Immo Tommy: Betroffenen-Rechtsanwalt geht gegen Banken und Bausparkassen vor
Zahlreiche Privatleute investierten über den bekannten Influencer „Immo Tommy“ angeblich in Immobilien, die für sie zum finanziellen Debakel wurden. Das berichteten der „NDR“ und das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in einer gemeinsamen Recherche Anfang der Woche. Ein Statement von Immo Tommy, der eigentlich Tomislav Primorac heißt, gab es bislang nicht - bis jetzt.
Das Video, das Influencer Immo Tommy nun gedreht hat, um sich zu den Vorwürfen der vergangenen Tage zu äußern, zeigt ihn im Urlaub in Kroatien. Er spricht von Morddrohungen, die ihn seitdem erreichen und er sorgt sich darum, dass seine vier Kinder nun unter dem Shitstorm, der gerade über ihn ergeht, leiden und Mobbing erfahren könnten.
Doch, was sagt er dazu, dass sich Käufer von Immobilien, die durch ihn vermittelt wurden, von Influencer Immo Tommy getäuscht und betrogen fühlen? Im Ergebnis eher wenig.
Er räumt ein, dass von den Firmen, mit denen er zusammengearbeitet hat, Fehler gemacht wurden und beteuert, dass er und sein Team sich darum kümmern und auch bereits zuvor darum gekümmert haben.
In dem Bericht gehe es um 8 Betroffene und eine ganz bestimmte Immobilie. Primorac habe in den vergangenen vier Jahren aber über 500 Immobilien vermittelt. In dem Video blendet er Screenshots von Nachrichten von zufriedenen Kunden ein, um seine Glaubwürdigkeit zu unterstreichen.
Es klingt auf jeden Fall so, als sei ihm der Erfolg der vergangenen Jahre etwas über den Kopf gewachsen. "Ich muss mich jetzt gesund schrumpfen", sagt er. Bei der Immobilienvermittlung gehe es um ein sehr großes Zahnrad mit vielen Parteien und Partnern und da sei es an der Zeit auszusortieren. Es seien Fehler seitens der Partner passiert, aber keine, die man nicht aus der Welt räumen könne. Um welche Partner es dabei geht, lässt er allerdings offen. Ist ihm das Geschäft über den Kopf gewachsen? War der Selfmade-Man ein Strohmann, dem gar nicht klar war, wo er da hineingeraten ist?
In vielen Fällen sollen die Geschäfte so abgelaufen sein, dass Tomislav Primorac die Kunden zwar über seine große Followerschaft vermittelt hat, sich dann aber schnell jemand aus dem Vertrieb bei den Kunden gemeldet und die weitere Abwicklung übernommen hat.
Primorac verweist in seinem Video auf den Schutz seiner Familie, jedoch sind es eben auch junge Familien, die durch den Immobilienkauf von der finanziellen Belastung erdrückt werden. Und wie der Anwalt von einigen Betroffenen, Georgios Aslanidis, ausführt, melden sich immer mehr potenziell Geschädigte bei ihm.
Schadensersatzklagen möglich
Aslanidis geht davon aus, dass die betroffenen Käufer Schadenersatzansprüche geltend machen können. Diese könnten beispielsweise auf arglistiger Täuschung über den Wert der Immobilie oder auch Mängel der Immobilie beruhen. Daneben könnten auch Ansprüche aufgrund verschwiegener und/oder überhöhter Provisionen bestehen. "Der Bundesgerichthof hat schon mehrfach entschieden, dass sogenannte Kick-back-Zahlungen zu einem Schadensersatz und einer Rückabwicklung des Geschäftes führen können, aber auch Innenprovisionen, also im Kaufpreis enthaltene Provisionen von über 15 Prozent, unzulässig seien", erläutert Aslanidis.
In dem Spiegel-Bericht wurde Immo Tommy vorgeworfen, dass laut der Kaufverträge hohe und intransparente Zahlungen an den Influencer geflossen und Sanierungsarbeiten versprochen worden seien.
