Terrorversicherung: Reform nimmt Erstversicherer stärker in die Pflicht
Ein mit Sprengstoff beladenes Auto rast auf ein großes Firmengelände. Die anschließende Explosion legt die Produktion des international tätigen Zulieferers für Monate lahm und verursacht somit einen Schaden von mehreren hundert Millionen Euro. Ein solches Szenario – von Personenschäden ganz zu schweigen – wünscht sich natürlich kein Mensch. Doch wenn sich große Firmen vor solchen Anschlägen hierzulande fürchten, können sie immerhin den wirtschaftlichen Schaden über eine Versicherungspolice von sich abwälzen. Ein möglichst hoher Terrorschutz, zum Beispiel weil Kreditgeber dies vorschreiben, ist daher auch ein Faktor für die Ansiedelung beziehungsweise den Verbleib großer Konzerne in Deutschland.
Annahmegrenze verschiebt sich
Allerdings wird gerade geändert, wie sich der Terrorschutz hierzulande auf die Schultern der verschiedenen Versicherer verteilt. „Die bislang bestehende Annahmegrenze von 25 Millionen Euro pro Police wird im Jahr 2026 für das Neugeschäft auf 50 Millionen Euro erhöht“, erklärt Jörg Stapf, Vorstandsvorsitzender der Kölner Extremus Versicherungs-AG, auf procontra-Nachfrage. Das Unternehmen wurde 2002 in Folge der Anschläge des 11. Septembers 2001 gegründet. Getragen von 15 großen Versicherungsunternehmen deckt Extremus Risiken ab einer Versicherungssumme von 25 Millionen Euro ab. Geringere Summen können die Unternehmen nur bei ihren Gebäudeversicherern gegen Terror schützen.
Mehr Verantwortung für Erstversicherer
Die Verdopplung dieser Annahmegrenze zu Beginn des nächsten Jahres nimmt die Erstversicherer stärker in die Pflicht. Sie müssen dann selbst mit den höheren Terrorrisiken in ihren Büchern kalkulieren beziehungsweise passenden Rückversicherungsschutz finden. Extremus muss dann erst für Schäden leisten, die bei versicherten Risiken im Wert von 50 Millionen Euro (zuvor ab 25 Millionen Euro) entstehen. Für Bestandsverträge gelten noch bis Ende 2028 die bisherigen Summen. Die Rahmenbedingungen wurden für fünf Jahre festgeschrieben, also bis einschließlich 2029. Somit hat Extremus ab 2029 keine Risiken mehr unter 50 Millionen Euro im Bestand.
Das Kölner Unternehmen trägt auch ab 2026 weiterhin maximal 2,53 Milliarden Euro pro Jahr. Sollten die versicherten Terrorleistungen tatsächlich einmal darüber hinausgehen, springt die Bundesrepublik mit einer sogenannten Staatsgarantie von weiteren 5,98 Milliarden Euro ein. Somit stehen für die Gesamtheit aller über Extremus versicherten Terrorschäden pro Jahr unverändert maximal 8,51 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Jahreshöchstentschädigung pro Kunde bleibt weiterhin bei 1,5 Milliarden Euro bestehen.
Verhaltene Reform
Diese teilweise Neuordnung ist die Folge verschiedener Reformideen. Ende 2022 war die Staatsgarantie vom zuständigen Bundesfinanzministerium (BMF) erst sehr spät um zwei Jahre verlängert worden. Sowohl die großen Firmenkunden als auch die Versicherer sahen damals Reformpotenzial. Beispielsweise sagte GDV- Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen damals: „Es herrscht jetzt Planungssicherheit für die Verhandlung neuer Versicherungsverträge. Nun müssen Staat und Privatwirtschaft die nächsten 24 Monate nutzen, um gemeinsam eine zeitgemäße und langfristig tragfähige Terrorversicherungslösung zu entwickeln.“ Beim Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft (GVNW) wähnte man zudem die Chance auf „optionale Erweiterungen in territorialer Hinsicht und die Absicherung weiterer systemischer Risiken“.
