Ideen zur Riester-Reform

„Eine reine Zulagenförderung wäre eine echte Sofortrendite“

Der Riester-Reformvorschlag liegt seit dem Ampel-Aus auf Eis. Matthias Wolf, Professor für Altersvorsorge und Lebensversicherung an der TH Köln, ist teilweise „froh“ darüber, denn eines der größten Probleme sei weiterhin nicht gelöst: die grundsätzliche Fördersystematik.

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10:01 Uhr | 06. Januar | 2025
Matthias Wolf, Professor für Altersvorsorge und Lebensversicherung an der TH Köln

Matthias Wolf, Professor für Altersvorsorge und Lebensversicherung an der TH Köln

| Quelle: TH Köln_Prof. Matthias Wolf

procontra: Sie sagten kürzlich auf einer Veranstaltung, dass die Reformideen zur geförderten privaten Altersvorsorge der Ampel-Regierung nicht wirklich etwas verbessert hätten. Wie hoffnungsvoll sind Sie, dass die zweite Reformchance nach der Neuwahl besser genutzt wird?

Matthias Wolf: Bei aller Kritik – grundsätzlich enthielt der Reformvorschlag auch viele gute und richtige Punkte. Insbesondere, dass zukünftig deutlich höhere Beiträge gefördert werden sollten. Das war längst überfällig, da seit Einführung der Riesterrente der Maximalbeitrag bei 2.100 Euro liegt und es keinerlei inflationstechnische Anpassungen gab. Hier waren 3.000 Euro bzw. ab 2030 dann 3.500 Euro als neue Maximalbeiträge vorgesehen. Ebenso ist der Vorschlag, den Mindestbeitrag abzuschaffen, um eine Förderung zu erhalten, eine richtige Maßnahme.

procontra: Warum?

Wolf: Weil es unnötige Bürokratie abbauen würde. Bislang müssen jährlich mindestens 4 Prozent vom Bruttolohn eingezahlt werden, um die volle Förderung zu erhalten. Das heißt, bei jeder Lohnänderung muss dieser Mindestbeitrag neu berechnet und angepasst werden. Das verursacht Aufwand und treibt die Kosten von Riesterverträgen. Zudem verpassten viele Versicherte diese Beitragsanpassung, sodass sie die volle Förderung dann gar nicht mehr erhalten haben. Der Vorschlag der beitragsproportionalen Förderung hätte diese Hürde auf jeden Fall abgebaut.

procontra: Finden Sie die beitragsproportionale Förderung fair, insbesondere für Geringverdiener?

Wolf: Ja, allerdings nur in Kombination der absoluten Förderung von 175 Euro für Einkommen bis 26.250 Euro, die ja ebenfalls vorgeschlagen wurde.

procontra: Und für Familien? Der Vorschlag sah vor, pro Kind nicht mehr pauschal 300 Euro, sondern ebenfalls beitragsproportional maximal 300 Euro zu fördern. Das verschlechtert die Kinderförderung, stellt sie im besten Fall gleich.

Wolf: Dafür wäre aber eine deutlich höhere Grundzulage möglich. Die lag früher pauschal bei 175 Euro und könnte jetzt bis auf 600 Euro steigen. Insgesamt werden also mehr Anreize gesetzt, um mehr für die Altersvorsorge zu tun.

 

 

Riester alt

Reformvorschlag Ampel

Jahresbruttoeinkommen

26.250 Euro

26.250 Euro

Beitrag

1.050 Euro (4%)

1.050 Euro (4%)

Grundzulage

175 Euro (pauschal)

210 Euro (20 % vom Beitrag)

Geringverdienerbonus

---

175 Euro (für Einkommen bis 26.250 Euro)

Kinderförderung (1 Kind, nach 2008 geboren)

300 Euro (pauschal)

262,50 Euro (25 % vom Beitrag)

Fördersumme

475 Euro

647,50 Euro

* Musterkunde: kinderlos, 30 Jahre bei Riesterabschluss, Jahresbruttogehalt 40.000 Euro mit 2 Prozent Steigerung bis Rentenbeginn. 48 Prozent gesetzliches Rentenniveau

procontra: Sie sind ja doch voll des Lobes. Brauchen wir doch keine zweite Chance?