Rechtsanwalt Aslanidis wird mit den möglichen Ansprüchen seiner Klienten gegen die beteiligten Banken und Bausparkassen direkt vorgehen. Aus der Zeit Anfang der 2000er existiert nach Angaben des Anwalts eine weiterhin gültige BGH-Rechtsprechung, wonach in bestimmten Fällen auch die finanzierende Bank oder Bausparkasse in die Haftung genommen werden kann. Aus dem Bericht von "Spiegel" und "NDR" geht hervor, dass die Kreditverträge zweifelhafte Finanzierungskonstrukte dokumentieren. Involviert sein soll auch die größte deutsche Bausparkasse Schwäbisch Hall mit verschiedenen Banken. Sie seien von Immo Tommys Team vermittelt worden, berichten Betroffene.
Hohe Preise - geringe Eigenmittel
Die bisher gesichteten Immo Tommy-Fälle sehen nach Einschätzung von Aslanidis so aus, dass der Vertrieb von Immo Tommy einen engen und persönlichen Kontakt zu den oft jungen Käufern knüpfte und zu zügigen Vertragsabschlüssen drängte. Die finanzierende Bank sei im Paket enthalten gewesen, genauso wie das zu erwerbende Objekt und der Kaufpreis.
Die Preise erscheinen laut Aslanidis rückblickend sehr hoch und auch die Kreditkonditionen marktunüblich. Auch hätten kaum bis geringe Eigenmittel auf Seiten der Käufer bestanden. Dies ließe Fragen bezüglich der Kreditwürdigkeitsprüfung durch die Banken aufkommen. "Selbstverständlich machte der Vermittler auch den Notartermin aus und begleitete die Käufer dorthin", so Aslanidis. Der Banktermin zur Unterzeichnung der Darlehensverträge wurde auch vermittelt.
"Besonders auffällig erscheint auch, dass zumindest in einem uns bekannten Fall der Kaufvertrag beim Notar sogar vor dem Termin bei der Bank zur Darlehensvertragsunterzeichnung ausgemacht war. D.h., die Käufer hatten gar keine Wahl, ob sie den Darlehensvertrag unterzeichnen, sie hatten sich bereits an den Kaufvertrag gebunden", berichtet Aslanidis.
Bei der BGH-Rechtsprechung aus den 2000er Jahren war die Rechtsfolge sei dann die komplette Rückabwicklung des Kauf- und Darlehensvertrages. "In sehr vielen Fällen konnten wir uns damals mit den Banken außergerichtlich einigen, da die Rechtslage sehr klar ist", so Aslanidis. "Wenn nämlich Banken mit den Vertrieben und Verkäufern kooperieren und Ihre Rolle als bloßer Kreditgeber verlassen, haben Sie einen Wissensvorsprung gegenüber den Käufern der Immobilien und auch einen Interessenkonflikt. Daher verlangt der BGH dann, dass die Bank den Darlehensnehmer über überhöhte Provisionen und einen möglicherweise sittenwidrig überteuerten Kaufpreis aufzuklären hat. Die Täuschungshandlungen der aufgetretenen Vermittler werden der Bank dann zugerechnet."
Sollten sich die Sachverhalte weiter erhärten, geht Aslanidis davon aus, dass seine Mandanten gegen die finanzierenden Banken oder Bausparkassen auf Rückabwicklung der Verträge vorgehen können. "Daneben bestehen selbstverständlich auch Ansprüche gegen Immo Tommy und dessen Vertrieb, sofern eine Überteuerung, Mängel etc. vorliegt."
Ähnlich wie Schrottimmobilien-Fälle aus dem Jahr 2000
"Unsere Kanzlei hatte Anfang der 2000er Jahr sehr viele sogenannte Schrottimmobilien-Fälle in Bearbeitung", berichtet der Rechtsanwalt. "Die Vorgänge in den durch uns gesichteten ersten Fällen von Immo Tommy erinnern doch sehr an die damaligen Abläufe." Die Käufer würden heute wie damals im Rahmen des „Rundum-Sorglos-Paketes“ von einer Hand bedient. Damals war es laut Aslanidis so, dass die Kreditkonditionen, finanzierende Banken und Objekte fest standen und die Käufer erwarben regelmäßig Wohnungen, die weit weg von Ihrem Wohnsitz lagen. Der Vertrieb und die finanzierenden Banken bzw. Bausparkassen kooperierten gemeinsam, so dass der Käufer nur noch die Verträge unterzeichnen musste.