Was taugt der Finanztip-Steuertrick beim ETF-Verkauf?
Geldanlage und sogar Altersvorsorge in ETFs (Exchange Traded Funds) gewinnen in Deutschland an Beliebtheit. Doch wer zum Beispiel 30 Jahre lang nur einen ETF bespart, beispielsweise eine Nachbildung des MSCI World, ist beim Verkauf seiner Anteile steuerlich im Nachteil gegenüber solchen Anlegern, die auf ein tranchiertes Depot setzen. Darauf weist das Verbraucherschutzportal Finanztip hin. Zwar empfehlen auch sie einen breit aufgestellten ETF nach dem Bild des MSCI World. Jedoch sei es sinnvoller, dabei in zeitlichem Abstand die ETFs verschiedener Anbieter zu besparen.
In einer Beispielrechnung zeigt Saidi Sulilatu, Geschäftsleiter von Finanztip, wie das geht: Ein 37-Jähriger zahlt zunächst zehn Jahre lang monatlich 300 Euro in einen ETF des MSCI World. Mit 47 erhöht er seine monatliche Sparrate auf 400 Euro, zahlt diese aber in einen anderen MSCI-World-ETF in seinem Depot ein. Die letzten zehn Jahre, von 57 bis 67 macht er das gleiche nochmal, diesmal mit 500 Euro monatlich. Im Alter von 67 hat er dann, bei einer angenommenen Rendite von sieben Prozent jährlich, 578.000 Euro an Wert in seinem Depot angespart. Gleiches gilt für jemanden, der 30 Jahre lang genauso nur einen ETF bespart.
Gleiches Netto trotz geringerer Bruttoentnahme
Wenn der Mensch nun im Alter von 67 Jahren netto 180.000 Euro seines Geldes für seinen Ruhestand entnehmen will, gilt das im Einkommensteuergesetz geregelte „First in, first out“-Verfahren (Fifo). Das bedeutet, dass die zuerst erworbenen ETF-Anteile auch als erstes verkauft werden. Wer nur einen ETF bespart hat, hat in diesem einen sehr hohen Renditeanteil (144.000 Euro selbst eingezahlt, 434.000 Euro Rendite). Auf drei von vier Euro, die er entnimmt, muss er also Abgeltungssteuer und Solidaritätszuschlag bezahlen, wobei Finanztip auch die 30 Prozent Steuerfreiheit bei Aktien-ETF-Verkäufen berücksichtigt.
Wer hingegen sein Kapital in drei verschiedenen ETF hat, kann das „Last in, first out“-Verfahren (Lifo) nutzen. Er verkauft dann den ETF, den er mit 57 angefangen hat zu besparen, komplett (Wert im Finanztip-Beispiel: 118.000 Euro) und nimmt den Rest aus dem zweiten ETF mit Sparbeginn im Alter von 47. Er muss somit, um die 180.000 Euro netto zur Verfügung zu haben, weniger Geld aus seinem Depot entnehmen, da der Erlös zu einem geringeren Anteil aus Rendite besteht als bei dem anderen Rentner. Dieser wiederum muss aufgrund seiner hohen Steuerlast mehr Kapital entnehmen, um auf die 180.000 Euro netto zu kommen.
Im Alter von 77 Jahren entnehmen beide Rentner nochmals netto 300.000 Euro aus ihrem Depot und im Alter von 87 Jahren weitere 420.000 Euro netto. Während dann im Rechenbeispiel von Finanztip beim Anleger mit nur einem ETF noch 165.000 Euro netto übrigbleiben, sind es beim Anleger mit drei ETF 193.000 Euro. Obwohl also beide Sparer über den gleichen Zeitraum die gleiche Summe Geld netto zur Verfügung hatten, hat der eine 28.000 Euro mehr übrig als der andere.
Keine Steuervermeidung, sondern Steuerstundung
Sulilatu weist zwar in Youtube-Tutorials darauf hin, dass es sich dabei um eine stark vereinfachte Beispielrechnung handelt. Der Kern seines „Steuertricks“ bleibe jedoch immer der gleiche: „Lifo statt Fifo“. Zudem könne der Effekt noch verstärkt werden, wenn man die Anzahl der Tranchen erhöht. Der Trick sei absolut legal, betont der Finanztip-Geschäftsleiter. Er könne aber natürlich keine Garantie dafür geben, dass der Gesetzgeber dieses „Steuerschlupfloch“ für immer geöffnet halten wird.
Bei genauerem Hinsehen wird allerdings klar, dass es sich bei der geltenden Gesetzeslage gar nicht um ein „Schlupfloch“ handelt, sondern vielmehr um ein schwerfälliges System, das Sparer durch Fifo benachteiligt. Denn auch bei der Lifo-Variante werden keine Steuern vermieden, sie werden sozusagen gestundet. Somit erhält der Staat an jedem Euro Rendite auch zu gegebener Zeit seinen Steueranteil. Nur, dass für die Bürger letztendlich mehr dabei übrigbleibt.