Höherer Rechnungszins: Lohnt sich die Riester-Rente jetzt wieder?
pro: „Die Riester-Rente wurde zu Unrecht in Verruf gebracht"
Thomas Heß, Marketingchef und Organisationsdirektor Partnervertrieb WWK Versicherungen
Die gesetzliche Rente reicht nicht mehr aus, um den gewohnten Lebensstandard im Alter zu halten. Die Bundesregierung musste bereits 2001 das Versorgungsniveau reduzieren. Der Staat hat aus diesem Grund im Jahr 2002 die Riester-Rente eingeführt.
Die Riester-Rente unterstützt beim Aufbau einer privaten Altersvorsorge und leistest einen Beitrag, die Einschnitte in der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen. Der Anreiz für Kunden: Riester wird staatlich gefördert.
Staatliche Förderung für Riester-Sparer
Der Staat fördert die Riester-Rente, indem er die Einzahlungen des Kunden durch Zulagen aufstockt. Die Zulagen setzen sich aus einer Grund- und einer Kinderzulage zusammen: Die jährliche Grundzulage beträgt 175 Euro pro Person. Die Kinderzulage beträgt 300 Euro pro Kind (für vor dem 1.1.2008 geborene Kinder 185 Euro). Darüber hinaus kann die Riester-Rente auch Vorteile bei der Einkommensteuer bringen.
Wie stark man von den Vorteilen profitieren kann, hängt von der beruflichen Situation, dem Einkommen und der Anzahl der Kinder ab. Wegen der personenbezogenen Förderung ist Riester für Geringverdiener und Familien mit Kindern besonders sinnvoll. Gleichzeitig wirkt sich der Sonderausgabenabzug steuerlich bei Besserverdienenden positiv aus.
Riester-Rente ist eine verlässliche Altersvorsorge
Die Anbieter müssen sich an staatliche Vorgaben halten: Riester-Verträge garantieren, dass zu Beginn der Auszahlungsphase mindestens die eingezahlten Beiträge plus die staatlichen Zulagen zur Verfügung stehen. Für die Kunden ist das sinnvoll: Das Vorsorgekapital ist vor Verlusten geschützt. Eine obligatorische Leibrente sichert dem Kunden eine lebenslange Zahlung. Sie schütz gleichzeitig die Sozialkassen, da die Leibrente die Gefahr mindert, dass der Empfänger einer Riester-Rente im hohen Alter Sozialhilfe beanspruchen muss.
Moderne Riester-Renten rentabel für Sparer
Medien und Politik haben die Riester-Rente in den vergangenen Jahren zu Unrecht in Verruf gebracht. Betrachtet man die für den Kunden entscheidende Förderrendite, kann ein Riester-Vertrag äußerst attraktiv sein – auch nach Abzug aller Kosten. Dies gilt insbesondere für intelligente Produktkonzepte die über die staatlichen Förderungen hinaus hohe Investitionsquoten in Aktienfonds ermöglichen.
Zuweilen wird die Riester-Rente angesichts von „nur“ 15 Millionen Verträgen in Presse und Politik als „Flop“ abgeurteilt. Zu Unrecht: Berücksichtigt man, dass unter anderem Kinder, Senioren und Selbständige gar nicht förderfähig sind, ist der Verbreitungsgrad dieser Vorsorgeform beachtlich. Kunden und Vermittler wissen die Vorzüge also zu schätzen.
Riester ist wieder so attraktiv wie früher
Bei der Riester-Rente der WWK zum Beispiel basiert der Garantiemechanismus auf einem sogenannten iCPPI-Modell. Durch die börsentägliche Allokation jedes einzelnen Kundenvertrags zwischen Sicherungsvermögen und frei wählbaren Aktienfonds haben Sparer in der Ansparphase sehr hohe Renditechancen. Dabei können bis zu 100 Prozent der Sparbeiträge in Aktien fließen.
Positiv wirkt die Entscheidung der Bundesregierung, den Höchstrechnungszins ab dem 1. Januar 2025 auf 1,0 Prozent anzuheben: Für Kunden steigen damit die garantierten Renten – ein weiteres Verkaufsargument. Die Anbieter können die obligatorische Garantie der gezahlten Beiträge und Zulagen kalkulatorisch wieder darstellen. Riester ist damit auch aus Sicht der Vermittler wieder so attraktiv wie früher – und ebenso attraktiv wie andere Vorsorgeschichten.
contra: „Die Anhebung des Höchstrechnungszinses ändert nichts an der Unvorteilhaftigkeit von Riesterverträgen“
Prof. Dr. Hartmut Walz, HWG Ludwigshafen, Fachbuchautor und Verbraucherschützer
Bei Vermögensaufbau und Altersvorsorge gibt es manche schwierige Fragestellung. Die vorliegende ist jedoch sehr einfach und eindeutig. Auch nach Anhebung des Höchstrechnungszinses auf ein Prozent p. a. – das ist gerade mal die Hälfte des von der EZB gesetzten Inflationsziels von jährlich zwei Prozent – bleiben Riesterverträge aus Verbrauchersicht unvorteilhaft. Dieses vernichtende Urteil ergibt sich zumindest, wenn man Wunder sowie extreme Fälle wie alleinerziehende Arbeitslose mit mehreren Kindern ausschließt.
