Kenfo-Staatsfonds soll Aktienrente verwalten
Die Idee ist nicht neu, nimmt aber offenbar allmählich konkretere Form an: Demnach hat Finanzminister Christian Lindner einen Gesetzentwurf an seine Kabinettkollegen verschickt, in dem er sich dafür ausspricht, keinen eigenen Fonds für die Aktienrente aufzulegen. Stattdessen solle der bereits bestehende Staatsfonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Kenfo) die geplanten Milliarden des Generationenkapitals verwalten.
Das Finanzministerium will die Berichterstattung gegenüber procontra nicht kommentieren. Die regierungsinternen Abstimmungen zum Gesetzesentwurf laufen noch. „Beim Kick-off Generationenkapital Anfang des Jahres hat sich der Minister zum Kenfo geäußert“, erklärt ein Sprecher des Ministeriums. Bei der damaligen Veranstaltung war auch Kenfo-Chefin Anja Mikus eingeladen. Sie verantwortet seit 2017 den Staatsfonds als Chief Investment Officer. In den Fonds haben Betreiber von Kernkraftwerken 24 Milliarden Euro eingezahlt, die über 80 Jahre lang die Atommüllentsorgung finanzieren sollen. Die Fachaufsicht üben drei Ministerien sowie alle im Bundestag vertretenen Parteien aus. „Wie stehen irgendwo zwischen internationalen Finanzmärkten und Bundeshaushaltsordnung“, erklärte Mikus im Januar auf der Veranstaltung.
Dass die Kenfo-Chefin eine tragende Rolle beim Thema Aktienrente spielen könnte, zeigte sich also bereits damals. „Wir wollen ein unabhängiges Management haben und bloß nicht die Ideen irgendeines Ministers einer bestimmten Partei, weil dann wechselt die Farbe des Ministers und dann kommen andere Investitionsideen“, so Lindner.
Wortkarge Ministerien
Nun macht das Finanzministerium also Ernst. Noch steht der Kenfo jedoch unter der Ägide des Wirtschaftsministeriums. Und bisher waren eher kritische Stimmen zum Generationenkapital seitens der von den Grünen geführten Behörde zu vernehmen. Doch das Wirtschaftsministerium bleibt zurückhaltend und erklärt: „Federführend zuständig für das Generationenkapital ist das Bundesfinanzministerium. Angaben zu regierungsinternen Überlegungen in diesem Zusammenhang sind unsererseits nicht möglich.“ Auch das Finanzministerium wollte sich auf procontra-Anfrage nicht weiter zu den Plänen äußern.
Selbst von Seiten des Staatsfonds möchte man sich zu den Plänen derzeit nicht äußern, wenngleich Mikus vor wenigen Tagen gegenüber dem Manager Magazin ihre Anlagestrategie zur Aktienrente erläutert hat. Demnach solle das Vermögen vor allem in Sachwerte investiert werden angesichts des Anlagehorizonts. Anleihen wiederum würden sich nicht eignen, weil im Gegensatz zum Kenfo keine laufenden Auszahlungen erforderlich seien, sondern es sich um eine langfristige und kollektive Anlage handelt.
Mikus: Aktiv schlägt passiv
Im vergangenen Jahr hat der Kenfo allerdings über drei Milliarden Euro Wertverlust hinnehmen müssen. Im Vergleich zum MSCI World und Dax hat der Staatsfonds schlechter performt, das Minus liegt 2022 bei 16,5 Prozent. Derweil musste der Dax lediglich 12,3 Prozent und der MSCI World 12,8 Prozent einbüßen. „Es gibt gute und es gibt schlechte Jahre und da muss sich die Öffentlichkeit auch mal dran gewöhnen, dass es nicht nur nach oben geht“, wies die Kenfo-Chefin auf dem Kick-off-Event vorsorglich hin.
Mikus plant, aktive Assetmanager das Generationenkapital managen lassen, um den Vergleichsindex zu übertreffen. Diese Aussage mag verwundern, kommen doch immer wieder Analysten zu der Erkenntnis, dass die Erfolgsquote aktiv gemanagter Fonds gegenüber passiven Investments wie ETF eher nachhinken. Das hat auch etwas mit den hohen Kosten klassischer Investmentfonds zu tun.
