„Die Entsparung der Immobilie muss verbessert werden“
Steffen Sebastian :
Die seit mehr als einem Jahrzehnt anhaltende Immobilien-Idylle scheint zu Ende zu gehen. So fielen etwa die Preise für Eigentumswohnungen im Dezember im Vorjahresvergleich um durchschnittlich vier Prozent. Trotzdem kann nur von einer Delle gesprochen werden: Die Im-mobilienpreise haben sich binnen zehn Jahren etwa verdoppelt, selbst ein kräftiger Preissturz um 20 Prozent in diesem Jahr würde nur das Niveau von 2020 bedeuten. Preisstabilisierend wirkt, dass die Immobilientransaktionen zurückgehen; viele Eigentümer haben sich Niedrigzinsen über zehn oder 15 Jahre gesichert und haben keinen Druck, Immobilien zu sinkenden Kursen zu verkaufen.
Sebastian :
In Städten mit Angebotsknappheit und starkem Zuzug wird der Preisrückgang eher gering ausfallen; in guten Lagen könnten Preise sogar weiter steigen. In strukturschwächeren Regio-nen, in denen es nicht ausreichend Arbeitsangebote für einkommensstarke Facharbeiter und Familien gibt, werden die Werteinbußen größer ausfallen. Zudem scheint der Neubau auf-grund gestiegener Baukosten preisstabiler zu sein als der Bestand. Angesichts einer hartnäckig hohen Nachfrage nach Wohnraum verstärken die höheren Kosten die Angebotsknappheit, denn viele baureife Projekte werden deshalb nicht realisiert.
Sebastian :
So ist es. Dieses Jahr dürften laut Branchenkennern 245.000 Wohnungen fertiggestellt wer-den, gut zwölf Prozent weniger als letztes Jahr. Damit würde das Ziel der Bundesregierung von jährlich 400.000 neuen Einheiten erneut deutlich verfehlt.
procontra:
Gleichzeitig sieht die Immobilienwirtschaft sich mit strengeren Nachhaltigkeitsanforderungen konfrontiert. Wie wirkt das auf die Preisentwicklung?
Sebastian :
Die Preisdifferenz zwischen energetisch sanierten und unsanierten Immobilien vergrößert sich. Das knappe Angebot stützt die Preise von Neubauten und energetisch saniertem Be-stand. Auf nicht energetisch sanierte Gebäude dürfte dies nur zum Teil zutreffen.
procontra:
Ein knappes Wohnraumangebot treibt typischerweise die Mieten in die Höhe. Was erwarten Sie hier auf mittlere Sicht?
Sebastian :
Genauer gesagt, führt ein knappes Wohnraumangebot bei hoher Nachfrage zu höheren Mietpreisen. Und die Nachfrage ist durch Migrationsbewegungen nach Deutschland noch gestiegen. Andererseits ist die Kaufkraft vieler Haushalte aufgrund der Inflation gesunken. Das begrenzt die Möglichkeit, immer höhere Mieten zu bezahlen. Eine Mietexplosion ist unwahr-scheinlich, zumal diverse Regulierungen – etwa die Mietpreisbremse in Städten mit ange-spanntem Wohnungsmarkt – einen Anstieg der Mieten stark beschränkt. Unterm Strich sind weitere Mietsteigerungen sehr wahrscheinlich.
Sebastian :
Kapitalanleger müssen Investments in den Immobilienmarkt vor dem Hintergrund gestiege-ner Zinsen neu bewerten. Überhöhte Preise, die während der Niedrigzinsphase gerechtfertigt waren, beinhalten ein hohes Potenzial für Verluste. Gleichzeitig sind die Renditen alternativer Anlagen deutlich gestiegen. Wer beispielsweise für Nominalanlagen drei Prozent Zinsen erhält, sollte sich gut überlegen, welche Renditen bei illiquiden und riskanten Immobilienanlagen erforderlich sind.
Sebastian :
Immobilien bleiben ein wichtiger Baustein für die private Altersvorsorge. Eigennutzer können sich im Alter bei geringerem Rentenniveau Mietzahlungen sparen, Vermieter können sich durch Mieteinnahmen ihre Rente aufbessern. Trotzdem bleibt die direkte Anlage auf vermö-genden Menschen beschränkt, zumal zukünftige Anforderungen, wie etwa die erwähnten energetischen Sanierungen, Eigentümer stark belasten werden. Für weniger Vermögende verbleibt die Möglichkeit der indirekten Immobilienanlage.
Sebastian :
Ich rate trotz der nicht geringen Kosten zu offenen Immobilienfonds. Diese weisen gegenüber geschlossenen Immobilienfonds eine höhere Liquidität aufgrund geringerer Transaktionskos-ten und besserer Handelbarkeit auf. Außerdem reduzieren offene Fonds durch eine ver-gleichsweise höhere Anzahl von Immobilien und Strukturierungen das Anlagerisiko. Eine Al-ternative sind Immobilien-Aktien. Die Liquidität ist deutlich besser, allerdings kommt hier das Börsenrisiko hinzu. Generell ist Vorsicht geboten: Auch die beste Rechtsform ändert nicht die Tatsache, dass es sich bei Immobilieninvestitionen um grundsätzlich riskante Anlagen handelt. Diversifikation ist das Wichtigste. Also am besten mehrere Immobilienfonds und in jedem Fall mehrere Immobilienaktien.
procontra:
Der Staat fördert den Immobilienerwerb durch etliche Maßnahmen. Dennoch besitzen im internationalen Vergleich wenig Menschen eine Immobilie. Woran liegt das?
Sebastian :
Während die öffentliche Hand den Immobilienerwerb auf der einen Seite fördert, ist sie auf der anderen Seite einer der größten Kostentreiber. So verteuern staatliche Bauvorgaben so-wie hohe Nebenkosten, insbesondere die Grunderwerbssteuer, den Immobilienerwerb. Aber auch hohe Gebühren für Notare, deren Gebühren gesetzlich festgelegt und Wettbewerb qua Regulierungen nicht existiert, erschweren die Eigentumsbildung. Weiteres Potenzial sehe ich auch in der Regulierung der Maklerkosten.
Sebastian :
Eigenkapital verbessert die Finanzierungskonditionen immer; und oft ist es knapp, ja. Daher bedarf es auch einer besseren Förderungen in der Ansparphase. So könnten etwa staatliche Finanzierungsbürgschaften das Problem des knappen Eigenkapitals lösen und die Eigentumsquote erhöhen. Vor allem aber auch die Entsparung der Immobilie, um Liquidität im Alter zu generieren, muss verbessert werden. Die derzeit am Markt zu findenden Modelle zum Teil-verkauf sind größtenteils unseriös. Stattdessen könnten verbraucherfreundliche Umkehr-Hypotheken oder Leibrentenmodelle staatlich gefördert werden.