Entscheidung des OLG München

Neues BU-Urteil: Anerkenntnis darf nicht rückwirkend befristet werden

Das Oberlandesgericht München hat in einem Urteil die Rechte von BU-Versicherten gestärkt. Demnach dürfen Anbieter ein Anerkenntnis der Leistungspflicht nicht rückwirkend befristen. Zudem müssen sie strenge Voraussetzungen erfüllen, um ihre Leistungen einzustellen.

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11:12 Uhr | 16. Dezember | 2024
Richter mit Gesetzesammlung

Das OLG München hat jetzt in einem Urteil die Rechte von BU-Versicherten gestärkt.

| Quelle: Karl-Hendrik Tittel

Was bedeutet ein befristetes Anerkenntnis bei Berufsunfähigkeit (BU) eigentlich genau? Welche Rechte haben Versicherte und wann darf der Versicherer Leistungen zur Berufsunfähigkeit wieder einstellen? Diese Fragen waren jetzt Gegenstand eines Urteils des Oberlandesgerichts München (25 U 7500/22 e), über das das Portal Anwalt.de berichtet.

In dem konkreten Fall ging es um einen Versicherungsnehmer, der an einem Burnout-Syndrom von der Stärke einer leicht- bis mittelgradigen Depression erkrankt war und deshalb Ansprüche auf Berufsunfähigkeit aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung geltend gemacht hatte. „Die Versicherung verhielt sich zunächst zögerlich, bis sie im Januar 2016 ein Anerkenntnis aussprach“, berichtet der auf Versicherungsrecht spezialisierte Hamburger Rechtsanwalt Jan-Martin Weßels.

Die Entscheidung des Versicherers habe allerdings zwei besondere Merkmale enthalten. „Sie befristete“, so Weßels, „das Anerkenntnis der Leistungen rückwirkend für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015 und erklärte gleichzeitig, dass ab Juli 2015 keine Berufsunfähigkeit mehr vorliege.“ Dagegen klagte der Versicherte. Nach einer Niederlage vor dem Landgericht hatte er vor dem Oberlandesgericht München teilweise Erfolg.

Die zentralen Entscheidungen des Gerichts

Zur Frage der rückwirkenden Befristung.

Hierzu stellte das Gericht klar, dass eine Versicherung ihr Anerkenntnis der Leistungspflicht für eine Berufsunfähigkeit nicht rückwirkend für einen bereits abgeschlossenen Zeitraum befristen kann. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Befristungsregelung in § 173 VVG. Eine Befristung solle bei unsicherer Sachlage einen schnellen Leistungsbeginn ermöglichen. Für die Vergangenheit bestehe diese Unsicherheit nicht mehr. 

Wann darf die Versicherung ihre Leistungen einstellen?

Laut OLG München sind die Hürden in dieser Frage bewusst hoch angesetzt. Im Zentrum stehe dabei die Pflicht der Versicherung, eine wesentliche und dauerhafte Verbesserung des Gesundheitszustands nachzuweisen. Dabei reiche es nicht aus, dass der Versicherte sich zeitweise besser fühle oder einzelne Symptome nachließen.

Die Versicherung müsse vielmehr konkret darlegen, wie sich der Gesundheitszustand im Vergleich zum Zeitpunkt der ersten Leistungsanerkennung zur Berufsunfähigkeit verbessert habe. Und sie müsse aufzeigen, wie sich die gesundheitliche Verbesserung auf die berufliche Leistungsfähigkeit auswirke. Rechtsanwalt Jan-Martin Weßels: „Es muss nachvollziehbar dargelegt werden, warum der Versicherte seinen konkreten Beruf – so wie er ihn vor der Erkrankung ausgeübt hat – nun wieder zu mindestens 50 Prozent ausüben kann. Eine pauschale Behauptung der Besserung genügt nicht. Die Beweislast liegt dabei vollständig bei der Versicherung.“

Dreimonatige Übergangsfrist bei Leistungseinstellung:

Das Urteil des OLG München befasst sich auch mit der vertraglichen Regelung zur Nachleistungspflicht. Demnach wird die Einstellung der Leistungen erst mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Änderungsmitteilung wirksam. Selbst wenn die Versicherung eine Gesundheitsverbesserung feststellt, darf sie ihr Anerkenntnis und demzufolge ihre Leistungen nicht sofort einstellen. Das Gericht bestätigte damit die in den Versicherungsbedingungen vorgesehene dreimonatige Übergangsfrist. Konkret bedeutet dies: Die Berufsunfähigkeitsleistungen müssen noch bis zum Ende des dritten Monats nach Zugang der Mitteilung weitergezahlt werden.

Für die Praxis besonders wichtig: Die Frist beginnt erst mit dem tatsächlichen Zugang des Schreibens beim Versicherten. Eine rückwirkende Einstellung der Leistungen zur Berufsunfähigkeit ist nicht zulässig, selbst wenn die Versicherung die gesundheitliche Verbesserung für einen früheren Zeitpunkt nachweisen kann. 

Psychische Erkrankungen unterliegen Schwankungen

Eine weitere Besonderheit des Falles war, dass explizit in den Bedingungen geregelt ist, dass vorübergehende (Gesundheits-)Verbesserungen zuungunsten des Versicherungsnehmers nicht zu berücksichtigen seien. „Damit könnte das Urteil besondere Bedeutung für Fälle insbesondere mit psychischen Erkrankungen wie Burnout oder Depression haben“, sagt Rechtsanwalt Weßels.

 „Gerade bei diesen Krankheitsbildern können Versicherungen versucht sein, ihr Anerkenntnis der Leistungen bei ersten Anzeichen einer Besserung einzustellen. Der Grund liegt in der besonderen Natur psychischer Erkrankungen: Ihre Verläufe sind typischerweise von Schwankungen geprägt. Phasen der Besserung können sich mit Rückschlägen abwechseln. Eine vorübergehende Stabilisierung bedeutet noch nicht, dass der Versicherte auch den beruflichen Belastungen wieder gewachsen ist. Genau dies müssen Versicherungen aber nachweisen, wenn sie ihre Leistungen einstellen wollen.“