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Eignet sich eine Fondsrente für die private Altersvorsorge?

Fondsrente oder Leibrente: Was ist besser für die private Altersvorsorge? Über diese Frage ist eine hitzige Debatte zwischen dem Fondsverband BVI und dem GDV entbrannt. Hier nehmen BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter und Moritz Schumann, stellvertretender GDV-Hauptgeschäftsführer, Stellung.

14:09 Uhr | 10. September | 2024
BVI-Chef Thomas Richter und Moritz Schumann, stellvertretender GDV-Hauptgeschäftsführer

Blicken unterschiedlich auf die private Altersvorsorge: BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter und Moritz Schumann, stellvertretender GDV-Hauptgeschäftsführer

| Quelle: BVI / GDV

Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) hat dieser Tage eine Studie vorgelegt, wonach Fondsauszahlpläne, also sogenannte Fondsrenten, deutlich höhere Renditechancen sowie mehr Flexibilität als lebenslang garantierte Leibrenten bieten und dabei nur unwesentlich riskanter sein sollen. So sei etwa das Risiko, dass eine Fondsrente vorzeitig aufgebraucht werde, sehr gering.

Beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) kamen diese Studien-Ergebnisse gar nicht gut an. Die Untersuchung, so der Hauptvorwurf, basiere auf zu optimistischen und zum Teil auch falschen Annahmen bezüglich der Sterblichkeit sowie des Kapitalmarktes. Die Sicherheit einer finanziellen Absicherung bis ins hohe Alter könne nur eine lebenslange Rente gewährleisten.

Welche Seite hat nun recht? Welche Argumente überzeugen eher? Für procontra beziehen BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter und Moritz Schumann, stellvertretender GDV-Hauptgeschäftsführer, Stellung.


pro: „Die Befürchtung, dass eine Fondsrente nicht bis zum Lebensende reicht, ist unbegründet"
Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI

Die beste Strategie für den Ruhestand ist die, die zur persönlichen Situation der Sparer und zu ihren individuellen Bedürfnissen passt. Dafür müssen sie die Wahl zwischen verschiedenen Lösungen haben. Das ist in der privaten Altersvorsorge derzeit nicht der Fall. Staatlich gefördert wird bislang nur die Riester-Rente. Sie ist jedoch in ein enges Korsett gezwängt: In der Ansparphase müssen die Anbieter 100 Prozent der Beiträge garantieren, in der Auszahlphase kommt zwingend eine lebenslange Rente zum Einsatz.

Beides klingt für den Sparer zunächst gut, ist aber unflexibel und teuer und führt dazu, dass die Anbieter das Kapital sehr konservativ anlegen müssen. Somit können sie das Renditepotenzial an den Kapitalmärkten nicht ausreichend nutzen. Das belastet die Rendite der Riester-Rente und schlägt damit auf ihre Verbreitung.

Zwang zur Verrentung soll fallen

Nach Jahrzehnten des Stillstands steht die private Altersvorsorge in Deutschland nun vor einer Reform. Und diese ist revolutionär: Die Pflicht zur Beitragsgarantie und der Zwang zur Verrentung sollen fallen. Damit kann den Sparern eine Alternative zur Riester-Rente angeboten werden, das sogenannte Altersvorsorgedepot, das sie mit Fonds und anderen geeigneten Anlagen befüllen können. Ohne die Anlageeinschränkungen durch Garantien können sie höhere Renditen erzielen als mit der Riester-Rente. Gerade Spar- und Auszahlpläne mit Aktienfonds sind bei langen Zeiträumen renditestark.

Die oft geäußerte Befürchtung, dass ein Fondsauszahlplan, wir nennen ihn Fondsrente, nicht bis zum Lebensende reicht, ist in der Regel unbegründet. Unsere Berechnungen zeigen, dass in rund 96 von 100 Fällen das Fondskapital bis zum Lebensende reicht. Selbst wenn es vorzeitig aufgezehrt wird, deckt die Fondsrente den größten Teil des Ruhestands ab. Nur in rund einem Prozent der Fälle ist das Kapital fünf oder mehr Jahre zu früh aufgebraucht.

Aber auch wenn das Kapital früher aufgezehrt ist, müssen die Fondsrentner keine Angst um ihre Existenz haben. Den Hauptteil der Alterseinkünfte sichert die gesetzliche Rente, einige haben zudem eine Betriebsrente. Die Fondsrente dagegen ist eine private Zusatzrente und dient allein der Lebensstandardsicherung.

