Immer noch Kinder ODER Karriere?

Frauen im Vorstand: Rücktritt der Allianz-Chefin befeuert Debatte

Der Rückzug von Allianz-Leben-Vorständin Katja de la Viña hat eine neue Debatte um die Rolle von Frauen in Führungspositionen ausgelöst. Die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG) spricht gegenüber procontra von einem Armutszeugnis für die gesamte Branche. Alles zu den Hintergründen lesen Sie hier.

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14:12 Uhr | 18. Dezember | 2024
Katja de la Viña, Vorstandsvorsitzende der Allianz Lebensversicherungs-AG

Katja de la Viña, Vorstandsvorsitzende der Allianz Lebensversicherungs-AG, gibt aus privaten Gründen zum 31. Dezember 2024 ihre derzeitige Position auf.

| Quelle: Allianz

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass sich Katja de la Viña, derzeit noch Vorstandsvorsitzende der Allianz Lebensversicherung, zum 31. Dezember von ihrer derzeitigen Rolle zurückziehen und auf eine Teilzeitstelle wechseln wird. Auf dem Karrierenetzwerk LinkedIn begründete die 45-Jährige diesen Schritt damit, dass sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wolle. Ein Wunsch, der mit ihrer derzeitigen Position nicht leicht zu vereinbaren sei.

Im Internet und auch auf vielen Bürofluren großer Versicherungskonzerne hat die Entscheidung der Allianz-Vorständin eine neue Debatte um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Führungspositionen ausgelöst. Lässt sich die Rolle einer Mutter nicht mit der Rolle einer Vorstandsvorsitzenden vereinbaren? So lautet die viel diskutierte Frage.

„Armutszeugnis für die Branche"

Marco Nörenberg, Vorsitzender der Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG), bezeichnet es gegenüber procontra als „Armutszeugnis für die Allianz und die gesamte Branche, wenn hochqualifizierte Frauen exponierte Führungspositionen verlassen müssen, um sich um die Familie kümmern zu können.“

Die Allianz selbst verweist indes auf Nachfrage darauf, dass mittlerweile neun Vorstandsmitglieder der Allianz SE weiblich seien, ebenso wie 34 Prozent des Top-Managements und 43 Prozent des Managementnachwuchses. „Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer strategischen Förderung von Frauen seit vielen Jahren“, unterstreicht Allianz-Sprecherin Claudia Herrmann.

Fakt jedoch ist: Nach den Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) betrug der Anteil der Frauen in den Vorständen der 60 größten Versicherungsunternehmen im Jahr 2023 erst 18,4 Prozent. Gegenüber 2006 mit 2,5 Prozent ist das zwar eine deutliche Steigerung, trotzdem ist hier noch viel Luft nach oben.

Job-Sharing-Modell als Vorbild?

Ein Ausweg aus dem Dilemma könnten nach Ansicht von Experten Job-Sharing-Modelle bieten, bei denen sich zwei Personen eine Führungsaufgabe teilen. Die Allianz bietet das nach eigener Auskunft in Deutschland bereits an. Am weitesten fortgeschritten auf diesem Weg dürfte allerdings die Swiss Life sein, die sich Mitte dieses Jahres dazu entschieden hat, „alle Führungspositionen im Unternehmen mit der Option auf Teilzeit und im Shared-Leadership-Modell auszuschreiben.“

„Wir sind davon überzeugt, dass Teilzeitarbeit auch auf höheren Führungsebenen mit entsprechender Leistungsorientierung vereinbar ist“, betont Nelli Schieke, Leiterin Personal bei Swiss Life Deutschland, gegenüber procontra.

Weibliche Potenzialträgerinnen fördern

Und weiter: „Vor dem Hintergrund, dass Care-Arbeit nach wie vor überwiegend von Frauen geleistet wird, sehen wir in diesen Modellen eine wichtige Möglichkeit, weiblichen Potenzialträgerinnen den Zugang zu Führungspositionen zu erleichtern, ohne sie aufgrund ihrer Lebensplanung auszuschließen. Schon jetzt stellen wir fest, dass sich vor allem Frauen, die sich in der Vergangenheit nicht für eine Führungsposition in Betracht gezogen hätten, nun stärker dafür interessieren.“ Aktuell seien bei Swiss Life 34 Prozent aller Führungspositionen weiblich besetzt; für die Zukunft werde ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis auf allen Führungsebenen angestrebt.

Führungstandems im Trend

Auch Franziska Geusen, AfW-Vorständin und selbst Mutter zweier kleiner Kinder, glaubt, dass das Shared-Leadership-Modell der Swiss Life ein Vorbild für die gesamte Branche werden könnte. „Ich kenne einige Führungsduos und bei allen Herausforderungen klappt das oft sehr gut“, sagt sie zu procontra. „Nivea beispielsweise hat schon viele Führungstandems implementiert und das scheint sehr erfolgreich zu laufen. Die Vorteile liegen auf der Hand: mehr Diversität, tolle Feedbackmöglichkeiten zwischen den beiden Führungskräften, gegenseitiges Fördern und Fordern, weniger Performanceverlust im Urlaubs- und Krankheitsfall und vieles mehr. Aber auf den ersten Blick entstehen dem Unternehmen sicherlich auch höhere Kosten.“

Traditionelle Muster verändern sich zunehmend

Die Entscheidung von Katja de la Viña, sich als Vorstandsvorsitzende zurückzuziehen, hält Franziska Geusen für nachvollziehbar. „Ich bin davon überzeugt, dass es grundsätzlich eine große Herausforderung ist, als Mutter oder Vater eine solche Rolle auszuüben. Traditionell ist es noch in vielen Familien so, dass die Mutter einen großen Teil der Care-Arbeit übernimmt, doch ich erlebe in meinem Umfeld, dass sich das ändert.“