Stellt R+V Kunden schlechter als nach GDV-Bedingungen?

Ein fränkischer Makler wollte seinem Kunden sehr guten Elementarschutz bieten. Bei näherer Recherche entdeckte er eine Bedingungsänderung der R+V. Die bringt nicht nur den Kunden im Ernstfall um die Leistung, sondern auch den Makler in die Haftung.

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10:11 Uhr | 23. November | 2021
„Die Neufassung der Wohngebäude-Bedingungen von R+V stellt den Kunden schlechter als die GDV-Bedingungen“, kritisiert Makler Harald Thummet. R+V sieht das anders. Bild: Thummet

„Die Neufassung der Wohngebäude-Bedingungen von R+V stellt den Kunden schlechter als die GDV-Bedingungen“, kritisiert Makler Harald Thummet. R+V sieht das anders. Bild: Thummet

Nach den verheerenden Überschwemmungen dieses Sommers in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen geht die Assekuranz von 250.000 versicherten Schäden und einem Gesamtaufwand von rund sieben Milliarden Euro aus. Mehr als 1,5 Milliarden Euro seien bis Ende September bereits ausgezahlt worden, heißt es beim GDV.

Wohl dem, der bei solchen extremen Wetterereignissen richtig versichert ist, also als Hauseigentümer neben der Wohngebäudeversicherung auch den Zusatzschutz gegen Elementargewalten besitzt. Der Zulauf an Versicherungswünschen ist enorm: Im dritten Quartal registrierte der GDV etwa 400.000 neue Elementarschadenversicherungen bei Wohngebäuden und schätzt, dass am Jahresende rund 50 Prozent aller Wohngebäude den Zusatzbaustein haben werden.

Kunde will volle Klimaschutz-Police fürs Haus

Zu den Interessenten gehört auch ein Ehepaar aus Franken, das seinen Versicherungsmakler wie folgt beauftragte: „Wir möchten eine Elementarversicherung haben, die jegliche Form der möglichen Auswirkungen durch den Klimaschutz umfangreich abdeckt, dazu gehört auch Starkregen.“ Harald Thummet, Inhaber der Thummet Versicherungsmakler GmbH in Heroldsberg bei Nürnberg, übernahm die Marktrecherche und wollte schon aus alter Gewohnheit die R+V empfehlen, bei der er viele Wohngebäudekunden mit Versicherungsschutz versorgt hat.

Eher durch Zufall entdeckte er, dass die R+V zwischenzeitlich ihre Bedingungen verändert hat. Zum einen schränkt sie den Versicherungsumfang bei Überschwemmung ein, weil in den neueren Elementarschadenbedingungen neben den „erheblichen Wassermengen“ auch gefordert wird, dass „der überwiegende Teil von Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks überflutet“ sein muss.

Auf der anderen Seite erweiterten R+V und die zum Konzern gehörende Condor optional gegen Mehrbeitrag per Klausel „Elementar Spezial“ den Schutz auf Schäden durch Eindringen von Wasser durch Fenster, Türen und Lichtschächte, ohne dass hierfür der Tatbestand der „Überflutung“ erfüllt sein muss. Diese Erweiterung und die vorher ausgeschlossene „Teilüberflutung“ sind jedoch auf 50.000 Euro Entschädigung begrenzt.

Makler muss sich mit veränderten AVB bei R+V herumschlagen

Thummet hält dies für eine Verschlechterung der Bedingungen gegenüber den Musterbedingungen des GDV. Dort steht klipp und klar: Als Überschwemmung gilt die Überflutung von Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser. Dies gilt nur, wenn eine Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern, Witterungsniederschläge oder ein Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche als Folge der Ausuferung von oberirdischen Gewässern die Überflutung verursacht haben. „Kein Wort davon beim GDV, dass überwiegende Teile von Grund und Boden, also über 50 Prozent, überflutet sein müssen, wie es nun aber die R+V verlangt, wenn sie für den Schaden aufkommen soll“, ärgert sich Thummet.

Da nutze es dem Kunden wenig, wenn er gegen Zusatzbeitrag nun „Weitere Naturgefahren Spezial“ in den „Wohngebäude-Bedingungen comfort (Fläche)“ unter Punkt 4.4. absichern kann, so Thummet. „Denn im Zweifel bleibt er schon auf dem Totalschaden seines Hauses sitzen, weil das Wasser nicht auf dem Grundstück steht, sondern wie im Ahrtal das Haus mit sich gerissen hat“, so der Makler. Aber auch diese kostenpflichtige Zusatzdeckung bringe nichts, wenn die Entschädigung auf 50.000 Euro begrenzt ist. „Diese Obergrenze hat die R+V mir ausdrücklich bestätigt, was wiederum meinen Kunden dazu bewogen hat, vom Schutz bei R+V Abstand zu nehmen“, berichtet Thummet.

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Versicherer verweigert sich der Diskussion um besten Schutz

Was tut die R+V nach dem Versuch des Maklers, durch fachliche Diskussion doch noch mit einem Sideletter – einer Zusatzvereinbarung – den vollen Versicherungsschutz nach GDV-Bedingungen anzuerkennen und im berechtigten Interesse von Versicherungsnehmern die Bedingungen nicht auszuhöhlen? Sie antwortet: „Die Definition einer Überschwemmung ist das Ergebnis einer redaktionellen Anpassung unserer alten Bedingungsformulierung … Die alten Bedingungen decken keine Teilüberschwemmungen ab … Keine Schlechterstellung gegenüber dem GDV-Muster … Eine darüber hinaus gehende Lösung über einen Sideletter können wir leider nicht anbieten.“ Unterschrieben von der Produktenwicklung und mehreren Vorständen.

