Was taugt die überarbeitete BU-Versicherung der Gothaer?

Die Gothaer bietet natürlich schon seit Jahren eine Berufsunfähigkeitsversicherung an. In diesem Jahr aber sind die Kölner mit einem Relaunch der BU in den Markt geprescht, bei dem sich mal ein genauerer Blick lohnt.

Die Gothaer gibt es als klassische selbstständige BU und als Investment-BU. Der Tarif kann mit der AU-Klausel abgeschlossen werden, eine Leistung ist dann bis zu 36 Monate möglich, auch wenn kein BU-Antrag gestellt wird. In diesem Zusammenhang ist auch das Angebot eines “fairen Überbrückungsgeldes” zu erwähnen: Fordert die Gothaer im Leistungsfall ein Gutachten an, zahlt die Gothaer bis zu fünf Monatsrenten aus. Das ist keine Anerkennung der Leistungspflicht, die Renten müssen aber auch nicht zurückgezahlt werden, wenn die Leistungspflicht nicht anerkannt wird. Eine gute Idee, vor allem, wenn man an die BU-Kritiker denkt, die gerne die vermeintliche Verschleppung der Leistungspflicht durch Anforderung von Gutachten bemängeln.

Die Nachversicherung hat die Gothaer ausgezeichnet gelöst. Der Katalog der Auslöser ist umfangreich, in den ersten fünf Jahren kann zudem anlassunabhängig erhöht werden. Zudem gibt es keine Risikoprüfung bei der Nachversicherung, das heißt, dass ein neuer (und in der Prämie teurerer) Job ebenso unberücksichtigt bleibt wie neue gefährliche Hobbys oder Auslandsaufenthalte. Pro Anlass kann die Jahresrente zudem um 12.000 Euro erhöht werden, maximal sind Erhöhungen auf bis zu 36.000 Euro Jahresrente möglich. Mit der Karrieregarantie kann zudem eine Jahresrente von insgesamt 72.000 Euro versichert werden. Das ist – besonders im Hinblick auf die Inflation – absolut sinnvoll und kundengerecht.

Die Gothaer sieht zudem eine Verlängerungsoption bei Erhöhung der Regelaltersgrenze vor – sicherlich in Anbetracht leerer Rentenkassen eine Option, die viele junge Menschen gebrauchen können. Das gilt ebenso für die Teilzeitklausel und die Work-Life-Balance: Mit diesen Versprechen können die Versicherten ihre BU-Rente an veränderte Arbeitsumfelder mit einer Verringerung der Stundenzahl oder einem Sabbatical anpassen. Gleichzeitig haben sie die Möglichkeit, eine einmal herabgesetzt Rente ohne erneute Gesundheitsprüfung wieder nach oben anzupassen, wenn die Arbeitszeit ebenfalls angepasst wird.

Attraktiv ist die Gothaer-BU für alle Berufe aus der ärztlichen Versorgung, für IT-Spezialisten sowie für Studierende und Akademiker allgemein.

Neben vielen Produktmerkmalen fällt primär eines bei der Gothaer auf: Die Gesundheitsfragen wurden deutlich überarbeitet. Markant dabei, dass im ambulanten Bereich auch bei Operationen der Abfragezeitraum auf drei Jahre begrenzt ist – und zwar auch für die Frage nach psychischen Erkrankungen. Das ist tatsächlich im “normalen” Antragsgeschäft ohne Sonderaktionen und Kollektivtarife neu am Markt. Zudem wird geschlossen nach Krankheiten, Gesundheitsstörungen und Funktionsstörungen gefragt, die auch von einem Arzt oder Behandler beraten, untersucht oder behandelt worden sind. Gleichzeitig werden stationäre Vorerkrankungen nur noch für fünf Jahre rückwirkend abgefragt – auch das ist eine immense Erleichterung für Kunden und Vermittler. Und noch ein Punkt macht die Arbeit deutlich leichter: Die Gothaer fragt im Antrag nicht nach abgelehnten, zurückgestellten oder nur mit Erschwernis angenommenen Anträgen in den vergangenen fünf Jahren. Solche Ablehnungen können hauptsächlich dem Kunden zum Verhängnis werden, der im Internet “nur mal kurz” seine Versicherbarkeit überprüfen wollte und auf einmal einen Ausschluss für den Bewegungsapparat an der Backe hatte. 

Neben den bereits erwähnten ausgezeichneten Gesundheitsfragen gibt es eine weitere offene Frage nach Krankheiten und Störungen der Augen und Ohren sowie zu Allergien und der Haut. Das ist abschließend gefragt, aber dennoch sehr offen formuliert, sodass die eigentlich sehr knappen Gesundheitsfragen hier noch einmal eingeengt werden. Unnötig und auch nicht wirklich stringent, wenn ansonsten die Prüfung flexibler gestaltet wird.

In der Dynamik ist die Erhöhung der Rente auf 250 Prozent des Ausgangsbetrages begrenzt – gerade bei Einsteigern mit einer Monatsrente von vielleicht nur 1.000 Euro ist dann bei 2.500 Euro Schluss. Insgesamt ist die Dynamik auf eine BU-Rente von maximal 6.000 Euro im Monat begrenzt. Das klingt wahnsinnig viel, aber bei einem Vertrag, der über 20, 30 oder noch mehr Jahre läuft, sind diese Grenzen unnötig eng gesteckt.

Ein weiterer Punkt ist zumindest derzeit ärgerlich: Die Gothaer ist mit dem wirklich sehr guten Produkt Opfer ihres eigenen Erfolges. Die Bearbeitungszeit nach Antragsstellung liegt selbst bei einem vorhandenen Votum aus der Voranfrage aktuell bei drei bis vier Wochen. Das ist eindeutig zu lang und ein Punkt, an dem die Gothaer Abhilfe schaffen muss.

Die Gothaer BU 2023 ist ein wirklich gelungenes Produkt für alle, die als Ärzte, (angehender) Akademiker und IT-Spezialisten von den zudem noch attraktiven Beiträgen profitieren. Zudem dürfte die BU für alle diejenigen ein Magnet sein, die bisher keinen Zugang zur BU gefunden haben und jetzt von den verkürzten Anfragezeiträumen profitieren.

Die ausgezeichneten Bedingungen und die kurzen Abfragezeiträume machen die BU 2023 der Gothaer in vielerlei Hinsicht zu einem Selbstgänger in der Beratung. Aber die offenen Fragen zu den Erkrankungen und die Begrenzungen bei der Dynamik sollten in der Beratung thematisiert und die Gesundheitshistorie des Kunden dennoch exakt aufbereitet werden. 

Die neue Gothaer BU ist ein Tarif, bei dem sich die Gothaer viele Gedanken gemacht hat und viele Vermittler-Wünsche Eingang gefunden haben. An kleineren Stellschrauben kann die Gothaer sicherlich noch drehen, wenn sie den perfekten Tarif am Markt haben will – aber sie sind nahe dran. Wirklich exzellent wird es, wenn die Antragsprozesse dann auch so gestaltet sind, dass sie diesem guten Bedingungswerk und dem durchdachten Risikoprüfungsprozess einen würdigen Rahmen bieten. Bis dahin ist ein halber der fünf Sterne auf Bewährung.