Droht der gesetzlichen Pflegeversicherung die Pleite?
In Deutschland werden immer mehr Menschen pflegebedürftig, gleichzeitig steigen die Leistungen und die Gesundheitskosten – das setzt die gesetzliche Pflegeversicherung finanziell unter großen Druck. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete gestern sogar unter Berufung auf Koalitionskreise über eine bevorstehende Pleite. Werde nicht eingegriffen, sei die Pflegeversicherung im kommenden Februar zahlungsunfähig, hieß es in dem Bericht. Die bislang geplante Erhöhung des Beitragssatzes um 0,2 Prozentpunkte reiche nicht aus. In der Regierung werde vielmehr von einem Bedarf in Höhe von 0,25 bis 0,3 Prozentpunkten ausgegangen.
Das Bundesgesundheitsministerium wollte diese Aussage zwar nicht bestätigen, leugnete aber nicht, dass es um die Pflegeversicherung nicht gerade zum Besten bestellt ist. Deshalb werde gerade an einem Konzept gearbeitet, mit dem die Versicherung sowohl kurz- als auch langfristig wieder auf stabilere Füße gestellt werden solle.
Defizit wächst auf 1,8 Milliarden Euro
Der GKV-Spitzenverband rechnet bis zum Jahresende mit einem Defizit von knapp 1,8 Milliarden Euro in der Pflegeversicherung. Vor wenigen Wochen hatten noch 1,5 Milliarden im Raum gestanden. Die nicht unerhebliche Differenz begründet Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, damit, dass sich die Ausgaben dynamischer entwickelt hätten, als man das erwartet habe.
Ohne Reformen hält auch sie eine Anhebung der Beitragssätze um mindestens 0,25 Prozentpunkte zum 1. Januar 2025 für notwendig, um die Zahlungsfähigkeit der Versicherung gewährleisten zu können. Zusammen mit dem erwarteten Plus von 0,7 Prozentpunkten in der Krankenversicherung droht damit der stärkste Anstieg der Sozialbeiträge seit mehr als 20 Jahren. Derzeit gilt in der Pflegeversicherung ein allgemeiner Beitragssatz von 3,4 Prozent. Kinderlose zahlen vier Prozent. Für Familien mit mehr als einem Kind unter 25 Jahren gibt es Abschläge.
Auch steigende Beiträge werden allerdings nichts an der Tatsache ändern können, dass die Pflegeversicherung nur in seltenen Fällen das volle finanzielle Risiko abdeckt – in der Regel übernimmt sie nur einen Teil der Pflegekosten für die häusliche und stationäre Pflege. Den Rest, den Eigenanteil, zahlen Versicherte oder ihre Angehörigen aus eigener Tasche.
Vielen Pflegebedürftigen droht Finanzlücke
Gerade für Pflegeheimbewohner ist die finanzielle Lücke häufig sehr groß. Laut einer Berechnung der Stiftung Warentest stehen hier Eigenanteile von knapp 2.600 Euro Durchschnittsrenten von 1.550 Euro gegenüber. Die Differenz zahlt das Sozialamt – allerdings nur, wenn vorhandenes Vermögen bis auf einen Selbstbehalt aufgebraucht ist und es keine unterhaltspflichtigen Angehörigen mehr gibt.
Das zeigt, wie wichtig der rechtzeitige Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung sein kann. Mit ihr lässt sich die Lücke zwischen der Leistung der gesetzlichen Pflegeversicherung und den tatsächlichen Pflegekosten schließen bzw. verringern. Am weitesten verbreitet ist hier das Modell einer Pflegetagegeld-Versicherung. Je nach Pflegegrad zahlt der Versicherer dabei einen vertraglich vereinbarten Betrag aus, über den der Versicherte frei verfügen kann.