Was die Leistungen der Terrorversicherung anbelangt, hat sich allerdings wenig verändert. Einem Betriebsunterbrechungsschaden muss weiterhin immer ein klassischer Sachschaden vorausgehen, wie beim Beispiel mit dem Sprengstoffauto. Legen hingegen Cyber-Terroristen durch Datendiebstahl und Viren Firmen oder kritische Infrastruktur ohne Sachschaden lahm, ist dies weiterhin nicht über Extremus versicherbar. „An dieser Stelle sind wir aus Risikomanagementgesichtspunkten und aus der mangelnden Einschätzung zur verlässlichen Kumulproblematik nicht in der Lage, Deckung zu gewähren“, erklärt Stapf gegenüber procontra.
Allerdings ist die Unterscheidung, ob es sich um einen terroristisch oder anderweitig motivierten Cyber-Angriff handelt, anscheinend oft eine Gratwanderung. Insofern kommen für eine weitreichende Absicherung von Firmen auch Cyber-Versicherungen vieler Anbieter in Frage, die bis auf terroristische und kriegerische Handlungen alles abdecken können. Aus der Versicherungsbranche kamen außerdem bereits Vorschläge, systemische Cyber-Risiken durch ein Auffangnetz abzusichern.
Versicherungssummen stagnieren
Zudem sind, immerhin teilweise, Leistungsausweitungen geplant. Auf procontra-Nachfrage beim BMF sagte eine Sprecherin: „Das Versicherungsangebot der Extremus Versicherungs-AG soll aus Sicht der Bundesregierung perspektivisch im Rahmen der Haushaltsgesetzgebung 2025 auf die ausschließliche Wirtschaftszone seewärts des Küstenmeeres, bis 200 Seemeilen, erweitert werden. Dadurch würde die Möglichkeit der Terrorversicherung von Off-Shore Windanlagen verbessert.“ Zu den weiteren Punkten verweist das BMF auf das Angebot privatwirtschaftlicher Cyber-Versicherungen, erhöhte Planungssicherheit für die Wirtschaft aufgrund der nun fünfjährigen Laufzeit bis Ende 2029 sowie ein vergleichbares Versicherungsangebot wie in anderen großen westlichen Industrienationen.
Auch Extremus-Chef Stapf zeigt sich mit den Jahreshöchstentschädigungen von 1,5 Milliarden Euro pro Kunde und 8,5 Milliarden Euro insgesamt zufrieden: „Dies ist eine im Markt, auch abseits der Terrorversicherung, sehr hohe Deckungssumme.“ Zudem könnten große Industriegruppen diese über die Versicherung bei anderen Marktteilnehmern weiter aufstocken.
Die Summen sind definitiv hoch. Der bislang höchste versicherte Schaden bei Extremus habe im mittleren sechsstelligen Bereich gelegen. Doch eine höhere maximale Leistung würde den Wirtschaftsstandort Deutschland in den Zahlenspielen großer Investoren sehr wahrscheinlich ein bisschen attraktiver machen. Stapfs Vorgänger, Thomas Leicht, hatte vor gut zwei Jahren gegenüber procontra betont, dass andere europäische Länder deutlich höhere Staatsgarantien bieten würden als Deutschland. Vor dem Hintergrund zuletzt sehr stark gestiegener Kosten für Material und Personal wirken gleichbleibende Summen eher zögerlich. Zudem wurde die gesamte Jahreshöchstentschädigung von Extremus Ende 2022 bereits um 500 Millionen Euro gesenkt.
Ausblick für Makler
Was die Neuordnung der Terrorversicherung für Makler von großen Gewerbe- und Industriekunden bedeutet, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen. Beispielsweise muss für Risiken zwischen 25 und 50 Millionen Euro, die bislang noch bei Extremus versichert sind, perspektivisch neuer Versicherungsschutz gesucht werden. „Mein Feedback aus dem Markt ist, dass es noch zu früh ist, hier die Auswirkungen einzuschätzen“, sagt Bernhard Gause, geschäftsführender Vorstand des Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e.V. (BDVM) auf procontra-Nachfrage. Im zweiten Quartal 2025, hofft er, werde man damit weiter sein.