Immobilienmärkte

Gesundheits- und Sozialimmobilien bieten interessante Anlagechancen

Logistik, Hotel oder doch Wohnen? Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland gibt einen Ausblick auf einzelne Immobiliensektoren und sagt, wovon deren Entwicklung abhängig ist.

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12:07 Uhr | 05. Juli | 2024
Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland

Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland

| Quelle: CBRE in Deutschland

procontra: Die Pandemie hat die Immobilienmärkte „durchgeschüttelt“. Wie stehen die Sektoren heute da?

Jan Linsin: Insgesamt wurden im ersten Quartal 2024 gut sechs Milliarden Euro am deutschen Immobilieninvestmentmarkt investiert und damit 16 Prozent weniger als im Vergleichsquartal 2023 – dennoch scheint die Talsohle erreicht zu sein. Sektoren wie Büro, Einzelhandel, Logistik und Hotel konnten im Vorjahresvergleich etwas zulegen. Kräftige Rückgänge waren am institutionellen Wohnimmobilienmarkt zu beobachten.

 

procontra: Büroimmobilien sind in vielen Anlageprodukten enthalten. Welche Folgen hinterlässt der Trend zum Homeoffice?

Linsin: Viele traditionell bürolastigen Immobilieninvestoren diversifizieren ihre Portfolios. Drüber hinaus scheint sich die Nachfrage bei Büroimmobilien auf die guten Citylagen zu konzentrieren. Hier jedenfalls blieben die Nettoanfangsrenditen für moderne Büros in den Top-Lagen der beliebten deutschen Metropolen stabil – die Spitzenrenditen beliefen sich auf rund 5 Prozent. Dabei ist eine Differenzierung zu beobachten, das Interesse an Büros in B- und C-Lagen geht zurück, was sich in einer deutlich geringeren Anzahl an Transaktionen zeigt. Aber auch die Vermietungsumsätze sind in den peripheren Lagen deutlich niedriger.

 

procontra: Ist der Aufschwung bei Logistikimmobilien von Dauer?

Linsin: Wir werden nicht mehr den Logistik-Boom wie zu Zeiten der Pandemie erleben. Dennoch können wir aufgrund der voraussichtlich sinkenden Zinsen eine größere Investitionsbereitschaft feststellen. Auch der bisher getrübte Konjunkturhimmel scheint allmählich aufzuklaren – was das Logistiksegment ebenfalls positiv beeinflussen.

 

procontra: Finden Investoren überhaupt genug Anlageziele im Logistikbereich?

Linsin: Wir sehen derzeit einen Shift: Investoren setzen verstärkt auf wertsteigernde Investitionsstrategien. Sowohl das Value-Add- als auch das Core-Plus-Segment verzeichneten einen Zuwachs von 179 beziehungsweise 110 Prozent und übertrafen damit den Fünf- und Zehnjahresdurchschnitt des Volumens um knapp 90 Prozent. Auch High-Yield-Immobilien mit Revitalisierungs- und Repositionierungsbedarf steht weiter hoch im Kurs, zumal sich durch eine Umgestaltung bei bestehendem Baurecht Werte heben lassen. Jedoch ist hier der Preisabschlag, den die Käufer fordern noch nicht ganz im Markt angekommen und auch die Fremdkapitalgeber sind hier noch zurückhaltend.

 

procontra: Wie viel Rendite wirft das Logistiksegment ab?

Linsin: Bei modernen Logistikimmobilien sehen wir Spitzenrenditenrenditen um die 4,3 Prozent, die sich unterhalb des Niveaus von einigen Büro- und Einzelhandelsimmobilien bewegen.

 

procontra: Die Fußball-EM gibt dem Hotelmarkt zumindest kurzfristig Schwung. Gibt es Anzeichen einer nachhaltigen Erholung?

Linsin: Durchaus. Die steigenden Übernachtungszahlen stimmen positiv: 2023 lagen die Zahlen 8,1 Prozent höher als noch 2022 und nur 1,7 Prozent unter dem Niveau von 2019 – damit hat die Tourismusbranche die Corona-Krise nahezu hinter sich gelassen. Besonders bemerkenswert waren auch die Zimmerraten, die das Niveau von 2019 sogar um zehn Prozent übertrafen. Großveranstaltungen wie die Fußball-EM, Konzertreihen namhafter internationaler Künstler und Künstlerinnen sowie der Urlaub im eigenen Land unterstützen die Performance am Hotelmarkt. Auch Investoren setzen zunehmend auf Hotelimmobilien: Im Vergleich zum ersten Quartal 2023 verzeichnete der Investmentmarkt in den ersten drei Monaten 2024 einen Zuwachs um 48 Prozent. Und selbst Anleger, die bisher noch keine Hotels in ihrem Portfolio hatten, interessieren sich immer häufiger für diese Assetklasse.

 

procontra: Welche spannenden Segmente gibt es sonst noch?

Linsin: Interessant ist auch der Markt für Gesundheits- und Sozialimmobilien. Aufgrund der demografischen Entwicklung benötigt dieses Segment viel privates Kapital, um den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft gerecht zu werden. Die Welle an Betreiberinsolvenzen vor allem im Pflege- und Krankenhausbereich ebbt ab und könnte nun für einen neuen Aufschwung sorgen.

 

procontra: Welche Entwicklungen in puncto Preise und Mieten erwarten Sie bei privaten Wohnimmobilien?

Linsin: Die wirtschaftlichen Herausforderungen ließen den Traum vom Eigenheim für viele platzen – entsprechend hoch ist der Druck auf den Mietwohnungsmarkt, der sich in steigenden Mietpreisen niederschlägt. Insbesondere in den Ballungszentren wird derzeit zu wenig Wohnraum geschaffen. Leerstehende Wohnungen gibt es de facto nicht. In München lag die Leerstandrate im marktfähigen Geschoßwohnbau zuletzt bei 0,1 Prozent. Gleichzeitig beobachten wir veränderte Nutzerbedürfnisse, die den Trend zu neuen Wohnkonzepten wie Studentenwohnen, Mikro-Living und Service-Wohnen in den Metropolen – dem sogenannten modernen Wohnen – fördern.

procontra: Was steckt dahinter?

Linsin: Auch auf dem Wohnungsmarkt wandeln sich Nachfragestrukturen: In- und ausländische Studierende, Wochenpendler und die steigende Zahl an Senioren treffen auf den angespannten Wohnungsmarkt. Das erfordert eine Ausdifferenzierung der Produktpalette. Die Konzepte des studentischen Wohnens, des Co-Livings und des Mikro-Livings sind in ihrer Struktur sehr ähnlich und lassen sich auch hinsichtlich des Preisniveaus für den Endkunden gut von anderen Produkten abgrenzen. Sie sind daher nicht nur für Nutzer, sondern auch bei Investoren zunehmend beliebt.