pro/contra: Beamte in der GKV: Ist der Wechsel sinnvoll?
Hamburg, Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen haben die pauschale Beihilfe nach dem „Hamburger Modell" bereits eingeführt, die Beamten den Weg in die gesetzliche Krankenversicherung erleichtern soll. Die Hälfte des GKV-Beitrags trägt hier der Staat, analog dem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis. Nun zieht Baden-Württemberg nach und legte Ende April einen entsprechenden Referentenentwurf vor. Der PKV-Verband ließ daraufhin ein Rechtsgutachten erstellen, in dem die Juristen „gravierende verfassungsrechtliche Bedenken" gegen die Einführung einer pauschalen Beihilfe äußern. Ist der Wechsel in die GKV für Beamte sinnvoll?
Dr. Markus Rösler (finanzpolitischer Sprecher der Grünen, Landtag Baden-Württemberg): Pro
Ab dem 1. Januar 2023 könnten Beamtinnen und Beamte in Baden-Württemberg zwischen privater und gesetzlicher Krankenkasse (GKV) wählen, denn die pauschale Beihilfe soll kommen. Daran arbeitet die grün-schwarze Koalition derzeit intensiv, um einen weiteren Punkt des Koalitionsvertrags von Grünen und CDU in Baden-Württemberg umzusetzen.
Die Beihilfe stellt sicher, dass der Wechsel in die GKV insbesondere Staatsbedienstete der unteren Besoldungsstufen, junge Familien, Alleinerziehende und Teilzeitbeschäftigte finanziell entlastet, da sie bei einem Wechsel künftig geringere Versicherungsbeiträge leisten müssen.
Wir sind überzeugt: Eine gute Gesundheitspolitik stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und eine gute Versorgung durch den Staat als Arbeitgeber erhöht die Attraktivität des öffentlichen Dienstes. Dafür haben wir gesorgt und dafür nehmen wir als Land zusätzlich Geld in die Hand.
Geringverdienende können profitieren
Die Beiträge zur privaten Krankenversicherung orientieren sich nicht wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung am Einkommen, sondern primär am Beitrittsalter und am Gesundheitszustand. Das führt dazu, dass insbesondere Beamtinnen und Beamte mit niedrigen und mittleren Einkommen finanziell überproportional herangezogen werden. Warum? Sie wenden mehr Geld ihres verfügbaren Einkommens für Beitragszahlungen auf als andere Staatsbedienstete. Daher machen wir mit der pauschalen Beihilfe ein ergänzendes Angebot. Es muss niemand „ziehen“ – aber damit erweitern wir neben der bisherigen Versicherung in der PKV gerade für jene Einkommensgruppen das Angebot der Versorgung. Insbesondere Geringverdienende können davon profitieren.
Ab Januar soll es die Möglichkeit geben, ohne finanzielle Nachteile in die gesetzliche Krankenversicherung einzuzahlen.
Wie das geht? Das Land übernimmt den Arbeitgeberanteil, wenn die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der GKV bestehen und ein Betritt erfolgt. Im Dienst befindliche Beamtinnen und Beamte sowie Versorgungsempfängerinnen und -empfänger, als auch die neu einzustellenden Staatsbediensteten können einmalig die Gewährung der pauschalen Beihilfe beantragen. Auch in anderen Bundesländern (zum Beispiel in Hamburg beim „Hamburger Modell“) wird mit der pauschalen Beihilfe bereits ein hälftiger Zuschuss zur gesetzlichen oder privaten Krankheitskostenvollversicherung gewährt.
Was uns das kostet? Im Jahr 2023 rechnet das Land mit 13 Millionen Euro Mehraufwand. Wir nehmen das Geld in die Hand, da uns viel an einem attraktiven öffentlichen Dienst liegt.
In Baden-Württemberg gibt es im Augenblick circa 200.000 aktive Beamtinnen und Beamte, sowie circa 145.000 Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger. Theoretisch könnten alle Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Krankenkasse wechseln. Das ist aber nicht ansatzweise zu erwarten. Denn der Wechsel lohnt sich nur für einen kleinen Personenkreis.
Festzuhalten bleibt: Viele Beamtinnen und Beamte – insbesondere junge Menschen mit Familie sind froh über die verbesserte Wahlmöglichkeit.
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Florian Reuther (Direktor des PKV-Verbands): Contra
In Deutschland haben sich 93 Prozent aller Beamtinnen und Beamten für die Kombination aus klassischer Beihilfe und privater Krankenversicherung (PKV) entschieden. Denn das Preisleistungsverhältnis ist hier perfekt auf die Staatsbediensteten zugeschnitten.
Seit Kurzem bieten nun fünf Bundesländer ihren Beamten mit der „pauschalen Beihilfe“ einen Beitrags-Zuschuss, wenn sie sich in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichern. Je nach Alter, Einkommen und Familienstand kann der Gang in die GKV zwar für einzelne eine Option sein. Für die meisten dürfte dieser Schritt jedoch mit erheblichen Nachteilen verbunden sein. Die Entscheidung will also gründlich durchdacht sein. Vor allem, weil viele Nachteile auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind.
Berufsanfänger werden zur Entscheidung gezwungen
Das gilt etwa für die vermeintliche Wahlfreiheit. Die wird nämlich mit der „pauschalen Beihilfe“ tatsächlich eingeschränkt: Wer diese Option wählt, ist an diese Entscheidung unwiderruflich gebunden. Ein späterer Wechsel in die PKV ist dann nicht mehr möglich. Die jungen Berufsanfänger werden gezwungen, diese schwierige Entscheidung in einer Lebensphase zu treffen, in der die Karriere- und Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist.
So fällt etwa für alle, die später in einem anderen Bundesland arbeiten möchten, das die „pauschale Beihilfe“ nicht anbietet, der Zuschuss zur GKV weg. Das bedeutet dann eine Verdopplung der Beiträge. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist hoch, denn bisher gibt es die „pauschale Beihilfe“ in weniger als einem Drittel der Bundesländer. In der PKV hingegen lässt sich der Schutz an alle Lebenssituationen flexibel anpassen.
Zudem leistet die klassische Kombination aus Beihilfe und PKV deutlich mehr als die GKV. Etwa mit dem Anspruch auf ambulante Behandlung im Krankenhaus, Heilpraktiker-Leistungen oder Wahlleistungen im Krankenhaus wie die Chefarztbehandlung oder Zweibettzimmer. Hinzu kommt, dass die Leistungen vertraglich ein Leben lang garantiert sind und nicht gekürzt werden können.
Gleichzeitig ist der Beitrag in der GKV jedoch höher – vor allem dann, wenn sich die Besoldung im Laufe der Jahre erhöht. Zieht man die „pauschale Beihilfe“ schon ab, zahlt ein Durchschnittsverdiener in der GKV heute rund 258 Euro im Monat, bei höheren Einkünften sind es bis zu 384 Euro. In den Beamtentarifen der PKV beträgt der Beitrag im Durchschnitt derzeit rund 211 Euro.
Schließlich ist zu bedenken, dass die „pauschale Beihilfe“ nicht für die Pflegeversicherung gilt. Wählen Beamte die GKV, sind sie dort auch in der Pflegeversicherung versichert. Sie kostet für Durchschnittsverdiener rund 99 Euro im Monat – für Beamte würden also rund 50 Euro für den hälftigen Schutz fällig. Die Pflegeversicherung in der Privaten kostet für Beamte dagegen um die 15 Euro. Das kann eine Ersparnis 600 Euro und mehr pro Jahr gegenüber den Pflegebeiträgen in der GKV bedeuten.
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