleiben. Viele Anbieter sehen den Herbst sicher als gute Chance, um im Volumen zu wachsen – zum Beispiel ganz neue Anbieter auf dem Markt. Eine solche Ausweitung des Kundenbestands gelingt natürlich gut über möglichst niedrige Prämien. Andere wollen sich vor allem keine ‚schlechten‘ Risiken reinholen und halten sich im Wettbewerb um günstige Prämien eher zurück.

procontra:

Auf welche Faktoren wird es Versicherer-seitig in der kommenden Wechselsaison vor allem ankommen, um hohe Vertragszuwächse zu erzielen? Nur über den Preis oder haben auch andere Faktoren Gewicht?

Schütz:

Das Preis-Leistungs-Verhältnis muss stimmen. Das interessiert die Kunden besonders. Also nicht nur billig sein, sondern der Versicherer sollte auch sehr gute Werte haben in der Servicequalität. Die Nase vorn haben werden die Unternehmen, die einen gut funktionierenden und leicht verständlichen Online-First-Ansatz bieten. Das ist den Kunden heute wichtiger als noch vor ein paar Jahren.

procontra:

Welche Versicherer haben die besten Karten für hohe Vertragszuwächse?

Schütz:

Namen nennen kann ich hier nicht, aber es gibt da schon eine ganze Menge. Dabei handelt es sich zum Beispiel um die Anbieter mit einer effektiven Schadensteuerung und Schadenabwicklung, mit schlanken, automatisierten Prozessen und schneller Policierung. Allerdings gilt auch hier: Wer das bietet, aber preislich zu weit weg ist von den günstigsten Anbietern, der wird auch nur bedingt wachsen.

procontra:

Zu den günstigsten Anbietern zählen regelmäßig auch die Marken der Huk-Coburg-Gruppe. Allerdings hatte diese 2017 allen Vergleichsportalen den Rücken gekehrt hat, weil diese zu hohe Provisionen forderten. Nun ist der Kfz-Marktführer durch sein Joint Venture mit Neodigital wieder bei Ihnen und anderen Portalen gelistet. Ist diese Rückkehr eine Genugtuung für Sie, weil es ohne Vergleichsportale anscheinend nicht geht?

Schütz:

Zunächst mal sind wir mit der Huk nicht schlecht auseinandergegangen. Natürlich würden wir unseren Nutzern im Vergleich auch gerne die Tarife des Marktführers anzeigen. Die Marke Neodigital ist dafür kein gleichrangiger Ersatz. Aber das Engagement zeigt, dass die Vorzüge des Vertriebswegs Vergleichsportale auch im Hause der Huk gesehen werden.

procontra:

Für Fachleser sieht das anders aus. Hier kommt die Huk unter dem Deckmantel der Neodigital wieder angekrochen und muss die damals schwer gescholtenen Vergleichsportale nun als Geschäftshebel nutzen…

Schütz:

Das können die beiden besagten Firmen sicher besser beantworten (Anm. d. Red.: Zu diesem Thema wollte uns die Huk-Coburg zuvor kein Interview geben bzw. die Neodigital, nach Absprache über die Huk-Presseabteilung, keine Fragen beantworten).

procontra:

Mit wie vielen Kfz-Vertragsabschlüssen rechnen Sie in diesem Jahr?

Schütz:

Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich mich zu konkreten Zahlen nicht äußern kann.

procontra:

Nein, warum nicht?

Schütz:

Weil wir keine Geschäftsgeheimnisse an unsere Wettbewerber herausgeben.

procontra:

Und mal eine ungefähre Zahl an Kfz-Neuverträgen in der Wechselsaison, das wäre auch schon zu viel preisgegeben?

Schütz:

Ja.

procontra:

Okay. Aber Sie rechnen auf jeden Fall mit einem sehr guten Jahr?

Schütz:

Ja, wir gehen davon aus, dass wir deutlich mehr Verträge vermitteln können als in den Corona-Jahren, in denen das Wechselaufkommen relativ gering war.

procontra:

Welchen Stellenwert hat die Kfz-Versicherung noch für Verivox? Ist diese, neben all Ihren Geschäftsfeldern, nur noch ein Nebenverdienst?

Schütz:

Nein, im Versicherungs-Bereich ist sie weiterhin unser größter Geschäftszweig. Das liegt wie bisher in der Kfz-Police als Pflichtversicherung begründet. In den anderen Produktbereichen haben Sie nicht so eine alljährliche Saison wie in der Kfz-Versicherung, in der sich im Markt und bei den Verbrauchern viel tut.

procontra:

Glauben Sie, dieser Stellenwert wird noch lange so bleiben, oder erwarten Sie in den nächsten Jahren großes Wachstum bei anderen Versicherungsprodukten?

Schütz:

Wir planen hier schon ganz konkret mit deutlichem Wachstum in der privaten Sachversicherung. Also Hausrat, Wohngebäude, Haftpflicht und Rechtsschutz. Hier investieren wir schon seit einiger Zeit massiv in unsere Vergleichsrechner, um diese für die Kunden zu verbessern. Vor allem bei der Wohngebäude-Versicherung merken wir einen großen Anstieg beim Traffic, wahrscheinlich weil auch in diesem Bereich die Prämien zuletzt sehr stark angestiegen sind. Zudem hat die große Bedeutung der Elementarschadendeckung ja zuletzt viel öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. Wir arbeiten hier kontinuierlich daran, dass unsere Vergleichsrechner die Kunden immer besser durch die komplexen Fragen führen und diese nicht aussteigen.

procontra:

Kann Ihnen vielleicht Künstliche Intelligenz dabei helfen oder setzen Sie diese in der Versicherungsvermittlung sogar schon ein?

Schütz:

Wir setzen aktuell noch keine KI bei der Versicherungsberatung und -vermittlung ein, aber wir beobachten die Entwicklung natürlich. Wir sehen darin schon viel Potenzial, zum Beispiel für die Nutzererfahrung mit unseren Vergleichsrechnern. Vielleicht kann die KI irgendwann aus den bisherigen Eingaben des Kunden so viele Ableitungen erzeugen, dass wir ihm im Vergleichsprozess weniger Fragen stellen müssen. Denn je mehr Fragen wir stellen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für einen Ausstieg ohne Abschluss.