Der Makler hält die Begründung für vorgeschoben und sieht eine klare Leistungseinschränkung, die ihn und seine Maklerkollegen in die Haftung treiben könnte. „Zudem ist es weltfremd, nur dann von Überschwemmung auszugehen, wenn der überwiegende Teil von Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks überflutet ist“, so Thummet.

Will sich die R+V aus der Deckung stehlen?

„Damit würde sich der Versicherer bei vielen Gebäuden in Bayern und anderen hügeligen Bundesländern aus der Deckung stehlen, wo es fast nie vorkommt, dass die überwiegende Grundstücksfläche überflutet ist“, argumentiert der Makler. Wasser unterliege nun mal der Schwerkraft und fließt nach unten weg, sucht sich die tiefsten Wege und bleibt nicht am Hang stehen.

Thummet hat einen Verdacht, warum R+V die Bedingungen geändert hat. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte mit Urteil vom 26. Juli 2012 gegen die R+V entschieden, dass Regenfälle vor der Kelleraußentür, die ins Hausinnere eindringen und Schäden an Mauerwerk und Türstöcken anrichten, als bedingungsgemäße Überschwemmung im Sinne einer Überflutung von Grund und Boden, auf dem das versicherte Gebäude steht, durch Witterungsniederschläge gelten (Az.: 8 O 9839/10). Dieses Urteil sei aber nicht rechtskräftig geworden, so eine R+V-Sprecherin. „In der Berufungsinstanz beim OLG Nürnberg wurde ein Vergleich geschlossen (Az.: 8 U 1548/12).“

Andere versichern nach GDV-Bedingungen

„Das ändert nichts daran, dass die Neufassung der R+V-Bedingungen den Kunden schlechter stellen will als die GDV-Bedingungen“, so Thummet. Immerhin kann er seinem Kunden andere Gesellschaften empfehlen, die im Wesentlichen noch die GDV-Musterbedingungen verwenden, wie Basler, BSG, Concordia oder Helvetia.

Die Interrisk verwendet die GDV-Bedingungen hinsichtlich des Versicherungsumfangs, berichtet der Makler, stellt den Kunden aber hinsichtlich der Sicherheitsvorschriften besser und verzichtet auf die Einhaltung von Obliegenheiten. Die Axa erweitert den Versicherungsschutz im Rahmen eines VEMA-Sideletters auch auf Schäden durch Grundwasseranstieg, wenn das Grundwasser an der Erdoberfläche nicht austritt. „Zudem wird dort für das Vorliegen eines Überschwemmungsschadens weder gefordert, dass der überwiegende Teil von Grund und Boden überflutet sein muss, noch, dass er überhaupt überflutet sein muss - es reicht aus, wenn erhebliche Mengen von Wasser am Versicherungsort auf versicherte Sachen wirken“, so Thummet, der diese Regelung für vorbildlich hält.

Hochwertige Absicherung im Blick behalten

Maklers Fazit: Gegen die Aufweichung der Bedingungen in der Zukunftssparte Elementardeckung sollten Maklerverbände und Verbraucherschutz Sturm laufen. Sonst werde die Formulierung der R+V über kurz oder lang auch von anderen Versicherern übernommen, was den Schutz extrem teurer Witterungsrisiken ebenso einschränken würde wie den Wettbewerb. Makler sollten sich nicht von der Argumentation der R+V täuschen lassen. Die R+V verkauft ihre optionale, beitragspflichtige Zusatzklausel „Teilüberflutung“ als Mehrwert für den Kunden.

Wegen der Brisanz vermeintlicher Deckungskürzungen im Elementarschutz fragte procontra noch einmal bei der R+V nach. Wären bei R+V viele Häuser bei der Juli-Flut 2021 nicht versichert gewesen, weil die Flut eben nicht auf dem Grundstück blieb, sondern sich ihren Weg ins Tal suchte und dabei Häuser mitriss? Überraschende Antwort der Fachabteilung: „Die Schäden durch das Unwetter Bernd stehen nicht im Zusammenhang mit unserer Bedingungsanpassung.“ Eine Aufweichung der bisherigen Elementarbedingungen „sehen wir mit unserem Konzeptansatz nicht“.

Ausweichende Antworten der R+V

Man glaubt, mit der Definition einer Überflutung „eine aus unserer Sicht verbesserte Beschreibung des versicherten Schadens zu erreichen“. Eine bessere Beschreibung mag sein, aber bleibt es nicht eine Verschlechterung der Absicherung und damit eine Haftungsfalle für Makler? Zur Haftung gibt R+V keine Antwort. Man verweist lediglich darauf, mit der Bedingungsänderung auch „Starkregen als versicherte Gefahr sowie Schutz vor erweitertem Rückstau zu bieten“ und damit über den Marktstandard hinauszugehen.

Übrigens: Der Umfrage „Privates Schaden-/Unfallgeschäft 2021“ von der der BBG Betriebsberatung unter 427 Makler und Mehrfachagenten zufolge vertrauen die freien Vermittler bei Wohngebäude-Policen vor allem wie im Vorjahr auf den Deckungskonzeptanbieter Domcura mit 26 Prozent der Nennungen, gefolgt von Axa (10,8 Prozent) und VHV (8,3 Prozent). Bei ihren Favoriten erwarten die Makler vor allem hohe Produktqualität, soliden Service und faire Schadenregulierung.

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