Warum die betriebliche Pflegeversicherung im Vertrieb noch nicht zündet
Eigentlich hört sich die betriebliche Pflegeversicherung (bPV) an wie die Definition der eierlegenden Wollmilchsau: Großflächige Verbreitung von Pflegeabsicherung durch Gruppenverträge, niederschwelliger Einstieg und quasi mit der Gießkanne über die Arbeitgeber; auch Mitarbeiter mit Vorerkrankungen erhalten Pflegeschutz, ohne Gesundheitsprüfungen; Aufwertung des Arbeitgebers in Zeiten des Fachkräftemangels. Man könnte meinen, das einzige Hemmnis bestünde darin, dass die Versicherer mit der Bearbeitung der Anträge nicht hinterherkommen.
Doch weit gefehlt. Die bPV führt bislang noch ein Schattendasein. Sowohl der GDV als auch der PKV-Verband haben keine konkreten Zahlen zu deren Bestand. Der Grund dafür ist die bislang nur sehr geringe Verbreitung. Darauf weisen auch alle befragten Krankenversicherer hin (Ergo, Hanse Merkur, Hallesche und Arag), die bislang solche Produkte anbieten.
Mangelnde Erlebbarkeit des Produktnutzens
Die Gründe dafür seien vielseitig, wie etwa Versicherungsmakler Falk Leibenzeder berichtet. Vor allem die Notwendigkeit der zusätzlichen Pflegeabsicherung sei bei vielen Arbeitgebern und Arbeitnehmern noch nicht angekommen. Wer stationär ins Pflegeheim muss, zahlt dafür im bundesweiten Durchschnitt monatlich knapp 3.000 Euro aus eigener Tasche hinzu. Die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung sind dabei bereits abgezogen.
Ein weiteres Problem, dass auch die befragten Anbieter betonen, ist die mangelnde Erlebbarkeit des Produktnutzens. Denn während die bAV nach Ende der Erwerbstätigkeit sicher ausgezahlt wird, ist Risikoschutz stets schwerer zu vermitteln. Schließlich wünschen sich die Menschen ja, einmal nicht zu den Leistungsfällen zu gehören.
Ungleiche Produktlandschaft
Ein weiterer Aspekt, warum die bPV noch nicht auf den Radaren vieler Firmen zu finden ist, dürfte die bislang sehr kleine und dennoch recht unterschiedliche Produktlandschaft sein. Zwar bieten die Unternehmen überwiegend Gruppenverträge an (Arag, Ergo, HanseMerkur), die den Mitarbeitern bei Eintritt der Pflegebedürftigkeit und je nach Pflegegrad als Hauptleistung ein Pflegemonatsgeld auszahlen. Diese Tarife sichern also direkt die Beschäftigten vor den finanziellen Folgen eigener Pflegebedürftigkeit ab beziehungsweise helfen dabei, die Pflegelücke zu schließen.
Geld- sowie Assistance-Leistungen für Beschäftigte
Die Hallesche hingegen geht einen anderen Weg und hat damit definitiv einen Punkt: Ihr Produkt bietet Geld- sowie Assistance-Leistungen für die Beschäftigten, wenn diese zu pflegenden Angehörigen werden. Denn von den rund fünf Millionen Pflegebedürftigen hierzulande (Destatis-Stand 2021) werden gut 2,5 Millionen zuhause von ihren Angehörigen gepflegt. An der Pflege von rund einer weiteren Million Menschen sind die Angehörigen zumindest beteiligt. „Viele Firmenkunden wagen sich noch nicht an das Thema Pflege heran. […] Denn die Nutzung zum Beispiel einer Pflegetagegeldversicherung tritt bei Mitarbeitern selten ein beziehungsweise in der Regel erst dann, wenn der Mitarbeiter das Unternehmen verlassen hat“, sagt Sascha Marquardt, Leiter des Kompetenzcenters Firmenkunden der Hallesche Krankenversicherung.
Eigenständige steuerliche Förderung
Zwar können die Tarife, die das Mitarbeiter-eigene Pflegerisiko absichern, in der Regel nach Ende der Erwerbstätigkeit als private Verträge fortgeführt werden. Dieses Argument verfängt angesichts der Absatzzahlen aber offenbar noch nicht. Zudem bedarf es offensichtlich mehr Aufklärung darüber, welche bPV-Absicherungsmöglichkeiten es eigentlich gibt und wie sich diese voneinander unterscheiden. Um die Verbreitung der bPV zu steigern, befürworten die Befragten ebenso wie der PKV-Verband, eine eigenständige steuerliche Förderung, ähnlich wie bei der bAV. Wären die Beiträge zur bPV steuer- und sozialabgabenfrei, ist man sich einig, wäre deutlich mehr Absatz möglich.