Vertriebsansatz

So macht die bAV auch für Teilzeitkräfte Sinn

Warum mehr betriebliche Altersversorgung gerade für Teilzeitkräfte wichtig wäre und wie die Beratung dazu gelingen kann, erzählt Ute Thoma, Leiterin Betriebliche Vorsorge Vertrieb bei der Bayerischen, im procontra-Interview.

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13:12 Uhr | 11. Dezember | 2024
Ute Thoma

Ute Thoma, Leiterin Betriebliche Vorsorge Vertrieb bei der Bayerischen.

| Quelle: die Bayerische

procontra: Ein Viertel der deutschen Erwerbstätigen arbeitet höchstens 30 Stunden. Circa 79 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten in Deutschland sind Frauen. Die Durchdringung der bAV liegt allgemein – auch schon gering – bei unter 50 Prozent. Wie sieht es Ihrer Erfahrung nach bei Teilzeit-Beschäftigten aus?

Ute Thoma: Zur Durchdringung der bAV in der Teilzeit gibt es leider keine allgemeingültigen Zahlen. Auch der GDV erhebt keine Zahlen dazu, wie viele aktive bAV-Verträge wir bei Frauen und Männern haben. Denn meist sind es ja die Frauen, die in Teilzeit arbeiten.

procontra: Können Sie die Durchdringungen aus den Zahlen bei der Bayerischen ableiten?

Thoma: Wahrscheinlich sind unsere Zahlen nicht ganz repräsentativ, da wir tatsächlich mehr aktive Verträge von Frauen im Bestand haben als von Männern. Und das, obwohl nur 70 Prozent der Frauen arbeiten – gegenüber 95 Prozent der Männer.

procontra: Wie kommt es, dass bei Ihnen so viele Frauen in der bAV sind?

Thoma: Es gibt tatsächlich tolle Fördermöglichkeiten durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz, wie den Paragrafen 100 EstG. Damit wurde ein gezielter Anreiz geschaffen, auch geringfügig Beschäftigten mit einem Monatseinkommen bis zu 2.575 Euro – auch in Teilzeit –  eine bAV anbieten zu können. Genau darauf haben wir uns konzentriert. Der Arbeitgeber kann so für seine Mitarbeiter zum Beispiel 80 Euro im Monat einzahlen. Von diesem Betrag erhält er 30 Prozent, also maximal 288 Euro im Kalenderjahr, als echten Zuschuss. Den Förderbetrag entnimmt der Arbeitgeber von der einzubehaltenden Lohnsteuer im Rahmen der Lohnsteueranmeldung. Wir hatten auch gehofft, dass diese Werte durch die Neuauflage des Betriebsrentenstärkungsgesetzes noch besser werden. Dem ist leider der Bruch der Ampel-Regierung zuvorgekommen. 

Im Bereich des Paragrafen 100 EStG haben wir eigens dafür gestaltete Verträge mit ungezillmerten Tarifen.
Ute Thoma

procontra: Was hatten Sie sich denn von dem Gesetz erhofft?

Thoma: Bereits vorgesehen war ja beispielsweise ein Opt-out in Tarifverträgen. Das hätten wir uns natürlich auch für nicht tariflich gebundene Arbeitsverhältnisse gewünscht. Gerade bei der bAV in Teilzeit wäre Opt-out so wichtig.

procontra: Wieso gerade da? Weil Frauen sich schlechter um ihre Finanzen kümmern?

Thoma: 50 Prozent der Arbeitgeber sind schon mal nicht tarifvertraglich gebunden. Und ich würde das nicht nur auf Frauen beziehen. Generell beobachte ich, dass nicht mehr so gerne Entscheidungen getroffen werden beziehungsweise sich die Menschen aufgrund der Informationsflut schwer damit tun. Geht aber sofort ein gewisser Betrag im Monat für eine bAV vom Gehalt ab, wird das nicht als eine so große Einschränkung empfunden. Was aber schon bei Frauen öfter vorkommt: dass der Hauptverdiener, der Ehemann, erst zurate gezogen wird und es dann plötzlich heißt, er kümmert sich – obwohl das unter Umständen gar nicht der Fall ist. Wir haben gute Erfahrungen mit dem Opt-out-Modell gemacht.

procontra: Welche Kräfte wirken denn besonders gegen die flächendeckende Einführung von Opt-out?

