Komplizierte BU: Warum immer mehr Versicherte ihre Anträge abbrechen
Ein Detail in den regelmäßigen BU-Ratings des unabhängigen Analysehauses Morgen & Morgen lässt aufhorchen: Aktuell werden knapp 40 Prozent der abgelehnten Anträge auf Berufsunfähigkeit (BU) nicht stattgegeben, weil der oder die Versicherte sich nicht mehr meldet. Eine Tendenz, die in den vergangenen Jahren sogar zugenommen hat, und Fachleute besorgt.
Denn an eine spontane Gesundung glaubt man bei Morgen & Morgen als Erklärung für diese hohe Prozentzahl nicht, eher an eine Überforderung in der Leistungsbeantragung.
„Die Beantragung eines BU-Leistungsfalls ist eine komplexe Angelegenheit“, so Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik & Rating bei Morgen & Morgen, zu procontra. „Der Versicherte ist in der Regel weder medizinisch noch juristisch ,vom Fach‘ und kann ohne Unterstützung gewisse Sachverhalte nicht korrekt einschätzen. Zusätzlich ist es mit viel zeitlichem Aufwand verbunden, die erforderlichen Informationen wie zum Beispiel Arztberichte zusammenzutragen, und dies muss in einer Zeit erfolgen, in der der Versicherte gesundheitlich angeschlagen ist und es ihm unter Umständen schwerfällt, dies zu stemmen.“
Versicherte scheuen die Konfrontation
Ganz ähnlich beurteilt Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht, die hohe „Abbruchrate“ bei der Beantragung einer BU-Rente. Gerade psychisch erkrankten Menschen falle es oft nicht leicht, sich mit „derart aufwendigen Verfahren“ zu beschäftigen, meint er. „Sie scheuen eher die Konfrontation, insbesondere mit einer großen Versicherung. Hinzu kommt der Umstand, dass die Hürden, Leistungen aus einer BU-Versicherung zu erhalten – auch rechtlich – äußerst hoch sind.“ Belastend für die Versicherten seien auch die ständigen Rückfragen des Versicherers während des Leistungsprüfungsverfahrens sowie die häufige Notwendigkeit einer medizinischen Begutachtung.
Versicherungsmakler und BU-Spezialist Matthias Helberg sieht an dieser Stelle die Versicherer in der Pflicht. Sie sollten Makler gezielt schulen, damit diese ihre Kunden im Leistungsfall besser unterstützen könnten, fordert er. Es könne nicht sein, dass 40 Prozent der BU-Antragsteller die Kommunikation mit ihrem Anbieter einstellten. „Da ist was nicht in Ordnung.“
Forderung nach unabhängiger Leistungsberatung
Bei Morgen & Morgen wünscht man sich außerdem, dass die Versicherer im Fall eines Leistungsantrags die Kosten für eine unabhängige Leistungsberatung für ihre Kunden übernehmen würden. Eine entsprechende Leistungsfrage wurde deshalb auch in das BU-Rating übernommen. Noch gibt es aber nur rund fünf Anbieter, die einen solchen unabhängigen Service anbieten.
Man wolle keine unnötige Komplexität in die ohnehin schon umfangreiche Berufsunfähigkeitsabsicherung bringen, heißt es hierzu bei Morgen & Morgen. Das Ziel sei es vielmehr, die Antragstellung auf BU-Leistung für alle Parteien zu optimieren, unberechtigte Ansprüche von vornherein auszusortieren und berechtigte Ansprüche von Anfang an in die richtigen Bahnen zu lenken. Der Prozess der Leistungsbeantragung werde damit für beide Seiten effizienter.
Der GDV kommt in seinen Analysen zu den BU-Ablehnungsgründen übrigens zu einer weit niedrigeren Abbruchquote durch die Versicherten als Morgen & Morgen – das dürfte aber vor allem an einer anderen Zählweise liegen.