Grundsatzurteil erwartet

Allianz zieht im Streit um Riester-Kürzung vor den BGH

Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hatte der Allianz eine Klausel in ihren Fondspolicen untersagt, die es dem Versicherer ermöglichte, den Rentenfaktor bei sinkenden Renditen zu senken. Die Allianz geht nun in Revision.

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14:02 Uhr | 24. Februar | 2025
BGH-Gebäude in Kalrsruhe

Der Hof des BGH-Nordgebäudes.

| Quelle: Stephan Baumann

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hatte mit Urteil (Aktenzeichen 53 O 214/22) vor Kurzem einer Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg stattgegeben und es der Allianz Lebensversicherungs-AG untersagt, sich gegenüber Verbrauchern auf eine Klausel in Verträgen über eine fondsgebundene Riesterrente zu berufen, die sie zwischen Juni und November 2006 verwendet hat. (procontra berichtete)

Wie das Portal „Fonds Professionell“ berichtete und wie der Versicherer auf Nachfrage von procontra bestätigt hat, will die Allianz nun ein Grundsatzurteil vor dem BGH erwirken, das sich auf die gesamte Branche auswirken könnte. Denn es ist davon auszugehen, dass nicht nur die Allianz, sondern weitere Versicherer diese oder ähnliche Klauseln in ihren Lebensversicherungsverträgen schlummern haben.

Die umstrittene Klausel erlaubte es der Allianz, den Rentenfaktor bei einer unerwarteten und nicht nur vorübergehenden Senkung der Kapitalmarktrendite zu reduzieren. Dies sorgte insbesondere bei Verbraucherschützern für Unmut: Sie kritisieren, dass die Regelung keine Möglichkeit zur Anhebung der Rente bei einer Verbesserung der Umstände bietet und es den Kunden auch nicht erlaubt, das Rentenniveau durch zusätzliche Beiträge wieder zu steigern. Die Allianz selbst gab an, dass vor allem Verträge, die zwischen Juli 2001 und Juni 2013 abgeschlossen wurden, von dieser Regelung betroffen sein könnten. Laut einer Sprecherin der Allianz wurde die Absenkung des Rentenfaktors von einem unabhängigen Treuhänder geprüft und als erforderlich sowie angemessen erachtet. Grundsätzlich gelte: Eine Anpassung des Rentenfaktors zur Berechnung der Rente greife nicht in Garantiezusagen von Allianz Leben ein. Allianz Leben stehe zu allen vertraglichen Zusagen und Garantien.

Zum Hintergrund

Wie die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg ausführt, handelt es sich bei der hier streitgegenständlichen Treuhänderklausel im Kern um eine Klausel, die in der Branche weit verbreitet ist. Die Allianz hatte den Rentenfaktor für einen betroffenen Riester-Vertrag von 38,74 Euro auf 30,84 Euro je 10.000 Euro Policenwert gesenkt – eine Kürzung um rund 20 Prozent. Als Begründung hatte sie unter anderem die anhaltende Niedrigzinsphase angeführt. Seitdem hat die EZB ihren Leitzins aber wieder kräftig erhöht. Sie ist aus dem Vertrag heraus aber nicht verpflichtet, die Rentenkürzung zurückzunehmen.

”Zwar darf der Versicherer nach dem Versicherungsvertragsgesetz die Rente herabsetzen. Allerdings muss er sich dann spiegelbildlich in transparenter Weise dazu verpflichten, die Rente wieder zu erhöhen, wenn die Umstände, die zur Kürzung der Leistung geführt haben, später entfallen“, sagt Niels Nauhauser, Abteilungsleiter bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wie das OLG betont, reiche eine freiwillige Zusage des Versicherers, den Rentenfaktor gegebenenfalls wieder zu erhöhen, nicht aus. Diese müsse sich vielmehr aus den Versicherungsbedingungen ergeben.

BGH und die Zukunft der Rentenfaktor-Regelung

Der Hintergrund der Streitigkeit liegt in der Natur von Fondspolicen: Hier kann ein Versicherer keine feste Verzinsung garantieren, da die Entwicklung der gewählten Fonds nicht absehbar ist. Viele Versicherer bieten daher einen garantierten Rentenfaktor an, der jedoch unter bestimmten Umständen angepasst werden kann. Die Allianz betont, dass durch die Anpassung des Rentenfaktors weder die Garantiezusagen noch die Überschussbeteiligung betroffen seien. Der Rentenfaktor betreffe nur einen Teil der zukünftigen Rentenleistung, der zu Rentenbeginn berechnet wird. Ein weiterer relevanter Fall des BGH aus dem Herbst 2024 hatte bereits das Überschussbeteiligungssystem des Produkts "Allianz Perspektive" als fair eingestuft und die Berechnung und Zuteilung von Überschüssen als wirksam bestätigt. Nun wird es erneut an der höchsten Instanz liegen, über die Zulässigkeit der Klausel zu entscheiden.