Altersvorsorge-Reform: Welche Kritikpunkte die Vermittlerverbände sehen
Der Gesetzesentwurf zur Reform der geförderten privaten Altersvorsorge liegt seit einigen Wochen vor. Während die Reaktionen überwiegend positiv ausfallen, gibt es seitens der Verbände auch einige Kritik- und Verbesserungspunkte. Bis vergangenen Freitag hatten die beteiligten Verbände nun Zeit, Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf einzureichen. Ein Überblick:
Beratungspflicht
Wenig überraschend liegt ein Hauptkritikpunkt der Vermittlerverbände auf der geplanten Möglichkeit, Altersvorsorgeprodukte auch ohne Beratung abschließen zu können. Geplant ist unter anderem ein sogenanntes Referenzdepot, bei dem lediglich zwei vom jeweiligen Anbieter festgelegte Fonds bespart werden. Entsprechende Verträge sollen nach den Plänen des Finanzministeriums online und ohne vorherige Kundenberatung abgeschlossen werden können.
Der Votum-Verband sieht in diesem Plan aber eine „gefährliche Fehlsteuerung“. Denn bei der privaten Altersvorsorge handele es sich um ein Thema, das „einer Vielzahl komplexer Fragestellungen bedarf“. Hierzu gehöre nicht nur diejenige der Risikotoleranz des Altersvorsorgesparers. Auch die Frage, ob die geförderte private Altersvorsorge der beste Weg für den Sparer sei, und nicht etwa die betriebliche Altersversorgung oder aufgrund der größeren Flexibilität die nicht geförderte private Altersvorsorge, müsse erörtert werden.
„Die Gruppe der Menschen, die solche Entscheidungen ohne Beratung treffen können, ist äußerst eingeschränkt“, ist der Votum-Verband überzeugt und fordert deshalb, den Abschluss entsprechender Altersvorsorge-Verträge mit einem Beratungsangebot zwingend zu verknüpfen.
Ins gleiche Horn stößt auch der AfW. Die Altersvorsorge sei eine langfristige Investition, betont der Vermittlerverband. Es müsse sichergestellt werden, dass diese nicht nur kurzfristig attraktiv erscheine, sondern auch langfristig den gewünschten Schutz sicherstelle. Es gelte zu verhindern, „dass sich die Verbraucher aufgrund kurzfristiger Marktschwankungen oder unsachgemäßer Einschätzungen falsch entscheiden“.
Zudem erscheine es „äußerst widersprüchlich“, dass die Politik in den vergangenen Jahren die Beratung stark reguliert habe, um deren Qualität sicherzustellen, nur um dann ein beratungsfreies Musterdepot einzuführen. „Der AfW sieht hierin eine Abkehr von den Prinzipien des Verbraucherschutzes, die über Jahre entwickelt wurden.“
Vergleichsplattform
Auch die seitens des Finanzministeriums erdachten Vergleichsplattform gibt es kritische Stimmen. Der Bundesverband der Versicherungskaufleute (BVK) stimmt zwar zu, dass hierdurch die Transparenz und Vergleichbarkeit der Vorsorgeprodukte erleichtert werde. Allerdings sollte hierbei auf den „Value für Money“ und nicht die Effektivkosten abgezielt werden. „Das günstigste Produkt muss nicht das Rentabelste für die Vorsorgenden sein“, schreibt der BVK.
Ein Kritikpunkt, der auch seitens des AfW geteilt wird. Auch hier wird befürchtet, dass der Sparer seine Investitionsentscheidung ausschließlich auf Basis der Kosten machen und sich stets für das günstigste Produkt entscheiden könnte. Der AfW spricht sich deshalb für klar definierte Kategorien auf der Vergleichsplattform aus, um die Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten deutlicher zu machen. „Es muss unterschieden werden zwischen Angeboten mit und ohne Beratung, um faire Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen und irreführende Ergebnisse zu vermeiden.“
Zulassung von Produkten
Über das Altersvorsorgedepot sollen Sparer nicht nur in Fonds oder ETF investieren dürfen, sondern auch in Einzelaktien. Laut AfW ist ein solches Investment nicht für die Altersvorsorge geeignet, da es zu risikoreich ist. Wenn überhaupt sollte die Anlage in Einzelaktien nur auf einen geringen Anteil des Portfolios begrenzt werden. Eine Kritik, die auch Votum in seiner Stellungnahme teilt.
Auch der BVK stellt ein mögliches Investment in Einzelaktien infrage und verweist in diesem Zusammenhang auf den Wirecard-Skandal. Ein solcher sollte im Rahmen der staatlich geförderten Altersvorsorge ausgeschlossen werden. Zudem seien Einzelaktien auch nicht VL-fähig, merkt der BVK an und fragt: „Warum sollen sie dann zur staatlich geförderten Altersvorsorge herangezogen werden können“?
Gleichzeitig spricht sich der AfW dafür aus, Publikums-AIF sowie ELTIF – Europäische langfristige Investmentfonds – in die geförderte private Altersvorsorge einzubeziehen. Diese Anlageformen haben aus Sicht des Verbands klare Vorteile: „Investitionen in illiquide Vermögenswerte wie Immobilien, Wind- und Solarparks oder Infrastrukturobjekte tragen dazu bei, die Volatilität zu verringern und langfristig stabile Erträge zu generieren.“ Notwendig hierfür sei, die Risikoklassen der förderfähigen Investitionsassets auf die Risikoklasse 7 zu erhöhen – bislang sind nur solche bis zur Risikoklasse 5 vorgesehen.
Einbeziehung von Selbstständigen
Auch die Erweiterung des Empfängerkreises auf Selbstständige wird seitens der Vermittlerverbände empfohlen. Eine solche plant zwar auch das Bundesfinanzministerium – allerdings erst, sobald eine allgemeine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für diese Gruppen eingeführt wird. Diese abwartende Haltung ist aus Sicht des AfW nicht nachvollziehbar. „Selbstständige benötigen zeitnah eine klare Perspektive sowie passgenaue Altersvorsorgelösungen.“
Ergänzend hierzu bemerkt der Votum-Verband an, dass es bei einer Einbeziehung von Selbstständigen in den Kreis der Zulageberechtigten „bei wechselhaften Erwerbsbiografien es insbesondere bei einem Wechsel zwischen Anstellungs- und Selbstständigkeitsverhältnis nicht zu einer Unterbrechung der Förderung und damit häufig des Altersvorsorgesparens kommt“. Da es nach Auffassung des Verbands in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu einer Rentenversicherungspflicht für Selbstständige kommen werde, sollte der Kreis der Zulageberechtigten entsprechend erweitert werden.
Darüber hinaus gibt es noch weitere kleinere Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge. Ob diese seitens der Bundesregierung berücksichtigt werden, bleibt abzuwarten. Klarheit darüber wird am 13. November herrschen: Dann wird sich das Bundeskabinett mit dem Gesetzesentwurf befassen.