Ratgeberportal kritisiert Assetklasse

OIF-Verkauf: Lohnenswert oder übereilte Reaktion?

Ein lahmender Verkaufsmarkt und teure Baukredite schrauben die Renditeerwartungen für offene Immobilienfonds herunter. Finanztip rät Anlegern daher zum Verkauf, Kritiker befürchten eine Implosion des OIF-Markts.

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12:10 Uhr | 23. Oktober | 2023
Skyline Bürogebäude

Experten rechnen mit sinkenden Renditen beim Investieren in offene Immobilienfonds. Lässt diese Prognose den Markt schlussendlich implodieren?

| Quelle: bluejayphoto

Steigende Zinsen, rückläufige Immobilienbewertungen und der Transaktionsmarkt kam weitgehend zum Erliegen: Aus diesen Gründen haben OIF-Anleger mit einer sinkenden Rendite zu rechnen. Das schrieb das Ratinghaus Scope Anfang Juni in einer Analyse offener Immobilienfonds. Damals rechnete es mit einer durchschnittlichen Ertragsspanne zwischen 2,0 und 2,5 Prozent für das Jahr 2023. Nun legt das Verbraucherportal Finanztip mit einer Veröffentlichung nach. Investments in offene Immobilienfonds seien zum gegenwärtigen Zeitpunkt unrentabel, heißt es darin. Anlegern sei daher zum Verkauf zu raten.   

Jährliche Kosten von zwei Prozent und mehr

Wie Finanztip-Autor Hendrik Buhrs schreibt, sei ein Verkauf aus mehreren Gründen sinnvoll. Der erste Punkt: Die Fonds böten eine vergleichsweise niedrige Rendite bei gleichzeitig hohen Verwaltungsgebühren. Häufig würden direkt beim Kauf fünf Prozent der Anlagesumme beim Fondsanbieter landen und dadurch bei der Rendite fehlen, so seine Erklärung. Auch seien die jährlichen Kosten mit zwei Prozent und mehr sehr hoch. Eine weitere Beobachtung des Verbraucherportals: Die Wertsteigerung der Immofonds innerhalb des abgelaufenen Jahrzehnts habe nach Abzug der Kosten zwischen 2,2 und 3,2 Prozent pro Jahr gelegen. Besser, weil renditeträchtiger, sei deshalb die Anlage in Form von Tages- oder Festgeld.  

Auch das spreche gegen die Fonds: Aufgrund schlechter Finanzierungsbedingungen würden weniger Gewerbeimmobilien gebaut; daneben sinke die Kaufbereitschaft und das spüle weniger bestehende Immobilien auf den Verkaufsmarkt. „Wenn kaum Immobilien verkauft werden, ist es schwer zu sagen, wie viel die Immobilien, die schon in den Immofonds stecken, tatsächlich wert sind“, führt Finanztip aus.

Hinzu komme: Die Gutachten, die zur Bewertung der Gebäude erstellt werden und über die Höhe des Rücknahmepreises entscheiden, würden an den Börsen kaum Beachtung finden. Deshalb liege der Börsenpreis mehrerer großer Immobilienfonds zehn Prozent unter dem Rücknahmepreis der Fondsgesellschaften.   

Kurz nach Veröffentlichung regt sich an der Finanztip-Empfehlung vehemente Kritik. Der Fonds- und ETF-Discounter Envestor relativiert die Einschätzung des Geldratgebers. So würden die von Finanztip kritisierten überdurchschnittlich hohen Ausgabeaufschläge nicht der Realität entsprechen, schreibt Autor Ali Masarwah. Auch in Bezug auf die jährlichen Kosten stellt er klar: Nur bei einem der rund 40 deutschen offenen Immobilienfonds sei eine derart hohe laufende Gebühr von „zwei Prozent und mehr" zu finden. Die großen Fonds der Branche würden hingegen auf Gebühren von etwas unter einem Prozent pro Jahr kommen.

Vorteile bei der Besteuerung

Ein weiterer Kritikpunkt des Portals: Dass die OIFs im vergangenen Jahrzehnt geringe Renditen aufwiesen, sei dem Niedrigzinsumfeld geschuldet. „Offene Immobilienfonds müssen Cash-Puffer vorhalten“, bemerkte Autor Masarwah hierzu. Nach vorne blickend würden offene Immobilienfonds aber gerade von den Cash-Positionen profitieren. Von Finanztip werde dieser Punkt ignoriert.

Tatsächlich sprächen für das Investieren in OIFs mehrere Gründe. So seien Immofonds gegenüber Aktien-, Mischfonds und Rentenfonds bei der Besteuerung im Vorteil. Zudem werde der Wert der Fonds von öffentlich bestellten Gutachtern und nicht an den Kapitalmärkten ermittelt, was zu einer deutlich reduzierten Volatilität bei der Anteilspreisermittlung führe.

„Der Generalverdacht schadet Anlegern mehr, als er nutzt“, schreibt Envestor-Autor Masarwah abschließend. Die Verkaufsempfehlung von Finanztip könne sogar zu einer negativen Entwicklung führen: „Wenn hunderttausende Anleger ihre Fondsanteile kündigen, könnten offene Immobilienfonds genauso implodieren, wie es in den vergangenen 20 Jahren bereits zweimal passiert ist. Dann wäre die Verkaufsempfehlung eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.“  

Derweil geht die Ratingagentur Scope davon aus, dass sich infolge des konstant hohen Zinsniveaus das Netto-Mittelaufkommen bei den offenen Immobilienfonds 2024 ins Negative wenden könnte. Für diesen Fall schreibt der Gesetzgeber eine Mindestliquidität von fünf Prozent des Fondsvolumens vor. Derzeit liegt die volumengewichtete Liquiditätsquote der Fonds bei durchschnittlich 15,1 Prozent und ist damit höher als 2021 und 2022. Laut Scope sei daher nicht mit einer Reihe von (zeitweiligen) Fondsschließungen zu rechnen. Nichtsdestotrotz könnten aber einzelne Fonds von solchen Maßnahmen betroffen sein.