Dem geringen Risiko des vorzeitigen Aufzehrens des Fondskapitals stehen beträchtliche Chancen gegenüber. Unsere Berechnung zeigt, dass bei der Fondsrente am Lebensende sogar erhebliche Beträge übrigbleiben, im Schnitt mehr als zwei Drittel des Startkapitals zum Rentenbeginn. Das bietet den Fondsrentnern Flexibilität: Sie können ihre jährlichen Auszahlungen nach guten Börsenjahren erhöhen, ohne das Kapital mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit vorzeitig aufzubrauchen. Das ist mit einer privaten Rentenversicherung nicht oder nur eingeschränkt möglich.

Aber auch künftig sollen die Sparer eine lebenslange Rente wählen können, wenn sie das möchten. Ein Zwang zur Leibrente schadet jedoch all denen, die dies nicht wollen.

contra: „Bei der Altersvorsorge geht es um Sicherheit und Verlässlichkeit"
Moritz Schumann, stellvertretender GDV-Hauptgeschäftsführer

Für die verbleibende Zeit der Legislaturperiode hat sich die Bundesregierung noch einige rentenpolitische Reformen vorgenommen. Dazu gehört auch die der geförderten privaten Altersvorsorge (pAV). Ein Gesetzentwurf dazu soll in Kürze veröffentlicht werden. Hoffentlich.  

Denn die Reform ist überfällig. Das jahrelange Gerede hat das Neugeschäft fast zum Erliegen gebracht. Etliche Verträge werden nicht mehr bespart – oder zumindest nicht in dem Umfang, wie es möglich wäre. Dieser Umstand ist angesichts der demografischen Herausforderungen nicht hinnehmbar. Eine gute, existenzsichernde Altersabsicherung ruht mehr denn je auf drei Säulen: gesetzliche, betriebliche und private Rente. 

Die von der Bundesregierung eingesetzte Fokusgruppe hat im Vorjahr Vorschläge für eine pAV-Reform gemacht, die größtenteils von der Versicherungswirtschaft mitgetragen werden: weniger komplexe Produkte, eine vereinfachte und dynamisierte Förderung und eine Kapitalgarantie von 80 Prozent, was höhere Renditen ermöglicht. All das sind richtige Maßnahmen, um der geförderten Altersvorsorge neuen Schub zu verleihen. Nur eines darf nicht angetastet werden: das Prinzip der Verrentung. 

Es braucht lebenslange Einnahmen

Als Ergänzung zur gesetzlichen Rente eingeführt, soll die geförderte private Altersvorsorge den Menschen helfen, ihre lebensnotwendigen Ausgaben zu decken. Es geht nicht um den Kauf von Luxusgütern, es geht um das Geld für die Miete, Bekleidung oder Nahrungsmittel.

Und weil diese Kosten ein Leben lang anfallen, braucht es lebenslange Einnahmen. Die pAV ist also kein Add-on zur gesetzlichen Rente, wie oft behauptet wird. Sie ist gewissermaßen das kapitalgedeckte Pendant dazu. Und für ältere Menschen ist es wichtig, dass sie sich auf ihre monatliche Rente verlassen können. Der Finanzbedarf endet ja nicht ab einem bestimmten Alter. Im Gegenteil: Die Ausgaben für die medizinische Versorgung und Pflege nehmen eher noch zu.  

Auszahlungspläne, die keine lebenslangen Leistungen garantieren, sind daher ungeeignet. Ein Auszahlplan, der auf ein Lebensalter von 85 kalkuliert ist, mag zwar für einen Teil der Bevölkerung ausreichen. Doch für viele eben nicht: Zwei Drittel (!) der heute 66-jährigen Frauen werden 85 Jahre und älter, von den gleichaltrigen Männern schafft das immerhin die Hälfte.  

Bis zu diesem Alter hat sich auch eine Rentenversicherung fast schon „ausgezahlt“. Eine heute 66-jährige Frau hätte bei Abschluss einer sofort beginnenden Leibrente, die sich jährlich um die Überschüsse erhöht – im Marktmittel sind das derzeit 2,88 Prozent –, nach knapp 21 Jahren ihr Geld wieder heraus. Und je länger sie lebt, desto mehr bekommt sie. 

Gewiss: Für diejenigen, die früher sterben, sieht die Rechnung anders aus. Doch niemand weiß, wie alt er wird und wie lange sein Geld reichen muss. Eine echte Rente nimmt den Menschen diese Unsicherheit ab, länger zu leben als das Geld reicht.  

Und darum geht es bei der Altersvorsorge: um Sicherheit und Verlässlichkeit. Ein „Fondsguthaben“ sollte nicht darüber entscheiden, wie lange es sich die Menschen noch leisten können zu leben.

Fonds- oder Leibrente: Was eignet sich besser zur privaten Altersvorsorge?