Tobias Bierl im Interview

BU und Psyche: Lieber abwarten oder mit Ausschlussklausel abschließen?

Trotz psychischer Erkrankung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen ist quasi unmöglich. Wie sich der Markt nun verändert und zu was er rät, erläutert Makler Tobias Bierl im procontra-Interview.

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13:09 Uhr | 24. September | 2024
Tobias Bierl

Trotz psychischer Erkrankung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen ist quasi unmöglich. Wie sich der Markt nun verändert und zu was er rät, erläutert der auf Arbeitskraftabsicherung spezialisierte Makler Tobias Bierl von der Finanzberatung Bierl im procontra-Interview.

| Quelle: Finanzberatung Bierl

procontra: Trotz psychischer Erkrankung beziehungsweise therapeutischer Behandlung BU-Schutz zu erhalten ist ja relativ schwer. Nun hat die Alte Leipziger, BU-Liebling der Makler, eine Ausschlussklausel für psychische Erkrankungen eingeführt. Sprich: Erstmal für alles übrige BU-Schutz erhalten und die Psyche bei späterer Genesung gegebenenfalls noch mitversichern. Kann das zum Gamechanger für den ganzen Markt werden?

Tobias Bierl: Wir bekommen sehr viele Anfragen von Interessenten mit psychischen Erkrankungen. Ab und zu bekommen wir die normale Annahme noch hin, etwa wenn die Beschwerde einmalig und anlassbezogen war. Das ist zum Beispiel bei einem Todesfall in der Familie und folgender Krankschreibung für fünf Tage so. Sehr häufig lässt sich die Ausschlussklausel nicht vermeiden. Aber es gibt seit Jahren genügend Versicherer, welche den BU-Schutz nicht zurückstellen – wie bisher die Alte Leipziger – sondern mit der Ausschlussklausel psychische Erkrankungen zeichnen, teilweise auch mit Überprüfungsoption. Ein Gamechanger ist das somit nicht.

procontra: Also gehen die BU-Versicherer mit solchen ‚Neuheiten‘ lediglich auf Kundenfang?

Bierl: Auf Kundenfang dürfte die Alte Leipziger damit nicht gehen, da der Großteil ihres Geschäfts über Makler und freie Vermittler kommt und somit viele Endkunden von dieser ‚Neuheit‘ gar nichts mitbekommen dürften. Aber sicherlich möchten Versicherer mit solchen Erweiterungen im Maklermarkt beim Thema psychische Erkrankungen stärker wahrgenommen werden und eine breitere Zielgruppe mit der wichtigen Arbeitskraftabsicherung erreichen. Bisher brauchten wir die Alte Leipziger in solchen Fällen, salopp gesagt, gar nicht erst anfragen, aber nun werden wir sie mit ins Boot nehmen.

Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch die Bayerische. Diese hat sich bezüglich der Versicherbarkeit von psychischen Erkrankungen jüngst auch wirklich verbessert, was die Annahme und die individuelle Einschätzung betrifft.

procontra: Sind solche Klauseln ein reiner Vorteil für BU-Interessenten mit psychischen Erkrankungen? Oder ist es auch ein wenig Augenwischerei, weil sie dann eine BU haben und die Mitversicherung der Psyche zu einem späteren Zeitpunkt eh nicht mehr klappt?

Bierl: Wir erleben es häufiger, dass Interessenten komplett auf den BU-Abschluss verzichten wollen, bis ihre psychische Erkrankung aus dem Abfragezeitraum fällt. Sie wollen dann lieber eine ‚komplette‘ BU abschließen. Das ist leider sehr kurzfristig gedacht, weil dieses ‚Abwarten‘ häufig nicht klappt, da weitere Arztbesuche oder Erkrankungen dazukommen. Lässt man die Arztbesuche aus, können sich die psychischen Beschwerden weiterziehen und somit bei vielen Gesellschaften anzeigepflichtig werden.

Außerdem kann man aus vielen Gründen berufsunfähig werden. Wer plötzlich die Diagnose Multiple Sklerose oder Krebs erhält, würde sich freuen, eine BU mit Ausschlussklausel Psyche zu besitzen. Deshalb raten wir zum Abschluss mit Ausschluss Psyche und im Idealfall eingebauter Prüfoption, über die man nach einigen Jahren psychische Erkrankungen noch nachträglich mitversichern kann.

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