Die mit großem Werbeaufwand insbesondere von Versicherern angekündigte Wiederaufnahme von Riesterverträgen in ihr Sortiment zeigt nämlich lediglich eines: Mit dem höheren Rechnungszins wird die Erfüllung der Beitragsgarantie von Riesterverträgen für viele Versicherer wieder darstellbar. Leider gilt diese Beitragsgarantie nur nominell, das heißt, lässt den beträchtlichen Kaufkraftverlust durch Inflation außen vor.
Hohe Kosten und niedrige Rendite
Mit anderen Worten: Für die Anbieter lohnt sich das Produkt „Riester“ wieder – nicht jedoch für die Verbraucher. Beispielsweise belegen mehrere Studien der Bürgerbewegung Finanzwende (zuletzt aus dem Jahr 2024), dass Riesterverträge schon allein aufgrund hoher Kosten (im Durchschnitt 24 Prozent der Beiträge) und niedriger Rendite ineffizient sind. Die BaFin fordert in jüngerer Vergangenheit einen „… angemessenen Kundennutzen der vertriebenen Produkte“. Sie stellt als Mindestanforderung für das Vorliegen von Kundennutzen mit einer Rendite von nur 2 Prozent p. a. lediglich den Wert, der dem Inflationsziel der EZB entspricht.
Bereits in der Ansparphase scheitern viele Policen an dieser Hürde. Da Riesterverträge jedoch eine Zwangsverrentung von mindestens 70 Prozent des zum Rentenbeginn angesparten Kapitals vorsehen, müssen für eine sachgerechte Bewertung auch die Kosten und weiteren Nachteile der Rentenphase einbezogen werden. Und hier lauern zusätzlich – für Verbraucher kaum erkennbare – Nachteile. Insbesondere die für die Höhe der monatlichen Altersbezüge relevanten Rentenfaktoren sind homöopathisch.
Hohe Sterblichkeitsgewinne für die Versicherer
Versicherte müssten bei vielen Policen 100 Jahre alt oder älter werden, um überhaupt das zu Rentenbeginn angesparte Kapital zurück zu erhalten – ohne jegliche Rendite oder einen Inflationsausgleich. Bei einer angenommenen Inflationsrate von nur 2 Prozent errechnen sich notwendige Endalter-Werte von über 120 Jahren. Da auch Riestersparer im Durchschnitt nicht so alt werden, kommt es zu hohen Sterblichkeitsgewinnen – für die Versicherer.
Die extrem unvorteilhafte Zwangsverrentung führt zu einem geradezu absurd wirkenden, aber wirtschaftlich korrekten Rat versicherungsunabhängiger Experten. Sie empfehlen in vielen Fällen sogar dem kleinen Teil derjenigen Riestersparer, die überhaupt brav bis direkt vor Renteneintritt durchgehalten haben, zur Vertragskündigung auf der Ziellinie. Und das, obwohl sie alle angefallenen Kosten endgültig verlieren und erhaltene Förderungen und/oder Steuervorteile zurückzahlen müssen.
Ineffizienter staatlicher Förderungsweg
Von Versicherern und Finanzvertrieben wird regelmäßig das Argument angeführt, dass Riesterverträge für bestimmte Zielgruppen – insbesondere besonders einkommensschwache mit mehreren bis vielen förderungsfähigen Kindern – trotz der genannten Nachteile vorteilhaft seien. So errechnet ein Versicherungsvermittler öffentlichkeitswirksam eine sichere Rendite von 1.792 Prozent für eine Hartz-IV-Empfängerin mit drei Kindern auf ihre Mindesteigenleistung von 60 Euro vor. Auch wenn sich diese durch die Geburt weiterer Kinder noch beträchtlich steigern ließe, sollten wir uns fragen, ob solche Extrembeispiele eine Legitimation für einen ineffizienten staatlichen Förderungsweg darstellen, der zudem noch beträchtliche Bürokratiekosten mit sich bringt.
Immerhin haben sich zwischenzeitlich auch namhafte Versicherer bereits klar gegen ein Riester-Comeback ausgesprochen. Denn so ähnlich wie bei einem Kletterseil ist es auch mit Altersvorsorgeverträgen. Ein schlechtes Produkt, dem man zu Unrecht vertraut, kann schlimmer sein als der Verzicht auf dieses Produkt. Dies vor allem angesichts der heute bestehenden leistungsfähigen, kostenarmen und transparenteren Alternativen zum Aufbau eines Vorsorgevermögens für das Alter.
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