Ein Grund, warum sie dennoch die aktive Anlagestrategie befürworte, liege auch darin, dass der Index des MSCI World aufgrund der dominanten Technologiewerte in den USA zwischendurch plötzlich sehr wenige Werte im Portfolio aufwies. „Da haben wir gesagt: Das geht so nicht weiter.“ Deswegen würde die Kenfo-Chefin bei der Aktienrente auf Value-Anlagen setzen, also werthaltige Anlagen, die nicht nur auf Wachstum aus sind, sondern eher einer konservativeren Anlage entsprechen.
Kenfo mit umstrittenem Portfolio
Mit Blick auf die Auswahl der Assetklassen des Kenfo erklärte Thomas Blev, CFO und Chief Risk Officer Kenfo, im Mai dieses Jahres, man lege Wert auf ESG-Kriterien. Das hat einen guten Grund, schließlich ist es auch gesetzlich vorgegeben, dass der Fonds ökologisch, ethisch und sozial investiert. Aber wie integer ist der Fonds tatsächlich in Bezug auf diese Kriterien? Einmal im Sommer muss die Stiftung eine Übersicht über die Investments zum Stichtag 31. Dezember veröffentlichen. Die 53-Seiten-lange Aufschlüsselung zeigt: Ende 2021 sind über 200 Millionen Euro in russische Aktien und Staatsanleihen investiert gewesen.
49 Millionen Euro wurden in den Ölkonzern Lukoil investiert, 3,5 Millionen Euro gingen in den russischen Stahlkonzern Magnitogorsk Iron & Steel Works PJSC, 4,5 Millionen Euro in das Mobilfunkunternehmen Mobile Telesystems PJSC. Zudem waren 17,3 Millionen in Moscow Exchange MICEX-RTS PAO investiert, 4,5 Millionen Euro wurden in Aktien des Düngemittelherstellers PhosAgro PJSC angelegt, ganze 38,8 Millionen Euro flossen in die Sberbank of Russia PJSC und 90 Millionen Euro gingen in russische Rentenpapiere.
Nun ließe sich einwenden, dass der Krieg 2022 begann, das Portfolio also in der Zwischenzeit bereinigt worden sein könnte. Allerdings lässt diese Denkweise außer Acht, dass sich Russland auch vor dem Angriffskrieg nicht als lupenreine Demokratie offenbart hat, von der völkerrechtlichen Annexion der Krim ganz abgesehen.
Jedoch investierte der Kenfo bis 2021 auch in Unternehmen wie BP, Shell und China Petroleum & Chemical Corporation. Allesamt keine Unternehmen, die mit dem Thema Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht werden.
Die drei größten Positionen im Portfolio sind Samsung Electronics mit 141 Millionen Euro, Vonovia mit 140,6 Millionen Euro und Apple mit knapp 140 Millionen Euro. Danach folgt der Halbleiterhersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing Company mit 140 Millionen Euro und Microsoft mit 120 Millionen Euro. Damit entspricht die Wahl der dominierenden Positionen der Ausrichtung diverser Portfolios.
Aktienrente wirft verfassungsrechtliche Fragen auf
Noch ist indessen eine ganz andere Frage offen, nämlich ob die verfassungsrechtlichen Probleme zur Aktienrente aus dem Weg geräumt werden können. Schließlich stellt ein vom rentenpolitischen Sprecher der Grünen, Markus Kurth, in Auftrag gegebenes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zur Diskussion, inwiefern die Pläne mit der Schuldenbremse vereinbar sind.
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Lindners Ministerium das Volumen des ursprünglich zehn Milliarden Euro leichten Kapitalstocks für die Aktienrente massiv zu erhöhen. Demnach wollen Finanz- und Arbeitsministerium im kommenden Jahr bereits zwölf Milliarden Euro in das sogenannte Generationenkapital stecken. Pro Jahr solle diese Summe dann um drei Prozent pro Jahr schrittweise erhöht werden, so dass im Jahr 2035 das Volumen bei 200 Milliarden Euro liegen könnte. Finanziert werden soll das Generationenkapital über ein Darlehen des Bundes. Darüber hinaus sollen in den kommenden fünf Jahren weitere 15 Milliarden Euro zusätzlich als Vermögenswerte des Bundes in das Kapital fließen. Bleibt jedoch weiterhin die Frage offen, inwiefern die Pläne mit der Schuldenbremse vereinbar sind.
Noch ist der Prozess um die Aktienrente und den Kenfo nicht abgeschlossen. Ehe der Entwurf durch das Kabinett gegangen ist, kann also noch etwas Zeit vergehen. Zeit, in der Unwägbarkeiten wie die Schuldenbremsenrelevanz und Anlagestrategien noch einmal auf den Prüfstand gehoben werden könnten.