Thoma: Meiner Erfahrung nach geht es in den großen Tarifverhandlungen oftmals vor allem um mehr Netto am Monatsende. Da können große Erfolge vorgezeigt werden. Weniger Aufmerksamkeit wird darauf gelenkt, was passiert, wenn die Arbeitnehmer in Rente gehen. Wenn man aber den Arbeitnehmern und Arbeitgebern zeigt, dass die Durchschnittsrente bei 1300 Euro brutto liegt, ist die Überraschung meistens groß.

procontra: Inzwischen gibt es mehr und mehr Unternehmen, die diese stille Reserve der in Teilzeit arbeitenden (meist) Frauen erkennen und versuchen, ihnen etwas zu bieten. Trotzdem lassen viele Makler noch die Finger von dem Thema. Woran liegt das?

Thoma: Das ist zum Teil auch verständlich. Hier müssen sich auch die Anbieter auf die Makler zubewegen. Im Bereich des Paragrafen 100 EStG haben wir eigens dafür gestaltete Verträge mit ungezillmerten Tarifen, weil das eine Voraussetzung dafür ist. Der Vorsorgevertrag startet also nicht mit geringem oder sogar mit negativem Deckungskapital –  und zwar in allen Produktbereichen, ob jetzt klassisch, fondsgebunden oder nachhaltig. Bei einem ungezillmerten Tarif erfolgt die Provision nur ratierlich. Der Makler erhält seine Provision also über die gesamte Laufzeit verteilt. Deshalb wirken wir bei der Bayerischen dem entgegen, indem wir ein Factoring anbieten. Wir nehmen also die kumulierte Provision, diskontieren sie und zahlen dann gleich zu Beginn einen größeren Betrag als Provision aus. Damit berücksichtigen wir auch die betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten eines Maklerbüros.

Es ist kein feministisches Thema, aber es muss dennoch ein Umdenken in der Branche stattfinden.
Ute Thoma

procontra: Dennoch steht da erstmal – zumindest bei den meisten Teilzeitverträgen – ein deutlich geringeres Einkommen als in Vollzeit. Kein Wunder, dass Makler da nicht so viel Potenzial sehen, oder?

Thoma: Wenn man sich im Vertrieb wirklich mit dem Thema beschäftigt, sollte eigentlich jeder zu einem ganz anderen Ergebnis kommen. Die in Teilzeit arbeitende Frau hat ja häufig Steuerklasse 5 und der Ehemann 3, wodurch mehr Nettoeinkommen generiert wird. Und dann kommen noch die Kinderfreibeträge hinzu, die oft beim Mann stehen, aber ja eigentlich beiden zustehen. Von diesem Anteil bekommt die Frau meist gar nichts. Durch die Steuerklasse 5 und den Paragraf 100 EStG wird die bAV eben gerade für die niedrigen Einkommen in der Teilzeit attraktiv.

procontra: Das Gender-Pension-Gap, das durch die bAV ja weiter geschlossen werden kann, wird oft eher als feministisches und nicht als ein Vertriebsthema wahrgenommen? Ist da etwas Wahres dran?

Thoma: Es ist kein feministisches Thema, aber es muss dennoch ein Umdenken in der Branche stattfinden. Ein Beispiel: Wenn eine Frau in Elternzeit geht oder auch danach in Teilzeit arbeitet, ist es quasi ein Reflex in der Branche ihre bAV-Verträge beitragsfrei zu stellen. Die bAV speist sich aus dem Einkommen und wenn die Frau kein Einkommen mehr hat, wird sie beitragsfrei gestellt –  das war lange die Logik dahinter. Das Nettoeinkommen bei Teilzeit reicht aber in den allermeisten Fällen nicht aus, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das heißt: Man dürfte sich nicht am Nettoeinkommen orientieren, sondern am Bedarf und am Familieneinkommen. Drei Jahre Beitragsfreistellung hört sich vielleicht nach nicht viel an. Aber wenn die Frau dann in etwa 37 Jahren in Rente geht, fehlen durch den Zinseszinseffekt 40 bis 50.000 Euro. Das hat nichts mit Feminismus zu tun. Da geht es um gute Beratung.