Wolf: Doch. Denn ein dringender Punkt, der auch in der Außenwahrnehmung oft falsch angenommen wird, wurde nicht angepackt: das Zusammenspiel zwischen Zulagen und Steuervorteil. Es gibt durch die Günstigerprüfung nämlich nur eines von beiden, entweder die Zulagen oder den Steuervorteil. Das ist nicht ausreichend bekannt und ich lese sogar oft in Vermittlerbroschüren und auf öffentlichen Seiten, dass ein Riestervertrag beides zusammen ermöglicht. Und das ist schlichtweg falsch.

procontra: Und was ist nun besser?

Wolf: Der Steuervorteil definiert sich dadurch, dass die Beiträge bis zum Höchstsatz als Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden können. Im Gegenzug wird aber die Riesterrente später nachgelagert voll besteuert. Und auch wenn die Günstigerprüfung ergibt, dass der Sparer mit den Zulagen besser fährt, erfolgt die volle Besteuerung der späteren Riesterrente.

procontra: Mit einem meist geringeren Steuersatz als Rentner…

Wolf: Richtig, das wird auch immer als Argument angeführt. Doch das Ziel ist ja, die Einkommenslücke im Alter durch Vorsorge möglichst gering zu gestalten. Wem das gelingt, dessen Vorteil ist durch eine nachgelagerte Besteuerung dann gar nicht so hoch. Wir haben das mal an einem Musterkunden* durchgerechnet. Dessen Nettorenditeplus durch die Förderung nach dem alten Riestersystem lag bei Renteneintritt gerade einmal bei 0,4 Prozent, mit den neuen Vorschlägen aus dem Entwurf wären es 0,55 Prozent. Beide Varianten bringen also deutlich weniger als viele Sparer annehmen, wenn sie hören, dass Steuervorteile winken und eine Grundzulage von 175 Euro on top kommt. Beides sind keine Geschenke des Staates, sondern Kompensation für die spätere, volle Besteuerung.

Ich lese oft in Vermittlerbroschüren und auf öffentlichen Seiten, dass ein Riestervertrag Zulagen und Steuervorteil zusammen ermöglicht. Und das ist schlichtweg falsch.
Prof. Matthias Wolf

procontra: Und was ist nun Ihr Vorschlag?

Wolf: Alle fordern immer von den Versicherern und ihren Produkten einen höheren Kundennutzen und mehr Transparenz. Da ist sicherlich auch noch Potenzial vorhanden. Diese Forderungen sind bei der Fördersystematik aber genauso angebracht. Daher wäre eine Möglichkeit, die steuerliche Behandlung komplett rauszunehmen und auf eine reine Zulagenförderung zu setzen. Das heißt, man finanziert die Beiträge aus dem Netto-Einkommen, der Staat gibt beitragsproportional etwas dazu, ohne sich diese Zulage später über eine zusätzliche Rentenbesteuerung zurückzuholen oder die Beiträge als Sonderausgaben zu fördern. Das wäre eine echte Sofortrendite.

procontra: Die den Staat deutlich teurer käme als das jetzige System.

Wolf: Wir reden dann auch über andere Zulagenhöhen, klar. Und diese zu kommunizieren wäre sicherlich herausfordernd. Doch im Ergebnis für den Kunden müsste sich nichts ändern. Die Förderung wäre zwar geringer, sie wäre aber auch ein wirklicher Zuschuss, von dem sich der Staat später nicht über eine volle Besteuerung der Rente den Großteil sowieso zurückholt. Es geht um Transparenz, Fairness und Verständlichkeit – also alles Faktoren, die dazu beitragen, dass mehr Menschen privat vorsorgen.

procontra: Welche Chancen sehen Sie, dass Ihre Idee im nächsten Reformentwurf steht?

Wolf: Bislang wurde die grundsätzliche Fördersystematik von keiner Koalition hinterfragt. Daher müsste man solche Ideen schon vorher in den Beratungskreisen, wie der Fokusgruppe zur Altersvorsorge, diskutieren. Dann hätten sie auch eine gute Chance, im Entwurf zu landen.

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