Rententarife mit BUZ – eine verbraucherfreundliche Kombi?
Wie sinnvoll sind sogenannte Koppelprodukte aus Altersvorsorge und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ)? Dieser Frage widmete sich kürzlich eine Studie des Bundes der Versicherten (BdV) und kam darin zu dem Ergebnis: Derartige Produkte seien grundsätzlich ungeeignet, Verbraucher sollte beide Policen lieber separat abschließen. Die Leistungen der Koppelprodukte seien im Durchschnitt schlechter und durch die Verknüpfung beider Versicherungen in einem Vertrag würden die Unternehmen ihre Kunden stärker an sich binden. Es handle sich um eine "wettbewerbshemmende Fußfessel", von der Versicherer und Vermittler profitieren. An der Analyse übte das Ulmer ifa-Institut vehemente Kritik. Sind Rententarife mit BUZ tatsächlich eine verbraucherfreundliche Kombination?
Constantin Papaspyratos (Chefökonom beim Bund der Versicherten): Contra
Alterssicherung einerseits und Arbeitskraftsicherung andererseits sind zwei unterschiedliche Bedarfe. Dauerhafter Arbeitskraftverlust (zum Beispiel Berufsunfähigkeit) kann den Lebensstandard in Gegenwart und Zukunft gleichermaßen gefährden – vor allem dann, wenn eingeschränktes Erwerbseinkommen dauerhaft auch die Alterssicherung gefährdet.
Ist das der Fall, dann ergibt sich für Menschen im erwerbsfähigen Alter, dass die Arbeitskraftsicherung gegenüber der Alterssicherung prioritär sein sollte. Entsprechend dieser Priorisierung gilt es zunächst, den für den konkreten Einzelfall bestmöglichen Versicherungsschutz zu ermitteln. Anbieterunabhängige Spezialisten (z. B. Versicherungsberater und -makler) können über Risikovoranfragen und eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen den individuell bestmöglichen Vertrag ermitteln.
Es ist nicht zielführend, den individuell bestmöglichen Vertrag als BUZ-Rente zu einer kapitalbildenden Versicherung zu wählen, unter Inkaufnahme (beispielhaft) eingeschränkter Möglichkeiten
Entkoppelte Lösungen ermöglichen eine Alters- und Arbeitskraftsicherung ohne diese Einschränkungen. Diese beiden Bedarfe können sich über die Zeit unabhängig voneinander entwickeln. Koppelprodukte, die bei Bedarfsänderungen gegenüber selbständigen Verträgen nachteilig sind, sind keine bedarfsgerechte Alternative.
Ist es darüber hinaus zielführend, sich für eine bedarfsorientierte Lebensstandardsicherung auf eine Steuerwette über mehrere Jahrzehnte einzulassen?
Bei einem individuell vorteilhaften Verlauf der nachgelagerten Besteuerung in Schicht 1 kann die Möglichkeit bestehen, eine steuerinduzierte „Überrendite“ zu erzielen – und zwar dann, wenn das Ziel der Lebensstandardsicherung verfehlt wird und damit in der Rentenphase ein deutlich niedrigerer persönlicher Steuersatz angesetzt werden kann als in der Ansparphase.
Sind Koppelprodukte aus Altersvorsorge und BUZ sinnvoll?
opinary
Prof. Dr. Jochen Ruß (Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften): Pro
Die Antwort auf diese Frage ist eigentlich langweilig: Koppelprodukte (insbesondere die Koppelung von Berufsunfähigkeitsschutz mit einer Basisrente) sind für manche Verbraucher sinnvoll, für andere hingegen nicht.
Mit der Frage, für welche Verbraucher diese Produkte sinnvoll sein können, hatte sich das ifa bereits im November 2020 beschäftigt. Wir haben zahlreiche Vertragskonstellationen analysiert und kamen zu dem Urteil, dass die gekoppelte Variante zwar in einigen qualitativen Kriterien (insbesondere in Bezug auf Flexibilität) Nachteile aufweist, dass aber umgekehrt die gekoppelte Variante für eine große Gruppe von Verbrauchern in den quantitativen (also rein finanziellen) Kriterien vorteilhaft ist. Sowohl die Frage, wie relevant die Nachteile in den qualitativen Kriterien sind, als auch die Frage, wie groß ein eventueller Vorteil in den quantitativen Kriterien ist, hängen stark von der individuellen Situation des Verbrauchers ab. Daher war unser Gesamtfazit ausgewogen: „Der Vorteil in den quantitativen Kriterien kann für manche Verbraucher ein gutes Argument darstellen, die geringere Flexibilität der gekoppelten Variante in Kauf zu nehmen. Eine pauschale Ablehnung dieser Variante verbietet sich somit genauso wie eine pauschale Aussage, dass diese Variante immer die bessere Wahl sei.“ Wir sind immer noch der Überzeugung, dass diese Studie eine wichtige Orientierungshilfe für Verbraucher darstellt.
Der Bund der Versicherten (BdV) hat nun im Oktober 2022 pauschal behauptet, dass Koppelprodukte stets nachteilig für Verbraucher seien. Eine Studie, die das belegen soll, weist allerdings einen fundamentalen fachlichen Fehler auf: Die Autoren unterstellen nämlich, dass bei der von ihnen favorisierten entkoppelten Produktvariante für die Rentenversicherung in 40 Jahren die Konditionen eines heute (!) 67-jährigen vorherrschen, während bei der gekoppelten Variante in 40 Jahren diejenigen Konditionen vorherrschen, die man heute unter der vorsichtigen Annahme eines Anstiegs der Lebenserwartung für das Jahr 2062 erwartet. Durch diese Inkonsistenz wird die entkoppelte Variante viel besser dargestellt, als sie tatsächlich ist. Bereits die Korrektur dieses Fehlers verändert das in der BdV-Studie vermittelte Bild völlig.
Darüber hinaus ist die vom BdV verwendete Methodik gar nicht geeignet, die Frage zu beantworten, ob die Koppelung per se sinnvoll ist oder nicht. Details können in unserer Stellungnahme zur BdV-Studie nachgelesen werden.
Unterm Strich bleibt: Koppelprodukte sind weder pauschal schlecht (wie der BdV behauptet), noch pauschal gut (was nach meinem Kenntnisstand niemand behauptet hat). Sie sind vielmehr für manche Verbraucher geeignet und für andere nicht.